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ASYL/1338: Afghanistan - Bundesregierung muss Sicherheitslage realistisch bewerten (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 16. Januar 2019

Afghanistan: Bundesregierung muss Sicherheitslage realistisch bewerten

PRO ASYL: 6 von 10 BAMF-Ablehnungen zu Afghanistan werden von Gerichten kassiert


Die Bundesregierung darf die Lage in Afghanistan nicht weiter schönreden. Eine von PRO ASYL erstellte interaktive Karte zeigt, dass in jüngster Zeit fast alle Landesteile Schauplätze von Kämpfen, Anschlägen oder Gewalttaten anderer Art waren. Die afghanische Regierung ist in weiten Teilen des Landes zu einem Schutz der Bevölkerung längst nicht mehr in der Lage. Die Taliban verüben nicht nur immer wieder tödliche Anschläge in Kabul und anderen urbanen Zentren; in vielen Landesteilen übernehmen sie zunehmend die Kontrolle und in anderen Landesteilen fordern sie die afghanische Armee mit Offensiven größerer Verbände heraus. Eine inländische Zufluchtsalternative, wie vom BAMF gern in den Raum gestellt, gibt es faktisch nicht.

PRO ASYL fordert: Das Bundesamt muss die Entscheidungspraxis zu Afghanistan der Realität anpassen. Asylanträge dürfen nicht länger unter der Annahme abgeschmettert werden, es gebe sichere Gebiete. Es ist skandalös, dass die Verwaltungsgerichte in den ersten neun Monaten des Jahres 2018 rund zwei Drittel (58%) aller BAMF-Entscheidungen zu Afghanistan korrigieren mussten. PRO ASYL fordert, dass das Bundesamt korrekte Entscheidungen seriös und sachkundig trifft und es nicht den Verwaltungsgerichten überlässt, den angemessenen Schutz zu gewähren.

In 67.000 aktuell noch anhängigen Klageverfahren afghanischer Asylsuchender könnte das Bundesamt seine eigenen Entscheidungen nochmals prüfen und ändern. Diese »Qualitätsoffensive« würde die Verwaltungsgerichte deutlich entlasten; betroffene Asylsuchende bekämen Schutz und müssten nicht über Monate und teils Jahre in Ungewissheit leben.

Mit der hohen Zahl der Fälle, in denen die Gerichte die Fluchtgründe anders beurteilen, erhält das BAMF die Quittung für die mangelhafte Aufklärung von Fluchtgründen, für schlechte Anhörungsqualität und pauschalisierende Ablehnungsbegründungen. Dennoch wird im Amt die aus Zeiten des Innenministers de Maizière stammende Linie, es gebe sichere Gebiete, unbeirrt fortgesetzt - auf Kosten der Gerichte und zu Lasten der Betroffenen.

PRO ASYL fordert zudem erneut die Einstellung aller Abschiebungen nach Afghanistan. Nicht nur die Bundesregierung, auch die Länder sind Teil des Problems, indem sie mit Abschiebungen in ein kriegserschüttertes Land die harte Abschiebepraxis zum Teil mittragen.

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 16. Januar 2019
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Januar 2019

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