Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

REPRESSION/1364: Willkürliche Massenverhaftung auf Klimagipfel (SB)



Durch das sogenannte Lümmelgesetz haben sich die Exekutivorgane Dänemarks rechtzeitig vor dem großen UN-Klimagipfel in Kopenhagen weitreichende Befugnisse zur Unterdrückung von demokratisch legitimierten Formen der Opposition zugesprochen. Nachdem britische Behörden bereits im Vorfeld der Konferenz mutmaßlichen Gipfelgegnern kurzerhand das Verlassen des Landes verweigerten und auf diese Weise unter Beweis stellten, daß die angeblich abgebauten Grenzbäume innerhalb der Europäischen Union durch sehr viel wirksamere, flächendeckende Instrumente der Einschränkung der Freizügigkeit ersetzt wurden, griffen am Samstag bei einer Großdemonstration in der dänischen Hauptstadt Einsatzbeamte zu und nahmen 968 Personen fest.

Viele von ihnen mußten gefesselt bis zu vier Stunden auf der frostigen Straße sitzen, bevor sie in eine Lagerhalle verfrachtet wurden. Bis auf dreizehn Personen wurden sie inzwischen wieder freigelassen, nur gegen drei Personen liegen nach Polizeiangaben konkrete Verdachtsmomente auf Straftaten vor. Ein Polizeisprecher wartete mit der abenteuerlichen Erklärung für die hohe Zahl an "vorbeugend" Festgenommenen auf, daß sich diese in der Nähe einer kleinen Gruppe gewaltbereiter Demonstranten aufgehalten hätten.

Abgesehen davon, daß es sich bei der kleinen Gruppe offenbar um keine gewalt"tätigen" Demonstranten gehandelt hat - das zu erwähnen hätte sich die Polizei sicher nicht nehmen lassen - und hier folglich nur eine subjektive Einschätzung zum Maßstab erkoren wird, stellt sich die Frage, was die Polizei unter "in der Nähe" versteht. Können sich überhaupt fast 1000 Personen in der Nähe einer kleinen Gruppe aufhalten?

Man sollte das ganz nüchtern sehen: In Dänemark kam es wie in einem klassischen Fall von polizeistaatlicher Willkür zu einer Massenverhaftung sowie einer absichtlichen Erniedrigung und gesundheitlichen Schädigung von Bürgern. Geradezu zynisch mutet der Entschuldigungsversuch eines Behördensprechers an, der bedauerte, wenn Unschuldige unter den vorübergehend Festgenommenen waren.

Nach Recht und Gesetz sind ALLE Demonstranten unschuldig, solange ihnen keine Schuld nachgewiesen wird. Soll hier die Unschuldsvermutung, die bereits durch die Präventivhaft ausgehebelt wird, vollends begraben werden? Ist das ein Vorgeschmack auf eine Gesellschaftsordnung, wie sie hinter verschlossenen Türen auf dem UN-Klimagipfel für die gesamte Menschheit ausgehandelt wird - nach dem Motto: Wer gegen die Regierung demonstriert, macht sich schuldig?

Da mit der Teilnahme an der Demonstration die fundamentale Bereitschaft bekundet wurde, das eigene, wie auch immer geartete Anliegen an die Regierungsvertreter zu addressieren und ihnen eine Lösung der globalen, mit dem Klimawandel einhergehenden Probleme zu überantworten, zeigt die heftige Reaktion des Staates gegen seine also im Prinzip ergebenen, wenngleich in Detailfragen kritischen "Untertanen", wie eng die Verhältnisse bereits gediehen sind. In Großbritannien und mit dem Lümmelgesetz auch in Dänemark werden Umweltaktivisten in die Nähe von sogenannten Terroristen gerückt und nach der Antiterrorgesetzgebung behandelt. Auch hierbei zeigt sich, daß der Staat die Deutungshoheit über "in der Nähe von" reklamiert.

Zeigen diese Beispiele von Repression nicht, wie unsicher der Staat sein muß, wenn er es nötig hat, zu dermaßen harschen Mitteln zu greifen, um sich zu schützen?

14. Dezember 2009