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HERRSCHAFT/1598: Super-GAU in Fukushima ... Ruhe ist die erste Bürgerpflicht (SB)



Trotz einer potentiell alle Menschen betreffenden Nuklearkatastrophe in Japan versuchen die Regierungen in Ost und West zu beschwichtigen. Die möglichen Folgen eines Super-GAUs in mehreren Reaktoren am Akw-Standort Fukushima Daiichi werden gar nicht erst diskutiert. Zumindest nicht in der Öffentlichkeit, wohingegen Politik, Geheimdienste und Militärs für gewöhnlich ihre eigenen Sicherheitsanalysen zu Katastrophenszenarien erstellen. In diesem Fall um auf die Folgen weiträumiger Verstrahlungen für die öffentliche Ordnung vorbereitet zu sein. Die würde dann mit allen (Gewalt-)Mitteln verteidigt, wovon man allerdings nichts bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Maßnahmen greifen, erfahren wird.

Zwar können fehlende Autoteile aufgrund der Produktionsausfälle in der japanischen Zulieferindustrie weltweit durchaus Engpässe auslösen, die nicht verzögerungslos bewältigt werden, wie in den letzten Tagen von den Medien unter dem Titel "wirtschaftliche Folgen der Akw-Havarie in Japan" berichtet wurde, aber als noch bedeutsamer könnte sich die Verstrahlung auf die zukünftige Nahrungsversorgung der Menschheit herausstellen. Noch halten sich die Strahlenwerte in anderen Ländern im Rahmen dessen, was amtlicherseits als gesundheitlich unbedenklich ausgewiesen wird. Aber es gibt nicht die geringste Garantie dafür, daß das so bleiben wird.

Große landwirtschaftliche Flächen zunächst auf der Nordhalbkugel sind der gefährlichen Strahlenfracht bereits heute ausgesetzt. Die keineswegs abstrakte Bedrohung der Nahrungsversorgung eines größeren Teils der Menschheit, zusätzlich zu der Milliarde Menschen, die bereits heute aus der Versorgung herausgedrängt wird und hungern muß, wird auffällig beschwiegen.

Ruhe ist die erste Bürgerpflicht, mag die Gefahr noch so überwältigend sein. Das galt im preußischen Berlin von 1806, das zu erobern sich Napoléon Bonaparte mit seiner siegreichen Armee anschickte, und das gilt noch heute. Damit unter den Bürgerinnen und Bürgern gar nicht erst der Anflug einer Beunruhigung entsteht, wird die potentielle Bedrohung ausgeblendet. Gleichzeitig erläßt jedoch die EU-Kommission eine Eilverordnung, nach der einerseits schärfere Kontrollen von Lebensmittelimporten verhängt, andererseits die Grenzwerte der radioaktiven Belastung ausgewählter Nahrungsmittel aus Japan hochgesetzt werden. Diese Importe sind jedoch für die EU mengenmäßig zu vernachlässigen - anscheinend bereitet sich die Administration auf gravierendere Versorgungseinbrüche vor, von denen die Bevölkerung noch nichts weiß.

Die überraschend nach der Fukushima-Havarie angekündigte und selbst in eigenen Reihen kritisierte Entscheidung von Bundeskanzlerin Angela Merkel, sieben ältere deutsche Atomkraftwerke für eine dreimonatige Sicherheitsüberprüfung abzuschalten, bestimmt hierzulande den Diskurs vollständig. Dabei läge angesichts der potentiellen Verstrahlungen weltweiter Agrarflächen und Siedlungsräume eine breite Debatte über die Zukunft der Menschheit nahe. Die sollte über die Frage "Atomausstieg - ja oder nein?" weit hinausgehen und würde auch sämtliche Produktionsverhältnisse einbeziehen. Ein grundsätzliches Hinterfragen der Eigentumsordnung durch die zu Bürgern zurechtgestutzten Untergebenen müssen die herrschenden Kräfte mehr fürchten als, sagen wir, die Eroberung einer europäischen Hauptstadt durch den im Prinzip gleichgesinnten Herrscher einer anderen Metropole. Deshalb wird heutzutage auch von den Konzernmedien die großmaßstäbliche Gefährdung der globalen Nahrungsversorgung ignoriert. Ruhe ist nun mal die erste Pflicht des Bürgers - und sei es seine letzte Ruhe.

1. April 2011