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KRIEG/1328: Awacs - Besatzer machen afghanischen Luftraum unsicher (SB)



Uns dummdreist Krieg als Frieden und Zerstörung als Aufbau zu verkaufen, gehört nun einmal zum Kerngeschäft des Bundesverteidigungsministers. Das ist zwar ein alter Hut, doch verlangt er Amtsinhaber Franz Josef Jung immerhin verbale Kapriolen ab, wenn er das Offensichtliche treuherzig dementiert. "Es ist sinnvoll, daß wir uns mit Nato-Awacs-Maschinen zusätzlich engagieren, um die Flugsicherheit zu verbessern", lobte er den nach monatelangen Widerständen der Franzosen soeben erzielten Durchbbruch. Aufgabe sei die Sicherung der Flugbewegungen, nachdem der Luftverkehr über Afghanistan erheblich an Dichte zugenommen habe. Auch die Bundeswehr trat dem Eindruck entgegen, die Maschinen könnten für die Ausweitung von Kampfeinsätzen genutzt werden, indem sie potentielle Ziele aufspüren. Der Awacs-Radar sei für Bodenüberwachung gar nicht ausgelegt, erklärte ein Sprecher spitzfindig. Die Auflösung sei nicht hoch genug: "Der Teller, der da oben drauf ist, kann das nicht."

Was euphemistisch als "Luftverkehr über Afghanistan" ausgewiesen wurde, meint offensichtlich nicht Touristenströme oder regen zivilen Flugbetrieb eines wirtschaftlich blühendes Landes. Wer außer den kriegführenden Besatzungsmächten und ihren Kollaborateuren hat schon die Mittel und Möglichkeiten, den afghanischen Luftraum unsicher zu machen!

Nur dumm, daß der Bundestag ein Mandat für den Einsatz erteilen muß, doch da es sich ja nur um "Flugsicherung" handelt, ist kein nennenswerter Widerstand in der Koalition zu erwarten. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm kündigte denn auch an, das Kabinett werde so rasch wie möglich eine Beschlußvorlage ausarbeiten, schließlich soll die Entscheidung wegen der anstehenden Bundestagswahl zügig umgesetzt werden. Die Awacs-Flugzeuge sind in Geilenkirchen bei Aachen stationiert, Deutschand trägt 16 Prozent der bis zu 100 Millionen Euro pro Jahr geschätzten Kosten und die Bundeswehr stellt 40 Prozent der insgesamt 250 Mann Besatzung der drei bis vier Maschinen. Das will man vor der Sommerpause über die parlamentarische Bühne bringen, ehe am Ende noch Quertreiber in größerer Zahl plötzlich ihr antimilitaristisches Herz entdecken.

Unterdessen geschieht auf afghanischem Boden das Unvermeidliche oder besser gesagt Beabsichtigte: Die Bundeswehr, so hört man, setzt auf eine neue Strategie. Man reagiere offensiver auf die zunehmenden Angriffe von Aufständischen und verlasse nicht mehr zügig den Schauplatz, um sich im gut geschützten Feldlager in Kundus zu verbarrikadieren. Vielmehr liefere man sich jetzt offene Feuergefechte mit den Angreifern, so der Bundeswehrverband: "Das sind Gefechte, wo militärisch organisierte Taliban offen auftreten und offen auf die Soldaten schießen und diese dann zurückschießen müssen." Da brauchen die derzeit 3.800 deutschen Soldaten am Hindukusch bald ihre Taschenkarte nicht mehr, in der die Anwendung militärischer Gewalt geregelt ist: "Im Rahmen der Nothilfe dürfen Sie Angriffe gegen jedermann abwehren, die lebensgefährdend sind oder auf schwere körperliche Beeinträchtigung abzielen." Notwehr ist angesagt, ob man nun schießt oder zurückschießt, Hauptsache, wir zeigen's den Taliban!

Kein Zweifel, in Afghanistan hat sich die Lage in den vergangenen Monaten weiter zugespitzt. US-Angaben zufolge sind die Taliban-Kämpfer stärker als je zuvor und die Angriffe der Aufständischen auf den höchsten Stand seit Beginn der US-Invasion 2001 gestiegen. Dabei ist die Afghanistan-Schutztruppe binnen eines Jahres auf 60.000 Mann fast verdoppelt worden, wobei zur Sicherung der Präsidentschaftswahl im August bis zu 10.000 weitere Soldaten befristet stationiert werden. Vier-Sterne-General David Petraeus kündigte "harte Monate" sowie die Aufstockung des US-Kontingents bis zum Herbst auf 68.000 Soldaten an. Zu den neuen Truppen zählen demnach Kampfverbände der Marines und der Armee. Außerdem werde die Zahl der für Einsätze im Süden Afghanistans zur Verfügung stehenden Hubschrauber verdoppelt, so Petraeus.

Da kann es schon mal unübersichtlich werden im afghanischen Luftraum, und weil es am Hindukusch neben anderen Rückständigkeiten auch kein flächendeckendes Radarsystem am Boden gibt, müssen die Awacs-Maschinen diese Aufgabe übernehmen. Bald wird der "Teller, der da oben drauf ist", das machen, was er kann: Aufpassen, daß all die Drohnen, Hubschrauber, Kampfjets, Bomber und Transportfluge nicht zusammenstoßen und einander gegenseitig dezimieren, statt die Afghanen.

12. Juni 2009