Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → ERNÄHRUNG


VERBAND/2247: Wirksam für Bauer und Tier - Forderungen zum Umbau der Schweinehaltung (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 413 - September 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Wirksam für Bauer und Tier: Markt und Haltung verändern
AbL-Forderungen zum Umbau der Schweinehaltung: Klare Ziele, verlässliche Förderung und ein Prozess gegenseitigen Vertrauens

Von Christine Weißenberg


Es wird Zeit, sich auf den Weg zu machen, den regelrechten Umbau weiter Teile der Tierhaltung, insbesondere der Schweinehaltung, hin zu mehr Tierwohl anzugeben. "Dafür brauchen wir eine Strategie, die klare Orientierung gibt, wo es hingeht und wie die Betriebe die höheren Kosten bezahlt bekommen", führt Martin Schulz, Neuland-Schweinehalter und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die (hängenden Fragen aus. Die Veränderungen müssen mit einer wirtschaftlichen Perspektive für bäuerliche Betriebe verbunden werden. Ein AbL-Arbeitskreis zur Entwicklung der Schweinehaltung hat selbst konkrete Aufgabenfelder für ein strategisches Vorgehen benannt. Ausdrücklich wird dabei ein "zusätzlicher Finanzierungsfonds" gefordert - kurz: deutlich mehr Geld, um die herausfordernden und nicht zuletzt teuren anstehenden Veränderungen in der Schweinehaltung angemessen zu berücksichtigen.

Schlüssig finanzieren

Denn gerade die ausreichende Finanzierung des Prozesses ist eine der größten und bislang auf bundespolitischer Ebene ungeklärten Baustellen. So stellte das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) im Juni 2017 seine Nutztierhaltungsstrategie vor, u.a. die AbL kritisierte jedoch: Es fehlten klare Ziele, wie z.B. das in der Schweinehaltung der Ringelschwanz dran bleibt. Die Finanzierung will das BMEL weitgehend dem Markt überlassen, z.T. ist angedacht, bestehende Fördergelder umzuschichten. Dazu merkte auch der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik des BMEL, Professor Dr. Harald Grethe, in einem Interview mit dem Agrarinformationsdienst AgraEurope an, dass die Zielbestimmung und die Zeitpläne sowie eine schlüssige Finanzierung bei weitem nicht hinreichend bewältigt würden.

"Die Strategie muss auf drei Säulen fußen", schildert Schulz die Knackpunkte, die miteinander verzahnt ein wirksames Vorgehen ergeben: "Kennzeichnung, verlässliche finanzielle Anreize sowie klare ordnungsrechtliche Rahmenbedingungen - wenn auch da eine Finanzierung, ein staatlich unterstütztes Konzept dahinter steht, was den Betrieben die Umstellung ermöglicht." Der AbL-Arbeitskreis benennt als übergreifende Aufgabe, einen Konsens zwischen Politik, Gesellschaft und Wissenschaft zu den wesentlichen Anforderungen des Tier- und Umweltschutzes in den nächsten zehn bis 15 Jahren zu finden, möglichst auch in Absprache mit den benachbarten EU-Ländern. Auf dieser Grundlage müssten die "zentralen Zielmarken des Ordnungsrechts" geklärt und mit festen Zeiträumen verbindlich festgesetzt werden: Bis wann muss die Haltung so umgebaut sein, dass auf das Kupieren des Ringelschwanzes generell verzichtet werden kann? Wie viel Platz pro Tier muss mindestens vorhanden sein? Werden eingestreute Liegebereiche Pflicht? Werden Außenklimabereiche Pflicht? Wie werden Außenklimaställe immissionsrechtlich eingestuft? Wie wird die Tierhaltung an die Fläche gebunden, z. B. durch das Düngerecht? Wie viele Tage Kastenstand für Sauen werden befürwortet?

Investitionen lenken

Darüber hinaus sollen jetzt Fehlinvestitionen vermieden werden. "Ein Stall, bei dem heute schon klar ist, dass in ihm eine Haltung zu den in zehn Jahren geltenden Grundanforderungen nicht möglich ist, darf heute nicht mehr gefördert werden." Politisch muss klar kommuniziert werden, dass die herkömmlichen Haltungsverfahren nicht dauerhaft akzeptiert werden - und die Betriebe dies bei Stallbauplanungen berücksichtigen sollten. Umbaumaßnahmen bestehender Ställe hin zu tiergerechten Haltungssystemen müssten hingegen entsprechend ihres erreichten Tierschutz- und Umweltschutzniveaus gefördert werden, ebenso Neubauten. Allerdings fordert die AbL, die Investitionsförderung auf Betriebe zu begrenzen, deren Stallplätze unterhalb der Auslöseschwelle für eine Umweltverträglichkeitsvorprüfung liegen, d.h. bis maximal 1.500 Mastschweine oder 560 Sauen. So würde vermieden, zu preisdrückenden Überkapazitäten am Markt und einem Überschreiten der Umweltgrenzen beizutragen.

Wo kommt das Geld her?

Doch gerade auch im laufenden Betrieb entstehen durch die tiergerechteren Haltungsverfahren erheblich höhere Kosten, die gedeckt sein müssen. Vor allem zu Beginn des Umbauprozesses wird nur ein Teil über den Markt durch höhere Erzeugerpreise zu erlösen sein. Denn. dafür muss erst eine Marktdifferenzierung u.a. über die Kennzeichnung besonderer Qualitäten aufgebaut werden. Zunächst muss also ein Teil der Mehrkosten auf den Betrieben aus anderen Quellen abgedeckt werden. Die AbL spricht sich dafür aus, die Förderangebote der Bundesländer für besonders artgerechte Tierhaltung stark auszubauen. Durch die national mögliche Umschichtung von EU-Mitteln aus dem Topf für die weitgehend unqualifizierten Betriebsprämien in die Tierschutzförderung wäre dies zu finanzieren. Weiter gehend müsse jedoch ein neues, zweckgebundenes Finanzierungsinstrument in Form eines wirtschaftsfinanzierten Fonds eingerichtet werden. Vorbild dafür könne die Herangehensweise der Brancheninitiative Tierwohl sein. Auf diese Weise könnten die unterschiedlichen Grade artgerechter Tierhaltung auf den Betrieben ergänzend und individueller honoriert werden. Der Bund muss dafür die gesetzliche Grundlage schaffen und dafür sorgen, dass alle Akteure verantwortlich eingebunden sind. Für eine zügige aussagekräftige Kennzeichnung der Haltungsbedingungen setzt sich die AbL für ein staatliches zweistufiges Tierschutz-Label ab 2018 ein. Ein stärker differenzierter Ansatz sei nicht sinnvoll, weil jede Stufe den Aufbau einer eigenen Erzeugungs-, Verarbeitungs- und Verkaufskette erfordere. Neben dem gesetzlichen Standard entstünde so eine Premiumstufe mit einem hohen Maß an Tierwohl wie bei Neuland und eine Einstiegs- oder Übergangsstufe. Untereinander müssten diese drei Ebenen nachvollziehbar voneinander abgegrenzt sein. "Eine klare Kennzeichnung ist unbedingt nötig", betont Schulz, "aber nicht allein in der Lage, die nötigen Veränderungen in Gang zu bringen. Das ist wichtig zu verstehen. Nur im Zusammenhang wird das funktionieren und werden die Betriebe durch Vertrauen in den Prozess und gegebene Planungssicherheit in die Lage versetzt, sich da hineinzubegeben."

Vertrauen nötig

Als weitere Aufgabenfelder benennt der AbL-Arbeitskreis den Ausbau einer kompetenten Beratung dringend notwendige Genehmigungsgrundlagen für tiergerechte Außenklimaställe sowie die Bündelung der Schweinehalter, um die Erzeugungsmengen im Griff zu behalten. Nicht zuletzt bedarf es parallel einer Qualifizierung der Außenhandelsbedingungen. Die Standards des Tier- und Umweltschutzes müssen EU-weit angehoben werden, Importe den gleichen Anforderungen unterwerfen werden. "Solange und weil es bei der Umsetzung des Tierschutzes in der EU mehrere Geschwindigkeiten gibt, muss eine Kennzeichnung über die Haltungsverfahren und das Herkunftsland eingeführt werden." Ein Haufen Arbeit. "Extrem wichtig ist darum, einen politischen Konsens zu erreichen", mahnt Schweinehalter Schulz, "denn nur wenn über die Parteigrenzen hinweg die Richtung klar ist, bleibt der Kurs auch bei Regierungswechseln bestehen." Der Arbeitskreis betont: "Die Bereitschaft zur Veränderung braucht das Vertrauen darauf, dass die gesellschaftlichen Anforderungen längerfristig Bestand haben."

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 413 - September 2017, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/905 31 71, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,45 Euro
Abonnementpreis: 41,40 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 30,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Oktober 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang