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HERRSCHAFT/1426: Angriff auf Bankgeheimnis trifft nicht nur Steuerflüchtlinge (SB)



Die Gelegenheit für die Aufhebung des Bankgeheimnisses nicht nur in der Schweiz und anderen sogenannten Steuerparadiesen könnte nicht günstiger sein. Der berechtigte Ruf nach einer globalen Regulation des Finanzmarkts zur Minderung der Risiken, die der Weltwirtschaft aus spekulativen Geldgeschäften erwachsen, richtet sich auch gegen jene Kapitaleigner, die ihren Anteil an den gesamtgesellschaftlichen Kosten der sie begünstigenden Gewinnabschöpfung durch Steuerflucht ins Ausland schuldig bleiben. Ein solcher Schritt erfreut sich zweifellos breiter politischer Unterstützung, handelt es sich bei dieser Form der illegalen Bereicherung doch um das Privileg einer kleinen Minderheit besonders begünstigter Personen.

Gleichzeitig arbeitet diese Initiative der generellen Transparenz privater Vermögenswerte für staatliche Behörden zu. So hat der britische Premierminister Gordon Brown die Durchsetzung der Herausgabe von Kontendaten der Schweizer Großbank UBS an die Steuerfahndung in den USA zum Anlaß genommen, die Aufhebung des Bankgeheimnisses zumindest in der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Steuerbehörden zu einem zentralen Thema der Konferenz der G-20-Staaten in London am 2. April zu machen. Offensichtlich in Übereinstimmung mit Deutschland und Frankreich ließ Brown seinen Sprecher erklären, daß der Fall UBS "Element eines Prozesses der Druckerhöhung" sei, mit Hilfe derer entsprechende politische Schritte erzwungen werden sollen. Unter Ausschluß der Schweiz, die sich vergeblich um einen Beobachterstatus bemühte, wird ein Abkommen angestrebt, das den automatischen Austausch von Steuerdaten zwischen staatlichen Behörden vorschreibt (NZZ am Sonntag, 22.02.2009).

Die Mutmaßung, die Bekämpfung der Steuerflucht sei ein wesentliches Mittel der Krisenbewältigung, ist allerdings so unzureichend wie die Behauptung, die Überschuldung der Banken sei das Ergebnis der Gier ihrer Manager. So haben die Staaten die Deregulierung der Finanzmärkte und die steuerliche Begünstigung großer Kapitaleigner, Investoren und Industriekonzerne im Rahmen ihrer neoliberalen Politik selbst vorangetrieben. Eine angemessene Besteuerung von Kapitalerträgen und Unternehmensgewinnen hätte die Finanzkrise, die angesichts der an die Grenzen ihrer Verwertungsfähigkeit gelangten Produktivkraftentwicklung ohnehin nicht ausbleiben konnte, zumindest verlangsamt und Möglichkeiten einer behutsameren Kompensation der dabei entstehenden sozialen Nöte geboten.

Daß man nun in Washington, London, Berlin und Paris Maßnahmen gegen die Steuerflucht ergreift, entspricht ebenso wie die Alimentierung der Banken durch den Staat der Ratio einer Krisenbewältigung, die systemische Veränderungen unter allen Umständen vermeiden will. Während man sich von der Reorganisation des Finanzmarktes in den Händen nichtstaatlicher Investoren und Eigner nach einer befristeten Phase staatlicher Intervention und der geringfügigen Stärkung regulativer Rahmenbedingungen die Fortdauer des die Zentren des neoliberalen Kapitalismus begünstigenden Akkumulationsregimes verspricht, soll die Aufhebung des Bankgeheimnisses aus dem gleichen Grund systemischer Bestandssicherung von der Finalität unumkehrbarer Transparenz privater Vermögen sein.

Für die Prognose, daß beim G-20-Treffen lediglich ein erster Schritt zur Aufhebung des Bankgeheimnisses ansteht, der letztlich auch den inländischen Zahlungsverkehr und die allgemeinen Kontenführung betrifft, sprechen die vielen, insbesondere sicherheitstechnisch begründeten Maßnahmen, mit denen die Offenlegung privater Geldtransfers bereits erzwungen wird. Die Bekämpfung der Geldwäsche im Rahmen der organisierten Kriminalität und der Finanzierung terroristischer Gruppen dienen seit jeher dazu, dem einzelnen Wirtschaftssubjekt die unkontrollierte Verfügungsgewalt über seine Finanzen streitig zu machen. Daß es sich dabei meist um Vorwände handelt, mit Hilfe derer der generelle Kontrollverlust gemindert werden soll, der Staaten und Regierungen aus der Existenz eines frei verwendbaren Zahlungsmittels erwächst, wurde mit dem inflationären Mißbrauch dieser Begründung seit dem 11. September 2001 deutlich.

So hat die vor drei Jahren publik gewordene Praxis des US-Finanzministeriums, Finanztransfers in aller Welt über die Datenbanken der Clearing-Organisation Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (SWIFT) zu observieren, deutlich gemacht, daß die Möglichkeiten des Bürgers, vertrauliche Finanztransaktionen zu tätigen, längst gleich Null sind. Was damals noch als Skandal und Vertrauensbruch gehandelt wurde, soll laut letztjähriger Absprachen zwischen der EU-Kommission und der US-Regierung künftig legalisiert werden.

Federführend bei der Aufhebung des Bankgeheimnisses ist die bei der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) angesiedelte Financial Action Task Force (FATF). Diese durch kein Parlament autorisierte internationale Agentur hatte schon in den 1990er Jahren wirksame Mechanismen zur Regulation und Kontrolle grenzüberschreitender Geldbewegungen eingerichtet und verfügt neben dem Aussprechen von Rügen und dem Initiieren politischen Drucks über ein weitreichendes Sanktionsinstrumentarium, mit dem sie Staaten abstrafen kann, die ihre Auflagen mißachten. Im Oktober 2001 hat die FATF auf ihrer Tagung in Washington die schnelle Umsetzung ihres Maßnahmenkatalogs gegen die Geldwäsche verlangt und diesen explizit auf die Terrorismusbekämpfung ausgeweitet. Dabei wurde der Rahmen der zu kriminalisierenden Tatbestände und die Meldepflicht bei verdächtigen Transaktionen erheblich ausgeweitet, zudem richtet man seitdem das besondere Augenmerk auf Non-Profit-Organisationen in der islamischen Welt.

Die US-Regierung, die in der FATF bis dahin als Verfechterin marktradikaler Prinzipien galt, trat nun als treibende Kraft einer intensiven Finanzkontrolle in Erscheinung. 2006 stellte die FATF den USA in einem Bericht zum Stand des Kampfes gegen die Geldwäsche und die Terrorismusfinanzierung beste Noten aus und erwähnte den Fall SWIFT mit keinem Wort. Drohungen Washingtons an die Adresse arabischer Banken, ihre Geschäfte zu sabotieren, wenn sie nicht den Zahlungsverkehr in den von der Hamas regierten und mit einem Wirtschaftsboykott belegten Gazastreifen einstellten, sind nur ein Beispiel für politische Nutzanwendungen, die dem Einfluß der US-Regierung auf den Finanzmarkt, der noch vor Ausbruch der Finanzkrise geltend gemacht wurde, geschuldet sind.

Die Aufhebung des Bankgeheimnisses ist integraler Bestandteil jeder wirksamen Finanzkontrolle. Diese richtet sich keineswegs nur gegen das Großkapital, welches im Zweifelsfall über die besseren Mittel verfügt, sich an besonderen Konditionen und Maßnahmen wie der Umwidmung von Profiten in Investitionen oder transnationalen konzerninternen Verrechnungsvorgängen schadlos zu halten, sondern trifft vor allem Kleinverdiener und Empfänger staatlicher Leistungen, denen man aufgrund ihrer übersichtlichen wirtschaftlichen Lage leicht nachweisen kann, unzulässigerweise Geld verdient und dies den Steuer- oder Sozialbehörden verschwiegen zu haben.

Die im Rahmen des Hartz IV-Sozialregimes bereits verwirklichte Aufhebung des Bankgeheimnisses bietet ein praktischerweise im Schatten sozialer Delinquenz stehendes Vorbild für die völlige Transparenz privater Vermögensverhältnisse. Die unter dem Vorbehalt einer möglichen Erschleichung von Sozialleistungen erzwungene Offenlegung vorhandener Besitztümer und Einkünfte läßt sich unter diversen Vorwänden auf Erwerbstätige und Kapitaleigner ausweiten, wie die bereits im Rahmen des seit April 2005 geltende Steuerehrlichkeitsgesetzes installierte Kontrollinfrastruktur dokumentiert [siehe dazu HERRSCHAFT/1407]. Bei alledem geht es letztendlich um Herrschaftsicherung im weitesten Sinne, bietet die individuelle Verfügbarkeit über anonyme Zahlungsmittel doch nicht nur den Verfechtern des liberalkapitalistischen Gesellschaftsmodells, sondern auch dessen Kritikern Möglichkeiten schwer zu kontrollierender Handlungsweisen, die im Rahmen des erweiterten Sicherheitsbegriffs um so enger als systemfeindlich ausgelegt und dementsprechend bekämpft werden sollen.

23. Februar 2009