Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → FAKTEN

ASYL/681: Erneuter Suizidversuch - Abschiebehaft endlich abschaffen! (Flüchtlingsrat Hamburg)


flüchtlingsrat hamburg - 9. Dezember 2010

Erneuter Suizidversuch im Abschiebknast Billwerder -
es reicht uns: Abschiebehaft endlich abschaffen!


Milos R. hat sich letzte Woche, am 2.12.2010, in der Abschiebhaft versucht das Leben zu nehmen. Nach den Selbstmorden von David M. und Yeni P. vom März und April diesen Jahres ist dies ist der dritte bekannt gewordene Suizid(-versuch) in Hamburger Abschiebknästen innerhalb eines Jahres. Das ist nicht hinzunehmen. Der Flüchtlingsrat fordert erneut, Abschiebehaft muss endlich abgeschafft werden: Flucht ist kein Verbrechen!

Wir rufen auf zur
Demonstration gegen Abschiebhaft, heute um 18:00 Uhr, S-Bahn Sternschanze


*


Bleiberecht für Miroslav R.!

Für ein würdiges Leben nach einem Suizidversuch im Hamburger Abschiebeknast.
Die geplante Abschiebung von Miroslav R. stoppen!

Am 2. Dezember unternimmt der 22-jährige Miroslav R. im Hamburger Abschiebeknast Billwerder-Moorfleet einen Suizidversuch. Er erfuhr von der Ablehnung seines Asylantrags und fürchtete die sofortige Abschiebung nach Belgrad - zum zweiten Mal in seinem Leben. Für den 7. und 9.12. hatten die Behörden Sammelabschiebeflieger ab Düsseldorf gechartert um Roma, Ashkali und Ägypter nach Serbien und in den Kosovo abzuschieben. Miroslav lebt, weil Justizbeamte ihn rechtzeitig fanden, doch die Abschiebung droht ihm weiterhin. Im Herbst gelang ihm die Flucht, zurück in seine Heimat, zu Verwandten nach Hamburg. In Serbien war er immer wieder antiziganistischen Bedrohungen ausgesetzt. Der Kontakt zur Familie war abgebrochen.
Am 16. November 2010 wird Miroslav in Hamburg bei einer Kontrolle aufgegriffen, er stellt einen Asylantrag. Postwendend landet er im Abschiebeknast Billwerder in Hamburg.

Am Tag nach dem Suizidversuch wird Miroslav in die psychiatrische Klinik in Hamburg-Ochsenzoll gebracht. Wenn es nach den Behörden geht, soll er so bald wie möglich abgeschoben werden.
Miroslav ist Rom. Geboren ist er in Jugoslawien, aufgewachsen, seit er 2 Jahre alt ist, in Deutschland. Seit 1995 lebte die 7-köpfige Familie in Syke, Landkreis Diepholz in Niedersachsen. Milos R., der Vater der Familie protestierte gegen die unzumutbaren Zustände in der ihnen zugewiesenen Unterkunft, er bat immer wieder um eine Arbeitserlaubnis; forderte ein Leben in Würde für seine Familie.
Am 15. November 2002 begeht Milos R. eine Verzweiflungstat: Er geht ins Rathaus von Syke, übergießt sich im Foyer mit Benzin und zündet seinen Körper an. Am Tag darauf stirbt er an den Verbrennungen.
Zehn Tage später gedenken 100 Menschen in Syke des Toten mit einem Trauermarsch und protestieren auch gegen die Abschiebung von Roma nach Jugoslawien.
Den Tod des Vaters hat Miroslav nie verkraftet. Alle Bemühungen bleiben ohne Erfolg, knapp zwei Jahre später, im Oktober 2004 werden die Witwe Ljalje R. und 4 ihrer minderjährigen Kinder nach Belgrad abgeschoben. Die abgeschobene Familie lebt nun in Serbien. Ljalje erkrankt an Krebs, die Kinder können nicht mehr zur Schule gehen. Die Soliüberweisungen von Unterstützer_innen aus Deutschland vermögen die Not nicht wirklich zu mildern.
Als Miroslav im Herbst diesen Jahres die Reise zurück nach Hause - nach Deutschland - antritt, versuchte er der Verfolgung als Angehöriger der Minderheit der Roma zu entkommen, welche in Ex-Jugoslawien in extremer Armut und mit erschwertem Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung leben müssen.

Miroslav wagte es, für ein besseres Leben zu kämpfen. Als er erneut scheiterte und die zweite Abschiebung bevorstand, verließ ihn sein Lebensmut. Er wusste keinen Ausweg mehr. Miroslav ist im Moment noch in der Klinik, wenn es nach den Behörden geht soll er Anfang Januar abgeschoben werden. In Nordrhein-Westfalen wurde Anfang Dezember ein Abschiebstopp für Roma und andere Minderheiten nach Serbien und Kosovo erlassen. Nicht jedoch in Hamburg.

Wir fordern Bleiberecht für Roma! - Keine weiteren Abschiebungen! - Rückkehrrecht für Abgeschobene!

Hermann Hardt
Flüchtlingsrat Hamburg


*


Quelle:
Pressemitteilung vom 9. Dezember 2010
Flüchtlingsrat Hamburg e.V.
Nernstweg 32-34, 3. Stock, 22765 Hamburg
Bürozeiten:
Mo. 10.30 - 14.30 und Do. 10.30 - 12.30
Di. und Do. 17.00 - 19.00
Telefon: (040) 43 15 87, Fax: (040) 430 44 90
E-Mail: info@fluechtlingsrat-hamburg.de
Internet: www.fluechtlingsrat-hamburg.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2010