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ASYL/886: Nach Gerichtsurteilen - Abschiebungshaft beenden statt ausweiten (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 24. Juli 2014

Abschiebungshaft: Bundesgerichtshof verbietet "Dublin-Haft"

- PRO ASYL fordert Ende der Abschiebungshaft
- Geplantes Inhaftierungsprogramm des Innenministeriums muss gestoppt werden



Der Bundesgerichtshof (BGH) hat gestern klargestellt, dass die Abschiebungshaft in Dublin-Verfahren überwiegend rechtswidrig ist. Damit ist der Großteil aller Abschiebehäftlinge von dem Urteil betroffen. Die betroffenen Personen müssen umgehend freigelassen werden.

Innerhalb kürzester Zeit ist dies die zweite höchstrichterliche Ohrfeige für die exzessive Anwendung der Abschiebungshaft in Deutschland. Bereits letzte Woche hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschieden, dass die Inhaftierung von Abschiebehäftlingen in normalen Justizvollzugsanstalten gemeinsam mit Strafhäftlingen rechtswidrig ist. PRO ASYL fordert, dass die Urteile bundesweit das Ende der Abschiebungshaft einleiten, mindestens aber ihre drastische Reduzierung.


Bundesinnenministerium plant maßlose Ausweitung der Haftgründe

Ein aktueller Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium plant jedoch das Gegenteil: Wird der Entwurf Gesetz, würde die gerade vom Bundesgerichtshof abgeschaffte Dublin-Haft zur Regel werden. Hierfür sorgt eine maßlose Ausweitung der Haftgründe. Allein die Bestimmung, dass in Haft genommen werden kann, wer ein anderes EU-Land während eines laufenden Asylverfahrens verlassen hat, würde die Gefängnisse füllen. Sechs weitere neue Haftgründe würden dazu führen, dass sich bei nahezu jeder Fallkonstellation ein Haftgrund finden lassen würde. Vor dem Hintergrund des BGH-Urteils darf allerdings bezweifelt werden, dass die geplanten Generalklauseln einer rechtlichen Überprüfung standhalten würden.


Freiheitsgrundrecht den Raum einräumen, der einem Grundrecht gebührt

In Reaktion auf das EuGH-Urteil müssen zahlreiche Bundesländer momentan Flüchtlinge aus der Haft entlassen, da die Unterbringung von Abschiebehäftlingen in der Strafhaft für rechtswidrig erklärt wurde. Es ist allerdings zu befürchten, dass die Bundesländer Flüchtlinge nun in gemeinsamen Spezialeinrichtungen inhaftieren, um dem vom EuGH verordneten Trennungsgebot genüge zu tun. PRO ASYL fordert, demgegenüber zunächst alles zu tun, um Haft zu vermeiden, statt große und teure Spezialeinrichtungen zu betreiben.

Amtsrichter sollten dem Freiheitsgrundrecht für Ausländer künftig den Raum einräumen, der einem Grundrecht gebührt. In viel zu vielen Fällen muss der BGH amtsrichterliche Entscheidungen zur Abschiebungshaft nachträglich korrigieren. Jeder unrechtmäßig angeordnete Hafttag ist einer zu viel. Der Hannoveraner Rechtsanwalt Peter Fahlbusch hat seit 2002 knapp 900 Inhaftierte vertreten. In jedem zweiten Fall erwies die Haft sich als rechtswidrig. Insgesamt saßen seine Mandanten 11.860 Tage unschuldig in Haft.

"Haft ist kein Selbstzweck und Flucht ist kein Verbrechen. Wir fordern ein Ende der Abschiebungshaft", erklärt Bernd Mesovic, stellvertretender Geschäftsführer von PRO ASYL. "Vom Amtsrichter bis zur Bundesregierung. Die Urteile müssen ein Weckruf sein, den hohen Wert des Freiheitsrechts nun endlich anzuerkennen."

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 24. Juli 2014
Bundesweite Arbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2014