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RAUB/0980: Blutgeld - die Milliardengewinne der Erdölkonzerne (SB)



In Kairo, Tunis, Sanaa und anderen Städten der arabischen Welt kommen in diesen Tagen Menschen ums Leben, weil sie sich gegen autokratische Regime erheben. Warum ausgerechnet jetzt, lautet eine häufig gestellte Frage - warum erst jetzt, müßte sie lauten.

Denn Unruhen gibt es in diesen Ländern schon seit vielen Jahren, bislang konnten sie durch die häufig mit westlicher Hilfe entwickelten Repressionstechnologien unterdrückt werden. In jüngster Zeit kamen jedoch höhere Inflationsraten, vor allem aber steigende Lebensmittelpreise als Unruhefaktor hinzu. Der Trend hat die Armen noch ärmer gemacht und beim Mittelstand für leere Geldbörsen gesorgt. Wenn aber die Menschen nichts mehr zu essen haben oder Abstriche von ihren Eßgewohnheiten machen müssen, läuft das absehbar auf eine existentielle Not hinaus und weckt den Zorn der Betroffenen auf die politischen Entscheidungsträger. Bereits zur Zeit der globalen Lebensmittelkrise 2007, 2008 mußten sich viele Millionen Menschen von zwei oder drei Mahlzeiten pro Tag auf nunmehr eine einzige umstellen. Ähnliches geschieht zur Zeit wieder. Die eilfertigen staatlichen Eingriffe zur Senkung der hohen Lebensmittelpreise in vielen Ländern kurz vor und nach dem endgültigen Sturz des tunesischen Regimes sprechen Bände.

Der Preis für Grundnahrungsmittel folgt dem Preis des Erdöls. Jetzt hat der Ölpreis die 100-Dollar-Marke pro Faß (ca. 159 Liter) überschritten, was den Ölkonzernen Milliardengewinne in die Kassen spült. Während sich die Chefs von Unternehmen wie Shell, Exxon Mobil und Chevron freudig die Hände reiben, schlagen sich andernorts Menschen als Folge der Verteuerung gegenseitig die Köpfe ein.

Um 60 Prozent hat Shell gegenüber dem Vorjahr zugelegt. Das entspricht einem Gewinn von 20,13 Milliarden Dollar und übertrifft das Bruttoinlandsprodukt von Mali, Mauretanien und Niger zusammengenommen. Doch nicht einmal dieser Gewinn genügt den Spekulanten: der Wert der Shell-Aktie sackte an der Londoner Börse um drei Prozent. Der Chef der Ölgesellschaft, Peter Voser, versprach weitere Gewinnzuwächse für die nächsten Jahre (Spiegel online, 3.2.2011). Selbst ein Konzern wie BP, der aufgrund der schweren Umweltkatastrophe im Golf von Mexiko Verluste in Höhe von fünf Milliarden Dollar einfuhr, dürfte angesichts der allgemeinen Entwicklung der Branche schnell wieder auf die Beine kommen. Die Ära preiswerten Erdöls neigt sich dem Ende zu. Das Oligopol der Ölkonzerne profitiert von der hohen Nachfrage und Endlichkeit dieser Ressource.

Sollte sich Vosers Ankündigung von höheren Konzerngewinnen erfüllen, bedeutet das, daß umgekehrt die Not vieler Menschen wächst. Der Mangel, den viele Menschen zu erleiden haben, bildet das Äquivalent zu den Konzernprofiten, kommt doch einer Ware nur dann ein abzählbarer Wert zu, wenn sie nicht frei verfügbar, das heißt, wenn sie knapp ist.

Der kapitalistischen Verwertung von Lohnarbeit liegt ein Tabu zugrunde, nämlich daß Wirtschaften auf Verknappung hinausläuft und die Regierungen hierfür den ordnungspolitischen Rahmen liefern. Der wird gegenwärtig von Tunesien bis Ägypten von den Menschen angegriffen. Wie auch immer die Aufstände enden werden, soweit zum jetzigen Zeitpunkt erkennbar, wird dabei die vorherrschende Eigentumsordnung nicht grundsätzlich ins Visier genommen. Solange aber das Mangelregime aus politischer Verfügungsgewalt auf der einen und Verwertung der Arbeitskraft im Produktionsprozeß auf der anderen Seite unangetastet bleibt, werden die Ölkonzerne, die hier als passendes Sinnbild für die akkumulationsgetriebene Wirtschaftsweise insgesamt stehen, da sie den hierfür erforderlichen Schmier- und Brennstoff liefern, an der Vermehrung des Mangels beteiligt sein. Weitere Profite sind einkalkuliert - weitere Hungerrevolten ebenfalls.

3. Februar 2011