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ASYL/1052: Wohnsitzauflagen nicht mit Menschenrechten vereinbar (DIMR)


Deutsches Institut für Menschenrechte - 15. März 2016

Wohnsitzauflagen nicht mit Menschenrechten vereinbar - Institut legt Stellungnahme vor


Berlin - Anlässlich der Ankündigung der Bundesregierung, Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge einzuführen, hat das Deutsche Institut für Menschenrechte eine Stellungnahme veröffentlicht. Dazu erklärt das Institut:

"Wohnsitzauflagen sind schwere, unverhältnismäßige Eingriffe in das Recht auf Freizügigkeit und freie Wahl des Wohnsitzes, die die Betroffenen bei der Ausübung weitere Rechte und ihrer Lebensgestaltung erheblich einschränken. Solche Auflagen, nicht nur für Flüchtlinge im Asylverfahren, sondern auch für anerkannte Flüchtlinge vorzusehen, verstößt gegen die Genfer Flüchtlingskonvention und die Europäische Menschenrechtskonvention. Daher sollte die Bundesregierung keine Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge einführen.

Wohnsitzauflagen haben weitreichende Folgen, indem sie die Betroffenen daran hindern, etwa eine Wohnung zu finden oder Arbeit aufzunehmen. Sie sind damit ein ernstes Integrationshindernis. Wohnsitzauflagen führen ferner dazu, dass die Aufrechterhaltung familiärer und freundschaftlicher Bindungen erschwert oder sogar unmöglich gemacht wird.

Solche Auflagen können deshalb weder mit einer gleichmäßigen Verteilung der Sozialleistungslasten zwischen den Kommunen noch mit der pauschalen Behauptung, sie wirkten Integrationshemmnissen entgegen, gerechtfertigt werden.

Stattdessen sollten Bund, Länder und Kommunen in Reaktion auf die deutlich gestiegene Anzahl von Menschen, die in Deutschland Schutz suchen und als schutzbedürftig anerkannt werden, die Möglichkeiten gesellschaftlicher Teilhabe in den Kommunen erhöhen. Dazu gehören etwa ein schneller Zugang für Kinder zu Kindertageseinrichtungen, eine zügige Einschulung von schulpflichtigen Kindern und Jugendlichen, ortsnahe Angebote für Sprachkurse, Angebote und Programme für den Einstieg ins Arbeitsleben beziehungswiese in eine berufliche Ausbildung junger Menschen vor Ort und, insbesondere im ländlichen Bereich, Angebote für die Freizeitgestaltung junger Menschen.

Überdies sollten Bund, Länder und Kommunen dringend alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, damit insbesondere in Ballungsgebieten und Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt schnell und bedarfsgerecht neue Sozialwohnungen gebaut werden. Der Bedarf und Zugang muss sich dabei selbstverständlich am Bedarf aller Menschen orientieren, nicht nur am Bedarf nach Deutschland geflohener Menschen."


Menschenrechtliche Bewertung von Wohnsitzauflagen für anerkannte Flüchtlinge. Stellungnahme des Deutschen Instituts für Menschenrechte (09.03.2016)
http://www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen/show/stellungnahme-wohnsitzauflagen-fuer-anerkannte-fluechtlinge-eine-menschenrechtliche-bewertung-1/

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Quelle:
Pressemitteilung vom 15.03.2016
Deutsches Institut für Menschenrechte e. V.
Zimmerstr. 26/27, 10969 Berlin
Telefon: +49 30 259 359 0, Telefax: +49 30 259 359 59
E-Mail: info@institut-fuer-menschenrechte.de
www.institut-fuer-menschenrechte.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. März 2016

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