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HERRSCHAFT/1842: Parteien - Rechtsruck unübersehbar ... (SB)



Ich wünsche mir, dass sich der sächsische Ministerpräsident von bestimmten politischen Positionen, die von der CDU auf Bundesebene propagiert werden, emanzipiert.
Hans-Georg Maaßen in der Welt am Sonntag [1]

Hans-Georg Maaßens Aufstieg zu einem politischen Spitzenbeamten, Chef des Inlandsgeheimdienstes und nunmehr Wahlkämpfer auf dem äußersten rechten Flügel der Union ist symptomatisch für den jahrzehntelangen Kurs deutscher Regierungspolitik. Hartz-IV-Regime, wachsende Repression nach innen und Militarisierung nach außen als Strategien, aus den anwachsenden Krisen als Sieger hervorzugehen, brachten ein gesellschaftliches Klima von Nationalismus, Sozialrassismus und Fremdenfeindlichkeit hervor, das Wasser auf die Mühlen einer erstarkenden rechten Bewegung war. Sie formierte sich dort, wo die ehemals großen Volksparteien hindrifteten, die sich dadurch tendentiell überflüssig machten. Wenn sie nun angesichts des Absturzes in der Wählergunst halbherzig gegensteuern, ist das Debakel geradezu vorprogrammiert. Reaktionäre Denkweisen und Kreise zu hofieren, aber sich zugleich von ihnen abzugrenzen, zwingt dem politischen Spitzenpersonal einen Spagat auf, der nur schiefgehen kann.

Das erfährt derzeit Annegret Kramp-Karrenbauer, die eine Ära nach Merkel einzuläuten schien, deren Drall nach rechts aber inzwischen in einen heftigen Schlingerkurs übergegangen ist. Provoziert von Maaßen, der die wahre CDU dort verortet, wo er selber steht, und ihr vorhält, unter der früheren Vorsitzenden nach links abgedreht zu sein, hat sie laut über seinen Parteiausschluß nachgedacht, um dann postwendend zurückzurudern. Nun fällt die gesamte Medienmeute über AKK her, während sich Maaßen genüßlich die Hände in Unschuld wäscht, hat er doch seine Partei kurz vor den Landtagswahlen im Osten höchst erfolgreich vor sich her getrieben. Galt er nach seiner Entlassung als Präsident des Verfassungsschutzes und der wenig später erfolgten Versetzung in den einstweiligen Ruhestand als gescheitert und ruhiggestellt, so werkelt er inzwischen als Aushängeschild der WerteUnion an einer Laufbahn als Politiker, die ihn, wer weiß, vielleicht sogar ins Amt des Innenministers spülen könnte, was er jedenfalls als Zukunftsphantasie nicht ausgeschlossen hat.

Wes Geistes Kind Maaßen seit jeher ist, belegte schon vor 30 Jahren seine Doktorarbeit über "Die Rechtsstellung des Asylbewerbers im Völkerrecht", in der er vor "unkontrollierter Massenzuwanderung" warnte und mit Kampfbegriffen wie "Asyltourismus" schwadronierte. Vom damaligen Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) ins Innenministerium geholt, wo er zum Referatsleiter für Ausländerrecht aufstieg, erstellte er 2002 ein Gutachten über den in Bremen aufgewachsenen Murat Kurnaz, der im US-Folterlager Guantanamo gefangengehalten wurde. Um die Verpflichtung der Bundesregierung in Abrede zu stellen, Kurnaz zurückzuholen, legte er dar, daß dessen Aufenthaltsrecht in Deutschland erloschen sei, weil er sich mehr als sechs Monate außer Landes aufgehalten und bei den zuständigen Behörden nicht gemeldet habe. Gegen heftige Kritik hielt Maaßen an seiner Entscheidung fest, so daß Kurnaz zunächst weiter in Guantanamo bleiben mußte. Erst später entschied ein deutsches Gericht, daß er das Land nicht freiwillig verlassen habe, in einem Foltergefängnis festgehalten werde, sich deshalb bei Behörden nicht melden könne und daher sein Aufenthaltsrecht auch nicht erloschen sei.

Nachdem Maaßen 2012 vom damaligen CSU-Innenminister Hans-Peter Friedrich zum Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz ernannt worden war, griff er Edward Snowden als Verräter von Staatsgeheimnissen an und forderte die Medien zu einer engeren Zusammenarbeit im Dienst der Staatssicherheit auf. 2015 stieß er durch mehrere Strafanzeigen Ermittlungen gegen zwei Blogger von netzpolik.org wegen angeblichen Verdachts auf Landesverrat an. Als Chef des Inlandsgeheimdienstes unterstützte er den Aufbau der AfD und traf mehrfach mit deren Spitzenpolitikern zusammen, um sie zu beraten, wie sie eine Überwachung durch den Verfassungsschutz vermeiden könnten. Maaßen sprach sich offen gegen die Überwachung der AfD aus, obwohl diese rechtsextreme und völkische Positionen wie jene Björn Höckes beherbergte und schützte. Im Spätsommer 2018 geriet er als Präsident des Bundesverfassungsschutzes in die Kritik, nachdem er die Echtheit eines Videos bezweifelt hatte, das nach der Tötung eines Mannes in Chemnitz eine Attacke gegen Migranten zeigt. Im November 2018 versetzte Bundesinnenminister Horst Seehofer Maaßen in den einstweiligen Ruhestand, nachdem dieser laut einem Redemanuskript von teils "linksradikalen Kräften in der SPD" gesprochen hatte. [2]

Im Vorfeld der Landtagswahlen am 1. September in Sachsen und Brandenburg sowie Ende Oktober in Thüringen organisiert Maaßen gemeinsam mit der WerteUnion Wahlversammlungen, an denen Anhänger von CDU und AfD teilnehmen, in deren Wertschätzung er badet. Er scheut sich nicht, mit namhaften AfD-Politikern aufzutreten und hat in zahlreichen Interviews einen rechts-konservativen Aufbruch in der deutschen Politik angemahnt und dabei insbesondere die Union harsch ins Gebet genommen. In einem Interview mit der Rheinischen Post versicherte Maaßen, er halte sich nicht für rechts. "Menschen, die mich näher kennen, halten mich für sozial und damit für eher links - und für einen Realisten. So sehe ich mich auch." Er wolle nicht in die rechte Ecke gestellt werden. "Nur weil man die Klimapolitik und die Migrationspolitik kritisiert, nur weil man Bedenken hat, was einige Punkte der Sicherheitspolitik angeht, ist man nicht automatisch rechts." Der Ausdruck "rechts" werde heute inflationär verwendet, um Personen auszugrenzen und um sich mit den Sachargumenten nicht auseinandersetzen zu müssen. In diesem Interview erklärte er zudem, ihn schockiere die Harmoniebedürftigkeit in der CDU. "Der Karlsruher Parteitag 2015 war für mich ein Damaskus-Erlebnis." Die damalige CDU-Vorsitzende Angela Merkel habe dort eine überwältigende Mehrheit bekommen und neuneinhalb Minuten Applaus. "Niemand hat sie mit Blick auf die Flüchtlingspolitik kritisiert. Obwohl viele Politiker, die dort waren, mir gesagt hatten: So geht es nicht weiter." Dies sei einer Volkspartei unwürdig.

Er wünsche sich von seiner Partei "in Teilen eine Neupositionierung der CDU, eine Politikwende". Damit stehe er nicht allein, da viele Menschen das forderten, weit über die 2.500 Mitglieder der WerteUnion hinaus. Auch die Grünen ging er scharf an: "Die Grünen insgesamt betreiben in Teilen eine weltfremde bis esoterische Politik, die wenig mit den tatsächlichen Problemen der allermeisten Menschen in diesem Land zu tun hat. Ich halte die Politik der Grünen in Teilen für realitätsfremd und gefährlich. In der Migrationspolitik würde sie dazu führen, dass die Türen noch weiter geöffnet werden und gar keine Abschiebungen mehr stattfinden." Er denke nicht, "dass das Thema Klima die Menschen derart besorgt", wie "gerade überall erklärt" werde. "Wir sollten unseren Kindern nicht mit der Klima-Hölle drohen, wenn sie den Müll nicht trennen, sondern vernünftige Lösungen suchen."

Kürzlich gab Maaßen der rechtsextremen Postille Junge Freiheit ein ganzseitiges Interview, in dem er das sattsam bekannte Lied rechter Demagogie sang, die Demokratie sei bedroht, weil rechte Positionen auf Widerspruch stießen. So behauptete er, Fakten würden ignoriert, nur weil sie von rechts kommen. Auf Versammlungen von besorgten Bürgern höre er immer wieder die Klage, daß der Korridor dessen, was zu sagen erlaubt ist, ohne dafür als Extremist hingestellt zu werden, immer enger werde. Das dürfe nicht länger hingenommen werden. Auf die Frage, wie ein Politikwechsel durchgesetzt werden könne, antwortete Maaßen, es stünden drei wichtige Landtagswahlen und die Überprüfung des Koalitionsvertrags bevor. Zudem stehe Deutschland vor großen wirtschaftlichen und finanzpolitischen Herausforderungen und sei darauf schlecht vorbereitet. Das könne sehr schnell zu Neuwahlen und einem Regierungswechsel führen. [3]

Maaßen reagierte scheinheilig auf Kramp-Karrenbauers Vorstoß: "Es ist mir ein Rätsel, wer ihr dazu geraten hat, solche Gedankenspiele zu formulieren", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Es gebe in der Tat hohe Hürden für einen Parteiausschluß, "und ich hätte im Leben nicht gedacht, dass diese Hürden mich einmal schützen müssten". Dann drehte er den Spieß um und warf der CDU-Vorsitzenden parteischädigendes Verhalten vor: Ihre Äußerung schade der CDU massiv und werde dem politischen Gegner Mitglieder und Stimmen in die Arme treiben, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Wenngleich diese Logik von Rechtsauslegern wie Hans-Georg Maaßen inzwischen fast schon die Züge eines unaufhaltsamen Verhängnisses für die bürgerlichen Parteien angenommen hat, sei doch an eines erinnert: Zum Kesseltreiben gehören stets zwei - die Treiber und jene, die sich treiben lassen, weil sie einen Kurswechsel, der diesen Namen verdient, noch viel weniger wünschen, als vom rechten Aufmarsch aufgesaugt zu werden.


Fußnoten:

[1] www.zeit.de/politik/deutschland/2019-08/landtagswahl-hans-georg-maassen-cdu-sachsen-klimapolitik

[2] www.berliner-zeitung.de/politik/haltung-passe-nicht-kramp-karrenbauer-bringt-parteiausschluss-von-maassen-ins-spiel-33024196

[3] www.wsws.org/de/articles/2019/08/16/maas-a16.html

19. August 2019


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