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LANDWIRTSCHAFT/1492: Abhängigkeit statt Entwicklung - Afrika braucht keine Grüne Revolution (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. November 2011

Landwirtschaft: Abhängigkeit statt Entwicklung - Afrika braucht keine Grüne Revolution

ein Gastkommentar von William G. Moseley *


St. Paul, USA, 1. November (IPS) - Angesichts der verheerenden Hungerkatastrophen auf dem afrikanischen Kontinent diskutieren westliche und chinesische Agrarexperten und Wissenschaftler zunehmend über Strategien, in Afrika dem historischen Beispiel Chinas zu folgen und mit einer 'Neuen Grünen Revolution' den Hunger zu stoppen. Bei diesen Überlegungen spielen die Verwendung von ertragreichem hybridem Saatgut und der massive Einsatz der Agrochemie eine wichtige Rolle.

Doch der Vergleich zwischen Chinas erfolgreicher Bekämpfung der großen Hungersnot von 1958 bis 1961, die 36 Millionen Menschen das Leben kostete, und dem Zustand der afrikanischen Landwirtschaft führt allein schon wegen der unterschiedlichen Ausgangslage in die Irre. Chinas Konzept von der Grünen Revolution ist auf Sub-Sahara-Afrika nicht übertragbar.

Damals kaufte China dem Westen hybrides Saatgut ab und entwickelte eigene Technologien, um es selbst herzustellen. Auch Anlagen zur Produktion von Dünger und Pestiziden wurden importiert und nachgebaut, so dass China inzwischen zu den weltweit größten Produzenten von Agrochemie gehört. Zugleich begann das kommunistische China in den 70er Jahren mit marktorientierten Reformen, dezentralisierte die Landwirtschaft und löste die riesigen Produktionskollektive auf.

Zwischen 1960 und 2000 stieg Chinas Agrarproduktion dramatisch an, doch die damit verbundenen ökologischen und sozialen Kosten waren ebenso massiv. Auf den durch den übermäßigen Einsatz von Stickstoffdünger ausgelaugten Böden stagnieren inzwischen die Ernten bei abnehmenden Erträgen. Zudem brachten die Reformen der späten 70er und der 80er Jahre einigen chinesischen Bauern deutlich erhöhte Ernten, während die soziale Ungleichheit auf dem Land dramatisch zunahm.

Weil das eigene Agrarland nicht mehr ausreicht, hält Peking heute weltweit, nicht zuletzt in Afrika, nach neuen Anbauflächen Ausschau, deren Ernten nach China exportiert werden. Chinas rasche Urbanisierung hat auch die Ernährungsgewohnheiten der wohlhabenden Städter geändert. Mit deren wachsendem Fleischkonsum nimmt auch der Bedarf an Futtergetreide zu.

So begrüßenswert es ist, dass sich internationale Agrarexperten nach mehr als 20 Jahren wieder Afrika zuwenden, so würde eine Grüne Revolution in Afrika vor allem China und dem Westen nutzen. Der Einsatz von kapitalintensiven importierten Technologien würde den großen US-Saatgut- und Agrochemie-Konzernen hohe Gewinne bescheren, und die dadurch erhöhte Produktivität auf langfristig in Afrika gepachteten Anbauflächen käme vor allem dem Getreideexport zugute.

Das als 'Land Grab' verurteilte Pachten großer Agrarflächen ist für spekulative Hedgefonds oder kapitalkräftige Investoren etwa aus Saudi-Arabien, Libyen, Indien oder Südkorea ein lohnendes Geschäft, zumal die Nahrungsmittelpreise auf dem Weltmarkt ständig steigen. Eine ertragsteigernde Grüne Revolution wäre dort willkommen. In den betroffenen Ländern wird das Konzept der Öffentlichkeit als Jobmaschine verkauft.


Drohende Abhängigkeit armer Kleinbauern

Doch die propagierte neue Grüne Revolution wäre für die einheimischen armen Kleinbauern, die am meisten unter den immer wiederkehrenden Hungersnöten leiden, mit erheblichen Problemen verbunden. Sie müssten teuren Chemiedünger und neues Saatgut einsetzen, das ihnen die Agromultis liefern und wären somit von ihnen abhängig.

Alternativen sind biologisch schonende Anbaumethoden, der Einsatz von Düngepflanzen, die Stickstoff im Boden binden und bewährte einheimische Bewässerungsmethoden. Auch Mischkulturen, die weniger von Schädlingen befallen werden als Monokulturen, können akzeptable Erträge bringen.

Nicht zum ersten Mal versuchen internationale Berater, afrikanischen Ländern neoliberale Wirtschaftskonzepte wie die Öffnung der Märkte aufzuzwingen, die für ihre Bevölkerung von zweifelhaftem Nutzen sind.

Wenn sich das Land der Mitte jetzt als Asiens 'Agrartiger' unter Verweis auf seine beispiellose landwirtschaftliche Entwicklung afrikanischen Sub-Sahara-Ländern zur Nachahmung empfiehlt, sollten deren führende Politiker sorgfältig die geschichtliche Vergleichbarkeit der beiden Regionen überprüfen, bevor sie Chinas Rat befolgen. (Ende/IPS/mp/2011)


* William G. Moseley lehrt am Macalester College in St. Paul, Minnesota, und befasst sich mit Entwicklungsgeographie und dem Einfluss des Menschen auf die Umwelt.

Link:
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105629

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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. November 2011