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ASYL/1297: Einführung weiterer Mitwirkungspflichten von Schutzberechtigten im Widerrufsverfahren (Pro Asyl)


Pro Asyl - Pressemitteilung vom 2. August 2018

Einführung weiterer Mitwirkungspflichten von Schutzberechtigten im Widerrufsverfahren

PRO ASYL: Aus einer zweckdienlichen Korrekturmöglichkeit für Behördenschlamperei wird eine Verschärfung des Asylrechts


Das Bundeskabinett hat Regelungen auf den Weg gebracht, mit der zusätzliche Mitwirkungspflichten von schutzberechtigten Menschen in Widerrufs- und Rücknahmeverfahren eingeführt werden sollen. Was banal klingt, kann sich in der Praxis als eine inakzeptable Verschärfung des Asylrechts auswirken.

In den Jahren 2015 und 2016 waren viele Schutzsuchende in einem schriftlichen Verfahren anerkannt worden, wobei in einem Teil der Fälle Identität und Staatsangehörigkeit möglicherweise nicht ausreichend geklärt waren. Niemand wird sich einem Gesetzentwurf entgegenstellen, wenn er sich auf die Korrektur dieses eingestandenen Behördenversagens richtet und regelt, dass sich Schutzberechtigte auf Aufforderung des BAMF zur erkennungsdienstlichen Behandlung oder anderen Identitätsfeststellungsverfahren einfinden müssen. Aber statt dies pragmatisch zu regeln, will der Entwurf erkennbar mehr.

Der jetzige Entwurf unterstellt, dass die im schriftlichen Verfahren Anerkannten nicht mit den Behörden kooperieren und macht aus Behördenversagen einen Makel der Flüchtlinge. Kommt der Angeschriebene der Mitwirkungspflicht nicht nach, kann nach Aktenlage entschieden werden. So weit, so nachvollziehbar. Dann aber heißt es im Gesetzentwurf weiter: »Ferner ist zu berücksichtigen, inwieweit der Ausländer seinen Mitwirkungsverpflichtungen nachgekommen ist.« Allen Ernstes soll die Frage, ob ein Schutzberechtigter auf einen Brief des BAMF reagiert hat, bei der Frage maßgeblich sein, ob ein Schutzbedarf weiter existiert? Die Absurdität dieses Vorschlags aus dem Bundesinnenministerium ist offensichtlich.

Anstatt diese weit über das Grundanliegen hinausgehende Idee im Kabinett zurechtzurücken, springt die SPD Seehofer zur Seite und will sogar noch mehr: Schutzberechtigte sollen künftig ihren Status schon allein auf Grundlage einer »Nichtbetreibensfiktion« verlieren können - und nicht etwa wegen geänderter Umstände beispielsweise im Herkunftsland. Die SPD-MinisterInnen, ein Korrektiv im Kabinett oder TeilnehmerInnen eines Überbietungswettbewerbs?

Sinn machen die überzogenen Verschärfungen nicht. In der großen Mehrheit wird es beim Schutzstatus bleiben, der ggf. vor den Verwaltungsgerichten erstritten werden muss. Es gibt klare gesetzliche Voraussetzungen, wann überhaupt ein Widerruf oder eine Rücknahme erfolgen darf.

Die Statistik zu Widerrufsverfahren des BAMF [1] weist aus: Eine Vielzahl von Überprüfungen der Entscheidungen erbrachte 2017 nur in einer geringen Zahl von Fällen ein Ergebnis, das zur Einleitung von förmlichen Widerrufsverfahren führte. In den letztlich 2.527 entschiedenen Widerrufsverfahren wurde nur 421 Personen der Schutzstatus entzogen. Stellt man in Rechnung, dass der Gesetzentwurf insbesondere SyrerInnen beträfe, dann dürfte nach der gesetzlichen Neuregelung die Statistik eher noch weniger Statusverluste ausweisen.

Fazit: Würde sich der Gesetzentwurf auf den Kern beschränken, die Identität in Zweifelsfällen nachträglich zu klären, dann bräuchte es keine Diskussion. So aber wird mit der widersinnigen Verknüpfung von Mitwirkungspflicht und inhaltlicher Entscheidung Verunsicherung erzeugt.


Anmerkung:
[1] https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/2015/12/2017-Widerrufe-HKL.pdf

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Quelle:
Pro Asyl - Pressemitteilung vom 2. August 2018
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. August 2018

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