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HERRSCHAFT/1827: Parteien - Rechtsschwünge ... (SB)



Er gehört zur CDU. Er ist seit Jahrzehnten Mitglied der Christdemokraten. Es gibt keinen Grund, ihn mit spitzen Fingern anzufassen.
CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach über Hans-Georg Maaßen [1]

Was der SPD ihr Thilo Sarrazin ist der CDU ein Hans-Georg Maaßen. Beide spielen den Ball weit rechtsaußen, beide kann die Partei angeblich nicht loswerden oder will es besser gesagt auch gar nicht. Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsschutzes ist Mitglied der rechtskonservativen Werteunion. Weit davon entfernt, in der Versenkung zu verschwinden, bis sich der Qualm des Hauens und Stechens um seine Entlassung verzogen hat, geht er mit seiner Mission in die Offensive. Er tritt allenthalben bei Veranstaltungen von Unionspolitikern auf, wobei sich unmißverständlich abzeichnet, unter welcher Flagge er segelt. Wenngleich ein CDU-Mitglied ohne jedes Mandat, versteht er sich doch bei seinen Gastauftritten nicht als Ratgeber von außen, sondern als eine Art Antreiber von innen.

Er freue sich darauf, die "notwendige Politikwende für Deutschland" zu befördern und durch Auftritte für die CDU/-CSU-Bundestagsfraktion und die Werteunion bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg zu unterstützen, twitterte er vor wenigen Tagen. Bei der Werteunion handelt es sich um eine inoffizielle Formation, die sich als konservativer Impulsgeber der Union versteht, aber weder von der CDU noch der CSU als Vereinigung anerkannt wird. Sie hatte zuletzt bestätigt, daß Maaßen für sie aktiv ist, und freut sich sehr darüber. Was aber die Bundestagsfraktion betrifft, relativierte Maaßen seine Aussage auf Nachfrage dahingehend, daß es nicht um "offizielle Wahlkampfhilfe" für die Union gehe. Vielmehr habe er einigen lokalen Landtagsabgeordneten zugesagt, sie bei ihren Wahlkämpfen zu unterstützen. [2]

Während Angela Merkel ihre Kanzlerschaft souverän zu Ende führen möchte, Annegret Kramp-Karrenbauer die CDU konservativer aufstellen, aber klare Distanz zum Rechtspopulismus wahren will und Markus Söder die CSU vom Scharfmacherimage zu befreien hofft, stellt Maaßen die Autorität des Führungspersonals in Frage und droht die ohnehin fragile Überarbeitung des Profils zu sabotieren. Ihm schwebt eine Union vor, die sich deutlich konservativer aufstellt, und er fordert, daß Angela Merkel möglichst bald das Kanzleramt verläßt. "Die CDU muss von innen reformiert werden", sagte Maaßen jüngst dem Kölner Stadt-Anzeiger. Er begrüßte den Wechsel an der Parteispitze von Merkel zu Kramp-Karrenbauer und an der Bundestagsfraktionsspitze von Volker Kauder zu Ralph Brinkhaus. Es bleibe allerdings "abzuwarten, ob es nun zu einem grundlegenden Politikwandel kommt".

In seinem Beitrag beklagte er aber auch "grundlegende Schwierigkeiten" in Deutschland. "Wer auf dem Berliner Flughafen landet, wird sich die Frage stellen, ob er nicht in einem Schwellenland angekommen ist", sagte Maaßen. Sehe man die Straßen, die maroden Schulgebäude, die bröckelnde Infrastruktur, frage man sich, wo in einem reichen Land wie der Bundesrepublik das Geld dafür geblieben sei und warum Deutschland noch nicht einmal in überschaubarer Zeit Flughäfen, Brücken oder U-Bahnen bauen könne. "Oder warum über 235.000 ausreisepflichtige Ausländer nicht abgeschoben werden. Die Probleme passen nicht zu einem der reichsten Länder der Erde und schon gar nicht zu einer funktionstüchtigen Verwaltung."

Wenngleich Maaßen nicht näher ausführt, wie die marode Infrastruktur mit den ausreisepflichtigen Ausländern zusammenhängen soll, ist seine assoziative Verknüpfung natürlich gewollt. Für ihn ist die seines Erachtens seit 2015 unveränderte Ausländerpolitik der Kern allen Übels und mithin die Kernbotschaft seiner Predigt, in der er vor den Gefahren der Asylsuchenden im allgemeinen und des Islamismus im besonderen warnt. Um dies zu verkünden, wird er eingeladen, so auch am vergangenen Wochenende vom Berliner Kreis, einem Zusammenschluß von rechtskonservativen Landes- und Bundespolitikerin in der Union. Die Konferenz sollte ursprünglich im offiziellen Fraktionssaal stattfinden. Als Maaßens Teilnahme bekannt wurde, mußte sie auf Druck der Fraktionsführung in einen kleineren Sitzungssaal des Bundestagsgebäudes verlegt werden.

Fraktionschef Ralph Brinkhaus hatte den Organisatoren die Nutzung des Fraktionssaals verboten, aber seine eigene Zusage nicht zurückgezogen, worauf er im nicht öffentlichen Teil der Veranstaltung auftrat. Maaßen selbst gab sich unbeeindruckt und erklärte, er sei Gast des Berliner Kreises und gehe zu dem Saal, zu dem er eingeladen werde. Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach, selbst Mitglied des Berliner Kreises, verteidigte den Auftritt: "Ich kann es zwar nachvollziehen, wenn sich Ralph Brinkhaus hintergangen fühlt. Aber Herr Maaßen ist jahrzehntelanges CDU-Mitglied und hat sich nichts zu Schulden kommen lassen. Seine früh geäußerte Kritik an der Flüchtlingspolitik von Angela Merkel und ihren Folgen für die Sicherheit ist kein Grund, ihn aus dem Fraktionssaal zu verbannen." [3]

In seinem Vortrag brachte Maaßen zwar nichts Neues zur Sprache, lieferte aber jenes Gefahrenszenario ab, das zu entwerfen man ihn eingeladen hatte. Er habe in seiner früheren Funktion immer wieder den Eindruck gewonnen, daß die Erkenntnisse der Verfassungsschutzämter nicht mit "der notwendigen Sensibilität" aufgenommen worden seien. Dies seien wohl auch "Ergebnisse von islamistischer Propaganda und Desinformation". Extremistische Bestrebungen würden unterschätzt, es handle sich um "eine schleichende Entwicklung, ein Gift". Man richte den Blick auf spektakuläre Anschläge, während der Extremismus leise daherkomme, dessen Protagonisten oftmals gut gebildet seien und als "wohlintegriert" gelten würden. Im Umgang mit solchen Menschen seien Gesetzesverschärfungen nötig.

Weiter beklagte Maaßen, daß staatliche Stellen im Kampf gegen radikalen Islamismus keine Ansprechpartner auf seiten moderater oder säkularer Muslime fänden. "Es fiel uns damals ausgesprochen schwierig, der Politik Organisationen, muslimische Organisationen, zu benennen, die nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden." Es funktioniere nicht, Radikalisierung mit Hilfe von Extremisten einzudämmen: "Ich bin immer wieder gegen eine Betonwand gelaufen." Die andere Seite habe stets zunächst über Islamfeindlichkeit sprechen wollen. Mit Blick auf Islamisten warnte er: "Die bringen ihre Denke mit nach Deutschland, wissen aber, dass sie in Deutschland im Grunde genommen all das machen dürfen, was sie in den arabischen Staaten dort nicht machen dürfen." Zum Teil erhielten Vereinigungen staatliche Fördergelder, vor denen der Inlandsgeheimdienst ausdrücklich warne. [4]

Am Ende erklärte sich Maaßen bereit, zusammen mit der Werteunion an Lösungen zu arbeiten, um islamistischen Bestrebungen in Deutschland entgegenzutreten. Dafür erhielt er im Kreis der Anwesenden natürlich viel Beifall. Die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel, die zu der Veranstaltung eingeladen hatte, dankte ihm mit den Worten: "Ich weiß, wie gefährlich das Thema ist, ich weiß, wie unerwünscht das Thema ist." Den Wortmeldungen der Teilnehmer zufolge waren vor allem Mitglieder der Werteunion anwesend, deren Vorsitzender Alexander Mitsch vorne mit am Tisch saß. Letztendlich wirkte die Konferenz wie eine Verbrüderung des Berliner Kreises mit der Werteunion mitten im Regierungsviertel. Pantel bezeichnete die beiden Vereinigungen vom rechten Parteiflügel in ihrem Schlußwort zwar als unterschiedlich, sprach sie aber gemeinsam an. Man solle sich jedenfalls nicht durch "Repressalien" entmutigen lassen und weiter Druck auf die CDU ausüben. [5]

Hans-Georg Maaßen konnte mit seinem Auftritt also rundum zufrieden sein, setzt er doch seine Mission, die Union nach rechts zu treiben, konsequent fort. Wes Geistes Kind er als Präsident des Bundesverfassungsschutzes war, wurde weithin publik, als die AfD-Aussteigerin Franziska Schreiber im Sommer 2018 den Vorwurf erhob, Maaßen habe 2015 der damaligen Parteivorsitzenden Frauke Petry geraten, ein Parteiausschlußverfahren gegen Björn Höcke zu betreiben. Auf diese Weise entkäme sie einer bundesweiten Beobachtung durch den Verfassungsschutz, die er selbst nicht wünsche, soll Maaßen gesagt haben. Petry forderte im Dezember 2015 Höckes Rücktritt und bereitete ein Parteiausschlußverfahren vor, scheiterte aber damit. Petry habe diesen Kontakt auf Maaßens Wunsch hin immer öffentlich bestritten, so Schreiber, obgleich sich die beiden mehrfach getroffen hätten. Frauke Petry bestritt den Vorgang, und Maaßen ließ zunächst mitteilen, man äußere sich "zu Gesprächen im parlamentarischen Raum" generell nicht. Nach aufkommender Kritik reagierte der Verfassungsschutz allerdings: "Wir weisen den Vorwurf zurück, Präsident Hans-Georg Maaßen habe mit Vertretern der AfD Gespräche darüber geführt, wie die Partei einer Beobachtung entgehen könne." [6]

Maaßen ging jedoch keineswegs in Deckung, sondern legte im September 2018 mit der Äußerung nach, ihm lägen "keine belastbaren Informationen" vor, daß in Chemnitz Hetzjagden auf Ausländer stattgefunden hätten. Vielmehr sprächen "gute Gründe" dafür, daß es sich bei einem entsprechenden Video "um eine gezielte Falschinformation handelt, um möglicherweise die Öffentlichkeit von dem Mord in Chemnitz abzulenken". Belege für seine Behauptungen lieferte er nicht. Dies löste eine Koalitionskrise aus, worauf Maaßen in seinem Amt nicht mehr tragbar war. Innenminister Horst Seehofer hielt jedoch seine schützende Hand über ihn und wollte ihn als Sonderberater für europäische und internationale Aufgaben zu sich ins Ministerium holen, wo er als Staatssekretär im Range eines Abteilungsleiters nicht nur ein Gehalt von über 14.000 Euro im Monat bezogen, sondern auch über großen Einfluß verfügt hätte.

Diese Beförderung löste weithin Empörung aus. Das Faß zum Überlaufen brachte jedoch Maaßens Abschiedsrede im Bundesamt für Verfassungsschutz, in der er seine umstrittenen Äußerungen zu "Hetzjagden" in Chemnitz verteidigte und von teilweise linksradikalen Kräften bei den Sozialdemokraten sprach. Bei einer Abschiedsrede vor europäischen Kollegen in Warschau am 18. Oktober soll Maaßen beklagt haben, seine Äußerungen seien für diese Kräfte willkommener Anlaß gewesen, einen Bruch der großen Koalition zu provozieren. Er sei in Deutschland als Kritiker der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung bekannt, wofür ihn seine politischen Gegner und einige Medien aus dem Amt gedrängt hätten. [7]

Wenngleich nicht ganz auszuschließen ist, daß Maaßen seine eigene Bedeutung falsch eingeschätzt und den Bogen überspannt hat, liegt doch eher nahe, daß er vor allem auf dem eingeschlagenen Weg unbeirrt weitermarschiert. Offenbar verspricht er sich als Politiker nachhaltigeren Einfluß als in einem hochrangigen Posten im Staatsdienst, zumal ihm nun allenfalls die eigene Partei den Laufpaß geben könnte. Das wird sie nicht tun, da ihm der rechte Flügel uneingeschränkte Rückendeckung verschafft. Zwar klatscht ihm auch die AfD Beifall für seine Agenda und würde ihn mit offenen Armen empfangen, doch setzt Maaßen darauf, als Treiber innerhalb der CDU weit größere Wirkung erzielen zu können.


Fußnoten:

[1] www.tagesspiegel.de/politik/maassen-ruft-zu-kurswechsel-auf-die-cdu-muss-von-innen-reformiert-werden/24330424.html

[2] www.focus.de/politik/deutschland/margarete-van-ackerens-berliner-woche-maassens-mission-wird-fuer-merkel-akk-und-soeder-zum-autoritaetsproblem_id_10695252.html

[3] www.bild.de/politik/inland/politik-inland/saal-gesperrt-so-reagiert-maassen-auf-gezerre-um-seinen-cdu-auftritt-61828462.bild.html

[4] www.welt.de/newsticker/dpa_nt/afxline/topthemen/article193317945/Maassen-beklagt-islamistische-Propaganda-und-Desinformation.html

[5] www.faz.net/aktuell/politik/inland/konservative-in-der-union-nicht-durch-repressalien-entmutigen-lassen-16182296.html

[6] www.merkur.de/politik/gravierende-vorwuerfe-verfassungsschutz-chef-maassen-nach-geheimem-petry-gespraech-unter-beschuss-zr-10079207.html

[7] www.tagesspiegel.de/politik/scheidender-verfassungsschutzchef-maassen-wechselt-doch-nicht-zu-seehofer/23356272.html

14. Mai 2019


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