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LANDWIRTSCHAFT/1660: Milch - "Fünf Prozent weniger ist kein Problem" (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 391 - September 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Fünf Prozent weniger ist kein Problem"
Die Möglichkeiten, Menge auf den Betrieben zu reduzieren, sind bekannt

Von Christine Weißenberg


Die Ansatzpunkte, um auf dem Betrieb die Milchproduktion kurzfristig in geringem Umfang zu senken, sind vielfältig. "Die Möglichkeiten kennen die Bauern", verweist Christian Krutzinna, Geschäftsführer der Domäne Frankenhausen und wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Kassel, Fachbereich Ökologische Agrarwissenschaften, auf die Kenntnisse auf den Höfen: "Während der Milchquotierung war es ja auch immer wieder nötig zu reagieren, um eine Überlieferung zu verhindern." Fünf oder sogar bis zu zehn Prozent weniger Milch abzuliefern, sei betrieblich gar kein Problem. "Sympathisch" finden sowohl Krutzinna als auch Ottmar Ilchmann, Milchviehbauer und stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), die Variante, weniger Kraftfutter zu füttern. Die Mengenreduzierung lässt sich so sogar recht genau planen: Ein Kilogramm Kraftfutter erbringt ungefähr ein Kilogramm Milch. "Im Hochleistungsbereich mit hohen Kraftfuttergaben ist die Wirksamkeit geringer", schränkt Krutzinna die Gültigkeit dieser Faustzahlen ein, "da geht es für den gleichen Effekt um noch mehr Kraftfutter." Seiner Einschätzung nach stellt dieses Verfahren aber auch im Hochleistungsbereich kein Problem dar, sondern eher eine gesundheitliche Stabilisierung. Wer dennoch Bedenken habe, die Kühe zu überfordern, könne die Kraftfutterreduzierung zumindest bei altmelkenden Kühen in der zweiten Laktationshälfte durchführen.

Gesund und ökonomisch

Ilchmann kennt sogar das Beispiel eines Wachstumsbetriebes aus Brandenburg, dessen Betriebsleiter Timo Wessels auf einer Veranstaltung darstellte, dass er aus ökonomischen Gründen Kraftfutter reduziert hat: Pro Tier werden zwei Kilogramm weniger eingesetzt, die Leistung ging leicht zurück, dafür aber die Tiergesundheit hoch und die Tierarztkosten runter - unter dem Strich lohne sich der Ansatz, berichtete Wessels. Über die Fütterung Milchmenge zu reduzieren, kann auch im Rahmen einer verringerten Eiweißzufuhr gelingen. Der Veterinärmediziner und Professor im Ruhestand, Holger Martens, hält das schon allein aus Tiergesundheitsgründen für den richtigen Weg: Er bezeichnet die hohen Eiweißkonzentrationen zur Ausfütterung der züchterischen Leistungspotentiale als nicht artangepasst und rät zu einer Verknappung der üblichen Mengen, damit der Stoffwechsel der Kühe nicht ständig überfordert wird.

Vollmilch für Kälber

Eine andere Methode ist die eigene Verwendung eines Teils der erzeugten Milch zur Kälberfütterung. Ökobetriebe aber auch viele konventionelle Höfe setzen grundsätzlich auf Vollmilch statt auf zugekauften Milchaustauscher. Anderen erscheint dieser Weg ungenauer und weniger standardisiert. "Manche befürchten Durchfallprobleme, aber da ist ja dann vielleicht ganz schön zu sehen: Im Biobereich geht es schließlich auch", so Krutzinna. Für die 100-tägige Aufzucht eines weiblichen Kalbes rechnet er mit 500 bis 600 Liter Vollmilch. "Das sind dann gleichzeitig auch Schritte hin zu einer natürlicheren Ernährung", fasst Krutzinna die Vorteile der genannten Ansätze zusammen, "zum einen für die Kuh und zum anderen für das Kalb." Hinzu kommt die Möglichkeit, sich früher von Kühen zu trennen, die schon zur Schlachtung vorgesehen sind. Oder es kann in Fällen, die sich anbieten, am Ende der Laktation früher trocken gestellt werden - "Wellnesszeit für die Kühe", wie es eine norddeutsche Milchbäuerin mal ausgedrückt hat.

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Bedarfsorientierte Mengenregulierung

Die Milchbauern der Upländer Bauernmolkerei haben für den Fall einer Überversorgung gemeinsame Regeln festgelegt. "Zur Zeit haben wir zu wenig Milch, wir könnten mehr verkaufen", betont Josef Jacobi, Milchbauer, Mitgründer und Aufsichtsratsvorsitzender der Upländer Bauernmolkerei. Die Nachfrage im Biomilchbereich ist hoch, die Erzeugerpreise mit 46 Cent pro Liter Milch und vier Prozent Fettgehalt stabil. Zum Umgang mit der absetzbaren Menge Milch haben die Bäuerinnen und Bauern als Eigentümer der Molkerei verschiedene Marktsituationen mitbedacht und Regeln festgelegt: Grundsätzlich sind die Mitglieder über eine anlieferungsbezogene Einlage beteiligt und verfügen über das Lieferrecht für die entsprechende Milchmenge. Wer auf Dauer mehr liefern möchte, könnte dies einfach so tun - oder einen Antrag auf Erhöhung der Liefermenge stellen. Wenn die Marktlage langfristig eine hohe Nachfrage und gute Absatzchancen erkennen lässt, kann der Vorstand der Milcherzeugergemeinschaft (MEG) dies genehmigen. Die Bäuerin oder der Bauer erhöht dann die Einlage entsprechend und damit das Lieferrecht. Für den Fall, dass zu viel Milch auf dem Markt vorhanden ist und Milch auf dem Spotmarkt verkauft werden muss, besteht die Möglichkeit, bei überlieferten Mengen Abschläge zu machen. "Das heißt, für diese Menge wird ein geringerer Preis ausgezahlt, mit dem Ziel, dass entsprechend weniger angeliefert wird. Das haben wir immer verstanden unter einer bedarfsorientierten Mengenregulierung", erklärt Jacobi das Vorgehen, das seit Bestehen der Bauernmolkerei einmal genutzt wurde. Karin Artzt-Steinbrink, Geschäftsführerin von MEG und Molkerei, fügt hinzu: "Auf diese Weise sind die Bauern näher an der Vermarktungssituation der Molkerei dran und liefern nicht nur ab soviel sie können. Sie machen sich Gedanken über die Mengen. Wer überliefert, muss damit rechnen, dass er in manchen Marktsituationen dafür weniger bekommt".

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 391 - September 2015, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
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Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,30 Euro
Abonnementpreis: 39,60 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Oktober 2015

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