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RAUB/0979: Dienstleistung Schwangerschaft - Nicole Kidmans "Gestational Carrier" (SB)



Dem Begriff der Leihmutter haftet etwas zutiefst Widersprüchliches an. Die Mutter als Inbegriff derjenigen Person, die der Mensch als erstes kennenlernt und zu der er mit hoher Wahrscheinlichkeit tiefe emotionale Affinität, sei sie nun liebevoller oder haßerfüllter Art, entwickelt, ein Gegenstand, den man gegen Geld ausleiht und nach Gebrauch zurückgibt? Die Frau, in deren Bauch ein Mensch neun Monate lang heranwächst, so daß zwischen beiden eine denkbar intimer Kontakt entsteht, als warenförmige, geschlechtspezifische Dienstleistung wie etwa die der Prostitution? Der Beginn der Menschwerdung im Körper einer Fremden, ausgetragen in der Unwirtlichkeit kapitalistischer Verwertung, der kein Bereich des Lebens und Sterbens nicht austausch- und wechselbar wäre? Unbeantwortbare Fragen an die leibliche Mutter, deren Liebe nicht so weit reicht, daß sie die Schmerzen und Mühen einer Schwangerschaft auf sich nimmt, die aber nicht darauf verzichten will, ein Kind von eigenem Fleisch und Blut zu haben, anstatt einem der zahlreichen elternlosen Adoptivkinder mit ihrem Kinderwunsch zu einem besseren Leben zu verhelfen?

Nicole Kidman und ihr Ehemann Keith Urban sind der immanenten Widersprüchlichkeit des Begriffs der Leihmutter, im englischen "surrogate mother", mit einer terminologischen Innovation aus dem Weg gegangen, auf die man erst einmal kommen muß. Als das Starehepaar am Montag vor einer Woche der Presse die Geburt der Tochter Faith Morgan bekanntgab, verlor es bei seiner Danksagung an alle, die bei der Erzeugung eines Menschen durch künstliche Befruchtung Anteil hatten, auch einige Worte an die Frau, die dafür sorgte, daß Kidmans wertvolle Zeit als hochbezahlte Schauspielerin nicht durch eine Schwangerschaftspause verkürzt wurde. Ihre "unglaubliche Dankbarkeit" gelte insbesondere "unserer Schwangerschaftsträgerin". "Gestational Carrier", so das verwendete englische Wort, kommt der absolvierten Dienstleistung mit der Bedeutung des Tragens im wortwörtlichen Sinne durchaus nahe, insbesondere jedoch vermeidet die von der Kälte verwaltungstechnischer Objektivierung geprägte Terminologie die Verwendung des Wortes "Mutter".

Dieser Titel steht, quasi im Sinne eines reproduktionsmedizinischen Urheberrechts, eben nur der Auftraggeberin zu, und das gilt desto mehr, je größer die Distanz zum Objekt ihres Eigentumsanspruchs ist. Dabei geht es nicht nur um semantische Deutungen, ist es doch schon vorgekommen, daß Leihmütter ihren AuftraggeberInnen die Auslieferung des geborenen Kindes mit dem Argument verweigerten, daß zu seiner Erzeugung kein genetisches Material der nominellen Eltern verwendet wurde. Überhaupt scheint es bei Leihmüttern immer wieder zu einer unprofessionellen Identifikation mit dem ihnen implantierten Kind zu kommen, die sie in Versuchung führt, es für sich zu beanspruchen. Doch ebensosehr, wie die ihren Körper vermietende Frau für die biologischen oder juristischen Eltern eine Leihmutter ist, ist der Fötus, der in ihr heranreift, für sie ein Leihkind.

Der Auswanderung der biologischen Reproduktion in die technische Sterilität des Labors folgen die sich daraus ergebenden biomedizinischen Zurichtungen des werdenden Menschen auf dem Fuß. Die Verwendung handverlesener Zeugungssubstrate, gewonnen von hormonell zur Eizellenproduktion stimulierten Frauen mit angeblich besonders wertvollem Genmaterial wie etwa weißen Akademikerinnen, die selektive Qualitätskontrolle der embryonalen Entwicklung durch Präimplantationsdiagnostik und die Beauftragung einer Leihmutter erweitern den Kreis der an einer Geburt beteiligten medizinischen ExpertInnen und biologischen DienstleisterInnen erheblich. Der dabei entstehende Mensch stellt mithin ein Investment dar, das es ihm um so weniger gestattet, im späteren Leben die in ihn gestellten Erwartungen nicht zu erfüllen. Bekommen sie oder er im späteren Leben zu hören, so ganz und gar nicht den Vorstellungen der Eltern zu entsprechen, dann lautet die angemessene Entgegnung, daß sie doch von ihrem Rückgaberecht Gebrauch machen sollten.

Was Mütter am unteren Ende der Überlebenspyramide auszuhalten haben, belegt den sozialeugenischen Charakter der biologischen Reproduktion in den Ländern des HighTech-Kapitalismus. Während den Eliten die ganze Leistungspalette der weißen Fabrik zur Verfügung gestellt wird, um ihresgleichen auf die Welt zu bringen und gesund zu erhalten, soll das Problem der "Outer Class" einer mit sozialtechnokratischen Mitteln erwirkten biologischen Lösung zugeführt werden. Wie die junge Welt (18.01.2011) berichtete, wurden einer werdenden Mutter in Passau sämtliche Sozialbezüge einschließlich der Mietzahlungen gestrichen, weil sie den ihr zugeteilten Ein-Euro-Job in einer Großküche nicht angetreten habe. Obwohl die im Februar entbindende Frau laut Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum (Elo) seit Beginn ihrer Schwangerschaft fast durchgängig krankgeschrieben gewesen sei, reichte zur Durchsetzung dieser Maßnahme das einmalige Versäumnis, eine Folgekrankmeldung vorzulegen. Wenn Thilo Sarrazin der von ihm prophezeiten Abschaffung Deutschlands dadurch entgegenwirken will, daß Personen, die Grundsicherung beziehen, weniger Kindergeld erhalten, während Akademikerinnen bei Geburt eines Kindes vor dem 30. Lebensjahr eine Gebärprämie von 50.000 Euro in Aussicht gestellt werden soll, dann braucht man nicht lange darüber nachzudenken, wer in diesem Land vor allen Dingen abgeschafft werden soll.

Zu Sarrazins Kreuzzug für die Elitenherrschaft siehe auch:

http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prber052.html

23. Januar 2011