Unabhängige Bauernstimme, Nr. 427 - Dezember 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern
Verschoben, aber nicht gelöst
Welche Methode zukünftig die betäubungslose Ferkelkastration ersetzen
soll, ist nicht abzusehen
von Marcus Nürnberger
Der Druck scheint raus zu sein. Anfang November haben die Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und SPD einen gemeinsamen Entwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes beschlossen. In erster Lesung wurde dieser im Bundestag beraten und dann an den Ernährungsausschuss übergeben. Dieser führt noch eine öffentliche Anhörung durch, bevor die Fristverlängerung, so die derzeitige Zeitplanung, am 29. November im Bundestag beschlossen werden soll. Die letzte Hürde könnte das Gesetz dann am 14. Dezember im Bundesrat nehmen. Wenn alles so kommt wie geplant, wäre "längstens bis zum Ablauf des 31. Dezember 2020 [...] eine Betäubung nicht erforderlich für das Kastrieren von unter acht Tage alten männlichen Schweinen", so der Gesetzestext. Mit der Gesetzesänderung wird aber nicht nur die Ausstiegsfrist um zwei Jahre nach hinten verschoben. Damit diesmal nicht - wie beim ursprünglichen, schon vor fünf Jahren angekündigten und auf Ende 2018 geplanten Verbot der betäubungslosen Kastration - die Frist tatenlos verstreicht, werden konkrete Handlungsaufgaben verteilt.
Betäubung
Vor allem, das wurde in den Beratungen im Bundestag deutlich, sollen
die Landwirte bei der Umstellung nicht alleine gelassen werden.
Insbesondere von der SPD kam die Forderung, dem Narkosemittel
Isofluran möglichst zügig eine tierarzneimittelrechtliche Zulassung zu
erteilen. Die derzeitige Anwendung z. B. bei Neuland-Betrieben findet
unter einer Umwidmung durch den behandelnden Tierarzt statt. Bis
spätestens zum 31. Mai 2019 muss, so der Gesetzestext, dem Bundestag
eine Rechtsverordnung des Bundeslandwirtschaftsministeriums zugeleitet
werden. Konkreter wurden die Parlamentarier des Bundestages. Sie
forderten unter anderem, dass die Rechtsverordnung dem geschulten
Landwirt die Durchführung der Isoflurannarkose ermöglichen solle.
Bisher unterliegt diese der Überwachung durch einen Tierarzt.
Inwieweit der Tierarzt auch zukünftig die Narkose selbst durchführen
muss oder zumindest anwesend sein muss, ist derzeit noch offen. Hier
ergäben sich Möglichkeiten, geschulten Landwirten unter der Kontrolle
des zuständigen Tierarztes die eigenständige Durchführung zu
ermöglichen. Zum Beispiel könnte die Verdampfereinheit des Gerätes mit
Zähler bei einem Tierarzt vor Ort und in dessen Verantwortung
stationiert sein und würde von den Landwirten ausgeliehen, erklärt
Stefan Waldner von der Firma Waldner Maschinenbau, die ihr Gerät zur
Ferkelnarkose auf der Eurotier in Hannover ausstellt. "Somit wäre
gewährleistet, dass die Zahl der kastrierten Ferkel und der Verbrauch
an Isofluran an zentraler Stelle erfasst würden." Eine klare Anweisung
erteilt der Gesetzestext dem Bundesministerium, das dem zuständigen
Fachausschuss alle sechs Monate über die "Umsetzungsfortschritte bei
der Einführung alternativer Verfahren und Methoden zur betäubungslosen
Ferkelkastration" berichten muss. Auf der EuroTier war die
Ferkelkastration für viele Schweinehalter ein Thema. Neben zwei
Ständen mit Narkosegeräten für Isofluran war vor allem der Messestand
von Zoetis nicht zu übersehen. Zoetis hat die in der aktuellen
Diskussion immer wieder genannte Immunokastration durch zweimaliges
Impfen der Eher entwickelt. Die Impfpistole, die eine Selbstinjektion
vermeiden soll, ist ebenso ausgestellt wie die Forschungsergebnisse
zur besseren Futterverwertung der behandelten Eher gegenüber
Kastraten. Wichtig in der aktuellen Diskussion ist es Zoetis auch
darzustellen, dass die Fleischqualität geimpfter Eher deutlich besser
ist als bei reiner Ebermast. Zuletzt hatte eine Untersuchung der
Hochschule Anhalt in Sachsen-Anhalt gezeigt, dass das reine
Eberfleisch aufgrund seiner veränderten Fettzusammensetzung und seines
geringeren Wasserhaltevermögens deutliche Nachteile in der
Verarbeitung mit sich bringt. Immunokastrierte Tiere schneiden hier
deutlich besser ab, so der Zoetis-Vertreter. Er verweist auf
Untersuchungen, die zeigen, dass der Gehalt an mehrfach ungesättigten
Fettsäuren (PUFA) zwar zwei Prozent über denen von Kastraten liegt
(ca. 12,5%), aber deutlich unter denen von nicht geimpften Ebern (ca.
16,5%). Ein weiteres Argument für die Impfung anstelle der Ebermast
sei die Verhaltensänderung der "Eber", die in der Folge deutlich
weniger aggressiv seien, wodurch Verletzungen durch Rangkämpfe,
Aufreiten und Penisbeißen ausgeschlossen seien.
Und der vierte Weg
Zwar hält der Bauernverband nach wie vor am vierten Weg, also der
Lokalanästhesie, fest, in der aktuellen Diskussion wird diese Variante
aber nur am Rande diskutiert. In einem Forschungsprojekt soll bis
Mitte 2021, also nach Ablauf der Fristverlängerung, geprüft werden, ob
die lokale Betäubung überhaupt eine gesetzeskonforme
Schmerzausschaltung gewährleistet. Darüber hinaus müssten die
einzusetzenden Medikamente eine Zulassung bekommen und die Methode
bräuchte eine Ausnahmeregelung, damit die Schweinehalter sie
selbstständig ohne Tierarzt durchführen könnten.
Aufklärung
Im Rahmen der Verhandlungen hat der Haushaltsausschuss für die
Schulung von Landwirten und die Information von Verbrauchern 38 Mio.
Euro bewilligt. Ob das Geld vor allem für die Schulung der Landwirte
oder aber für eine", Aufklärung der Verbraucher eingesetzt wird, hängt
auch von der Variante ab, wie zukünftig mit Ebern umgegangen werden
soll. Während bei den Kastrationsmethoden, neben rechtlichen
Anpassungen, Schulungen der Landwirte erforderlich würden, damit diese
die aktuell im Zuständigkeitsbereich der Tierärzte liegende Betäubung
bzw. Lokalanästhesie übernehmen könnten, ist die Immunokastration von
den Landwirten schon heute ohne rechtliche Änderungen und
Weiterbildungen praktisch umsetzbar. Hier sind es vor allem die
Schlachtunternehmen, der Handel und die Verbraucher, die sich dieser
Methode gegenüber öffnen müssten. In agrarheute äußerte sich Dr.
Ludger Breloh, Bereichsleister für Strategie und Innovation im
Agrarsektor der REWE-Group, diesbezüglich offen: "Das Beste wäre, alle
Vermarkter würden alle gesetzlichen Wege erlauben." Im gleichen
Interview machte Tönnies-Chef Clemens Tönnies aber auch deutlich, dass
der Schweinebereich nicht allein auf den deutschen Markt ausgerichtet
ist, sondern es auch Akzeptanz der jeweiligen Methoden in den
ausländischen Absatzmärkten geben müsse. Auf der Erzeugerebene
zwischen Ferkelerzeugern und Schweinemästern gilt es, verlässliche
Regelungen zu finden und nicht aus dem Marktsegment männliche Ferkel
auf einmal zwei - kastrierte und unkastrierte - zu machen. Auch die je
nach Methode in unterschiedlichen Stufen anfallenden Kosten müssen
sich in der Preisgestaltung wiederfinden.
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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 427 - Dezember 2018, S. 13
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Februar 2019
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