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ASYL/1132: Afghanistan - Stopp brutaler Sammelabschiebungen gefordert (IPPNW)


IPPNW-Pressemitteilung vom 9. Februar 2017
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland

Afghanistan - Nicht sicher

Ärztinnen und Ärzte fordern Stopp brutaler Sammelabschiebungen.
Bundesweiter Afghanistan-Aktionstag am 11. Februar 2017


Der Arbeitskreis Flüchtlinge und Asyl der Ärzteorganisation IPPNW kritisiert die Massenabschiebungen in das unsichere Afghanistan und ruft zur Unterstützung eines bundesweiten Aktionstages mit Demonstrationen, Mahnwachen und Kundgebungen am 11. Februar auf. Afghanistan erfülle keine der Voraussetzungen, die das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) für eine "Rückführung in Würde" aufgelistet hat.

"Entgegen den Beteuerungen des Bundesinnenministeriums erhalten kranke und traumatisierte Menschen nach ihrer Ankunft in Afghanistan keine Unterstützung", so IPPNW-Ärztin Eva Clemenz. Mit zwei Charterflugzeugen waren im Dezember und Januar 34 bzw. 26 afghanische Flüchtlinge von Frankfurt/Main nach Kabul deportiert worden. Einer der Geflüchteten sei wieder nach Baden-Württemberg zurückgebracht worden, weil die afghanischen Behörden ihn krankheitsbedingt nicht einreisen lassen wollten. Er solle demnächst erneut abgeschoben werden. In Bayern sei ein frisch operierter Patient nur durch beherztes Einschreiten der behandelnden ÄrztInnen vor der Abschiebung bewahrt worden.

In Afghanistan herrscht seit fast 40 Jahren Krieg. Die dramatisch steigende Zahl der "Binnenflüchtlinge" geht in die Millionen. Hunderttausende, die in die Nachbarländer Pakistan und Iran geflohen waren, werden derzeit gnadenlos zurückgedrängt. Menschenrechtsverletzungen und Anschläge, die besonders die Zivilbevölkerung treffen, sind in ganz Afghanistan an der Tagesordnung, Angehörige von Minderheiten werden diskriminiert und unterdrückt. "Für kranke und traumatisierte Menschen gibt es keine ausreichende medizinische Versorgung, 40 Prozent der AfghanInnen haben überhaupt keinen Zugang zu Gesundheitseinrichtungen", kritisiert die IPPNW.

Bei einer Arbeitslosenquote von 80 Prozent, negativem Wirtschaftswachstum und permanenter Gefahr im öffentlichen Raum sind Existenzgründungen in Afghanistan unmöglich, Arbeitsplätze gibt es nicht. Viele Familien sind auseinandergerissen. Die Abgeschobenen finden ihr früher bestehendes soziales Netz nicht mehr vor. Rückkehrer aus westlichen Ländern, die die Taliban als Verräter oder Spione betrachten, werden verfolgt und getötet.

Im Gegensatz zur Bundesregierung erkennt das UNHCR in seinem aktuellen Bericht in Afghanistan nirgends die Bedingungen für eine "Rückkehr in Würde und Sicherheit". Es gibt keinen sicheren Ort, keine "innerstaatliche Fluchtalternative". Das UNHCR fordert deshalb, von Abschiebungen nach Afghanistan abzusehen.

"Als Ärztinnen und Ärzte, die täglich mit der Angst und der Panik unserer afghanischen PatientInnen zu tun haben, sehen wir die brutale Abschiebepolitik als menschenverachtend an. Wir werden uns mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln schützend vor die Betroffenen stellen und rufen dazu auf, sich mit uns zu solidarisieren. Öffentlicher Protest und gegebenenfalls ziviler Ungehorsam können den unmittelbaren individuellen Schutz ergänzen", kommentierte IPPNW-Arzt Ernst-Ludwig Iskenius.


Eine Übersicht der bundesweiten Veranstaltungen am 11. Februar finden Sie unter:
http://kurzlink.de/Aktionstag_Staedte


Die IPPNW ist eine berufsbezogene, friedenspolitische Organisation, die 1981 von einer Gruppe von Ärzten aus den USA und Russland gegründet wurde. Ihre Überzeugung: Als Arzt hat man eine besondere Verpfl ichtung zu sozialer Verantwortung. Daraus entstand eine weltweite Bewegung, die 1984 den UNESCO-Friedenspreis und 1985 den Friedensnobelpreis erhielt. Heute setzen sich Mediziner und Medizinerinnen der IPPNW in über 60 Ländern auf allen fünf Kontinenten für eine friedliche, atomtechnologiefreie und menschenwürdige Welt ein.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 9. Februar 2017
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
Körtestr. 10, 10967 Berlin
Tel. 030/69 80 74-0, Fax: 030/69 38 166
E-Mail: ippnw@ippnw.de
Internet: www.ippnw.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Februar 2017

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