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RAUB/0900: Global Green New Deal - Zwang zum Wachstum (SB)



Nach der Angliederung der DDR an die Bundesrepublik und dem Zusammenbruch der Sowjetunion existiert offenbar nicht einmal mehr die Idee einer Systemalternative. Nicht daß sich der Staatssozialismus östlicher Prägung prinzipiell weniger destruktiv gegenüber Mensch und Umwelt erwiesen hätte als der marktwirtschaftlich getriebene Kapitalismus westlichen Einschlags. Aber daß nun nicht einmal mehr eine Alternative zum fortwährenden Wachstumszwang diskutiert wird, geschweige denn daß ein Diskurs über empanzipatorische Entwürfe, in denen die Voraussetzungen der Vergesellschaftung des Menschen hinterfragt werden, entfacht wird, könnte der Menschheit - so man diesen Begriff, den Nord-Süd-Konflikt und innergesellschaftlichen Klassenwiderspruch aufs gröbste ignorierend, überhaupt verwenden will - noch gehörig auf die Füße fallen.

Das zeigt sich an dem Bestreben des UN-Umweltprogramms und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - OECD -, aus der Not der Wirtschaftskrise eine Tugend machen und dem nächsten Akkumulationszyklus wie einem Phönix aus der Asche einen grünen Tarnanstrich verpassen zu wollen. Global Green New Deal lautet das Zauberwort, mit dem die Wirtschafts-, Armuts-, Nahrungs-, Umwelt- und Klimakrisen bewältigt werden sollen. Ein hehres Anliegen ohne Frage, auf das sich die beiden Organisationen in der vergangenen Woche geeinigt haben, ob aber die eingesetzten Mittel den Ansprüchen genügen, darf in Frage gestellt werden. Denn die eigentliche Krise, der Wachstumszwang, wird von den meisten Vorschlägen zum Global Green New Deal nicht einmal berührt, sondern im Gegenteil sogar noch weiter fortgeschrieben.

Voraussetzung eines jeden Wachstums ist die Erzeugung von Verlusten. Die Behauptung, daß die sogenannten Entwicklungsländer eine quasi-natürliche Transformation durchlaufen und sich zu Schwellenländern weiterentwickeln, um schließlich brüderlich in den Reigen der reichen Industriestaaten aufgenommen zu werden, ignoriert die weltweit gewachsene und wachsende Kluft zwischen Arm und Reich und damit zwischen Menschen, die bloße Manövriermasse sind, und jenen, die an den Schalthebeln der Macht sitzen. Daran wird, soweit erkennbar, auch ein Green New Deal nichts ändern.

Der New Deal, mit dem US-Präsident Roosevelt ab 1932/33 die Binnenwirtschaft angekurbelt hat und dessen grüne Variante nun global ausgespielt werden soll, hat die Armut in der Welt nicht etwa beseitigt, sondern befestigt. Den Vereinigten Staaten gelang es, immer mehr Handelsliberalisierungen durchzusetzen, die ihnen zum Vorteil gereichten, während die "Partner" einerseits Produktionsüberschüsse der USA aufnahmen, andererseits in die Rolle der bloßen Ressourcenlieferanten manövriert wurden. Abgelöst wurde der New Deal schließlich durch die Kriegswirtschaft.

Es soll nicht in Abrede gestellt, daß Erklärungen der UNEP wie, die Lebensverhältnisse der armen Menschen verbessern zu wollen, wohlfeil klingen (www.unep.org/greeneconomy/). Auch kann dem Wunsch, Maßnahmen gegen die Erderwärmung ergreifen zu wollen, vorbehaltlos zugestimmt werden. Ob aber die Schaffung vieler neuer Arbeitsplätze durch Investitionen in grüne Technologie wünschenswert ist oder ob nicht die unkritische Ausrichtung auf Arbeit ein grundlegendes Verhängnis vieler Menschen befördert, diese Frage mag an einem Beispiel aus Kambodscha, über das Thomas Kruchem in einer Rundfunksendung über Landraub auf NDR info am 29. Juni um 20.30 Uhr berichtete, verdeutlichen. Darin schildern Dorfbewohner, daß eines Tages Bulldozer ankamen und ihren Wald, von dem sie bisher gelebt hatten, niedermachten, um landwirtschaftliche Flächen zu schaffen. Auf ihre Proteste hin bekamen die Bewohner des Waldes von der Regierung zu hören, daß dies Arbeitsplätze bringe. 'Wir wollen nicht eure Sklaven sein', erwiderten die Dorfbewohner zornig. Sie wurden Opfer von Kräften, die sich ebenfalls auf Wachstum berufen, die Exportwirtschaft ankurbeln und Arbeitsplätze schaffen wollen.

Wenn im Global Green New Deal von neuen Arbeitsplätzen, dem Bemühen, die Millenniumsziele zu erreichen, dem Ende der Verbrennung fossiler Energieträger und der Etablierung einer nachhaltigen Wirtschaft die Rede ist, dann wird irrtümlich der Eindruck erweckt, als seien die von den systemischen Voraussetzungen her notwendigerweise profitorientierten Unternehmen - ob sie nun Solarzellen produzieren oder spritfressende Autos - willens oder auch nur innerhalb des Systems fähig, auf das Abschöpfen des von den Arbeitern geleisteten Mehrwerts zu verzichten.

Bevor die Menschheit das gleiche in grün weitermacht, was schnurstracks zu den oben genannten Krisen geführt hat, wären gänzlich andere Probleme in Angriff zu nehmen. Die haben im ersten Schritt womöglich nichts mit dem Aufstellen von Windrädern und dem Auslegen von Solarzellen zu tun, sondern mit der Beendigung der Wachstumsdoktrin und Abschaffung von Produktionsverhältnissen, die darauf abzielen, die Herrschaft des Menschen über den Menschen zu qualifizieren, damit die Kluft zwischen jenen, die unter Preisgabe ihrer Physis produzieren, und jenen, welche die Früchte der Arbeit ernten dürfen, unüberbrückbar wird. Welche Arbeits- und Produktionsformen die Menschen dann entwickeln, kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Nur soviel: Ein grüner Kapitalismus wird das nicht sein.

30. Juni 2009