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LANDWIRTSCHAFT/1346: Mehr Milch und Fleisch ... wie ist das zu schaffen? (Forschungsreport)


ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz 2/2008
Die Zeitschrift des Senats der Bundesforschungsanstalten

Mehr Milch und Fleisch für die Welt ... wie ist das zu schaffen?

Von Gerhard Flachowsky, Sven Dänicke, Peter Lebzien und Ulrich Meyer (Braunschweig)


Die Erdbevölkerung wird bis zum Jahr 2050 voraussichtlich von derzeit 6,5 auf rund 9,0 Milliarden Menschen ansteigen. Nach Schätzungen der Welternährungsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen wird sich aber die Nachfrage nach Lebensmitteln tierischer Herkunft in dieser Zeit annähernd verdoppeln. Als wesentliche Ursachen für diesen überproportionalen Anstieg werden die erhöhten Einkommen in Schwellen- und Entwicklungsländern sowie der hohe Genusswert von Fleisch, Milch und Eiern angesehen.


Die skizzierte Entwicklung stellt eine gewaltige Herausforderung für alle Akteure dar, die entlang der Nahrungskette arbeiten und forschen. Dabei geht es zum einen um den effektiven Umgang mit begrenzt verfügbaren Ressourcen, wie Fläche, Wasser, Energie und verschiedene Rohstoffe (vor allem Phosphor). Besondere Aufmerksamkeit verdienen aber auch die bei Nutztieren anfallenden Ausscheidungen: Nicht nur, dass sich in den Ausscheidungen Konvertierungsverluste niederschlagen, also Verluste bei der Umwandlung von Futter in Fleisch, Milch oder Eier - auch die Umweltrelevanz ist von Bedeutung. Stickstoff (N), Phosphor (P) und verschiedene Spurenelemente (z.B. Kupfer, Zink) in den Exkrementen wirken sich überwiegend lokal oder regional aus, indem sie zum Beispiel Oberflächen- und Grundwasser eutrophieren können oder sich im Boden anreichern, während direkt ausgeschiedene Gase (z.B. Methan, CH4 oder aus Ausscheidungen entstehende Gase (z.B. Lachgas, N2O) aufgrund ihrer Klimarelevanz von globaler Bedeutung sind.

In dem vorliegenden Beitrag gehen wir der Frage nach, wie effizient die Umwandlung von Tierfutter in die Produkte Milch, Fleisch und Eier vonstatten geht. In welchem Maße treten gasförmige Emissionen auf? Und welche Reduzierungspotenziale sind aus der Sicht der Tierernährung vorhanden?

Da in Europa die Erzeugung von essbarem Eiweiß das Hauptziel der Tierproduktion ist (in anderen Regionen haben Tiere auch noch weiterer Aufgaben zu erfüllen, z.B. Zugkraft), wird die Eiweißmenge als Bezugsbasis der Aufwendungen und Ausscheidungen verwendet. Bei den vorliegenden Betrachtungen bleiben die Fische (Aquakultur) unberücksichtigt.


Ressourceneffizienz

Die Umwandlung der Futtermittel in die Produkte Milch, Fleisch und Eier ist mit erheblichen Verlusten verbunden. Je nach Tierart, Fütterung, Leistungshöhe und anderen Einflussfaktoren werden beispielsweise über 50% des aufgenommenen Stickstoffs in den Exkrementen (Kot, Harn) wieder ausgeschieden (Tab. 1).


Tab. 1: Produktion von essbarem Protein tierischer Herkunft mit 
 verschiedenen Tierarten/-kategorien und Stickstoff (N)-Ausscheidung in 
 Abhängigkeit von der Leistungshöhe (eigene Berechnungen)
Eiweißquelle
(Lebendmasse)


Leistung
je Tag


Verzehr-
barer
Anteil
(%)
Proteingehalt
im verzehrbaren
Anteil (g/kg
Frischmasse)
Essbares
Protein
(g/Tag)

N-Ausschei-
dung
(in % der
N-Aufnahme)
Milchkuh
(650 kg)

10 kg Milch
20 kg Milch
40 kg Milch
95

34

323
646
1292
75
70
65
Mastrind
(350 kg)
1000 g LMZ
1500 g LMZ
50

190

95
143
84
80
Mastschwein
(80 kg)
700 g LMZ
900 g LMZ
60

150

63
81
80
75
Mastküken
(1,5 kg)
40 g LMZ
60 g LMZ
60

200

4,8
7,2
70
60
Legehenne
(1,8 kg)
70 % LL
90 % LL
95

120

5,1
6,6
65
55

LMZ = Lebendmasse-Zunahme, LL = Legeleistung


In der Tierernährung gilt die Grundregel, dass mit ansteigender Leistung die Produktion effizienter wird. Während die Ausscheidungen je Tier ansteigen, verringern sie sich bezogen auf die Produktmenge, da sich die auf den unproduktiven Erhaltungsbedarf entfallenden Ausscheidungen auf die größere Produktmenge verteilen.

Gegenwärtig stehen auf der Erde im Durchschnitt rund 30 g essbares tierisches Eiweiß je Einwohner und Tag zur Verfügung. Dabei ist die Variationsbreite zwischen den Ländern, aber auch zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen in einzelnen Ländern immens (von weniger als 10 bis mehr als 80 g/Tag).

Unter Berücksichtigung der eingangs erwähnten Entwicklung wird dieser Wert auf rund 40 g tierisches Eiweiß je Einwohner und Tag im Jahr 2050 ansteigen. Eigene Kalkulationen haben ergeben, dass man dafür - ein gleiches Intensitätsniveau wie heute vorausgesetzt - aus globaler Sicht etwa doppelt so viel Futtermengen wie gegenwärtig benötigt. Dies scheint unter Berücksichtigung der Flächenkonkurrenz (nachwachsende Rohstoffe, Energiepflanzen, schützenswerte Flächen, Siedlungsareale) kaum realisierbar. Das bedeutet: Entweder muss man sich von dem anspruchsvollen Ziel eines global höheren Pro-Kopf-Eiweißverbrauchs verabschieden, oder man muss einen höheren Flächenertrag bei der Futterproduktion oder eine Leistungssteigerung bei der Tierproduktion erreichen. Nicht unerwähnt darf in diesem Zusammenhang bleiben, dass die Nutztiere weltweit eine vielfach größere Nahrungsmenge aufnehmen als die Menschen. So beläuft sich nach eigenen Berechnungen der jährliche Verzehr (in Trockensubstanz) der 6,5 Milliarden Menschen auf der Erde auf etwa 1 Milliarde Tonnen, während die rund 1,6 Milliarden Großtiere (Rinder, Büffel, Pferde, Kamele) mehr als die vierfache Menge - rund 4,6 Milliarden Tonnen - verzehren.

Die Erwartungen an die Pflanzenzüchtung und den Pflanzenbau gehen dahin, ertragreiche und ertragssichere Arten und Sorten zur Verfügung zu stellen, die gerade hinsichtlich der begrenzt verfügbaren Ressourcen relativ anspruchslos sind (sog. Low Input Varieties). Ähnliche Erwartungen ergeben sich auch an die Tierzucht, -haltung und -ernährung. In Tabelle 2 werden exemplarisch einige Kalkulationen zum Bedarf an Ackerfläche in Abhängigkeit von der täglich verzehrten Menge an essbarem Protein tierischer Herkunft, den Proteinquellen sowie dem Leistungsniveau von Pflanzen- und Tierproduktion vorgestellt. Die je Einwohner erforderliche Fläche zur Erzeugung von Lebensmitteln tierischer Herkunft hängt (a) von der Höhe der Pflanzenerträge, (b) von der Leistungshöhe der Tiere sowie (c) von der verzehrten Proteinmenge ab. Der Flächenverbrauch ist bei gleichen Erträgen umso höher, je mehr Protein tierischer Herkunft weltweit verzehrt wird und je höher der Fleischanteil an dieser Proteinmenge ist (für 1 kg Protein aus Fleisch wird mehr Fläche benötigt als für 1 kg Protein aus Milch). Entsprechend steigt bei geringeren Flächenerträgen oder niedrigen Leistungen der Tiere bei gleichem Proteinverzehr ebenfalls der Flächenbedarf (Tab. 2).


Tab. 2: Flächenbedarf* zur Erzeugung von essbarem Protein
tierischer Herkunft in Abhängigkeit von der Produktionsintensität und
der Proteinquelle (in m² pro Jahr, eigene Kalkulationen)
Verzehr an essbarem
Protein tierischer
Herkunft (g/Tag)
Ertrags- bzw.
Leistungsniveau
10

A1

10

B2

20

A

20

B

40

A

40

B

60

A

60

B

Proportion zwischen
Protein aus Fleisch
(3) und Milch
(% des Proteins)
 - 70 : 30
 - 50 : 50
 - 30 : 70



260
225
190



105
95
85



520
450
380



210
190
70



1050
900
760



420
380
340



1560
1350
1140



630
570
510

1) Leistungsniveau A: 4 t T Getreide, 10 t T (= Trockenmasse) Grundfutter/ha; 15 kg Milch, Lebendmassezunahme beim Mastrind: 600 g, Schwein; 400 g, Geflügel: 30 g/Tag
2) Leistungsniveau B: 8 t T Getreide, 15 t T Grundfutter/ha; 30 kg Milch, Lebendmassezunahme beim Mastrind: 1200 g, Schwein: 800 g, Geflügel: 60 g/Tag
3) Proportion zwischen Protein von Mastrind, Schwein und Geflügel (in %): ≈ 15:60:25
* Neben der Fläche stellt das Wasser eine weitere begrenzt vorhandene Ressource dar. In vielen Regionen ist es bereits gegenwärtig Begrenzungsfaktor Nummer 1.


Unter Berücksichtigung der je Einwohner verfügbaren Ackerfläche (gegenwärtig: rund 2300 m²; 2050: rund 1600 m²) belegen die in Tabelle 2 zusammengestellten Zahlen, dass ein bestimmtes Leistungs- bzw. Intensitätsniveau erforderlich ist, um ausreichend Areale auch für weitere "Flächenverbraucher" verfügbar zu haben. Dazu ein konkretes Beispiel: Will jede der im Jahr 2050 auf der Erde lebenden Personen täglich 60 g tierisches Protein verzehren (das entspricht in etwa den Verzehrsgewohnheiten in Mitteleuropa), so würden dafür bei extensiver Tierproduktion (Leistungsniveau A) allein 1560 m² - und damit fast die gesamte pro Einwohner zur Verfügung stehende Ackerfläche - für das Futter benötigt.


Ausscheidungen und Klimarelevanz

Die vom Tier nicht genutzten bzw. in andere Substanzen umgewandelten Futter-Inhaltsstoffe werden über Kot, Harn und Atemluft wieder ausgeschieden. Bedingt durch die gegenwärtige Klimadiskussion und das Treibhausgaspotenzial einiger bei der Tierproduktion anfallender Gase (CO2, CH4, N2O) steht die Landwirtschaft auch in dieser Hinsicht im Blickpunkt der Öffentlichkeit. Immerhin soll nahezu ein Drittel der weltweit emittierten Treibhausgase auf die Landwirtschaft entfallen. Bei der klimarelevanten Bewertung ist das unterschiedlich hohe Treibhauspotenzial der verschiedenen Gase zu berücksichtigen (CO2 = 1; CH4 = 23 x CO2; N2O = ≈ 300 x CO2). Diese Faktoren finden bei so genannten Ökobilanzen oder Life Cycle Assessments Berücksichtigung. Dabei bleibt das im Rahmen der Photosynthese durch die Pflanzen gebundene und im Tier wieder freigesetzte CO2 meist unberücksichtigt, während das Betriebsmittel-bedingte CO2 sowie CH4 und N2O entsprechend ihrem Treibhauspotenzial bei der Ermittlung von CO2-Äquivalenten ("CO2-Footprints") berücksichtigt werden. Die Datenbasis für die Ableitung von CO2-Äquivalenten für verschiedene Leistungen ist gegenwärtig noch sehr lückenhaft und bedarf weiterer Quantifizierung.

Aus Tabelle 3 wird ersichtlich, dass mit höheren Leistungen der Nutztiere die umwelt- bzw. klimarelevanten Ausscheidungen je Kilogramm essbares Protein geringer werden (vgl. auch Abb. 1).


Tab. 3: Ausscheidungen je kg essbares Protein tierischer
Herkunft bei verschiedenen Proteinquellen Proteinquelle
Proteinquelle

Leistungshöhe
(je Tag)
N*

P*

CH4*

CO2-
Äquivalente*

Milch

10 kg
20 kg
40 kg
0,65
0,44
0,24
0,10
0,06
0,04
1,0
0,6
0,4
30
16
12
Rindfleisch

1000 g
1500 g
1,3
1,0
0,18
0,14
1,5
1,2
55
35
Schweinefleisch

700 g
900 g
0,7
0,55
0,10
0,08
0,08
0,05
12
10
Geflügelfleisch

40 g
60 g
0,35
0,25
0,04
0,03
0,01
0,01
4
3
Eier

70 %
90 %
0,4
0,3
0,07
0,05
0,02
0,02
5
4

* Ausscheidung (kg/kg essbares Protein)


Außerdem fällt auf, dass das von Wiederkäuern stammende Protein mit mehr CO2-Äquivalenten erzeugt wird als das von Schweinen und Geflügel. Eine wesentliche Ursache dafür ist das im Verdauungstrakt der Wiederkäuer entstehende Methan, dessen Anteil am CO2-Footprint je nach Leistungshöhe und Fütterung 50 bis 80% betragen kann. Andererseits darf nicht übersehen werden, dass Wiederkäuer in der Lage sind, aus vegetativen Pflanzenbestandteilen wie Gras, Heu und Stroh, die von Menschen und von Nichtwiederkäuern nicht genutzt werden können, Milch und Fleisch zu erzeugen. Global stehen immerhin 3,3 Mrd. ha Grasland zur Verfügung, die nur von Wiederkäuern verwertet werden können. Perspektivisch kommt es also darauf an, dieses gewaltige Potenzial noch ressourcen- und umweltschonender zu nutzen.


Potenziale zur Reduzierung der Ausscheidungen

Die Tierproduktion - und dabei vor allem die Tierernährung - verfügt über ein beachtliches Potenzial zur weiteren Senkung von Ausscheidungen. Zu nennen sind hier unter anderem:

Verbesserung der Tiergesundheit, weniger Tierverluste.
kurze Aufzuchtdauer und lange Nutzungsdauer. Hier kommt es darauf an, die wenig oder nicht produktiven Lebenszeitabschnitte möglichst kurz zu halten.
Präzise Bedarfsermittlung und möglichst exakte Bedarfsdeckung. Das heißt: Überschüsse in der Tierernährung vermeiden.
Einsatz von Futtermittelzusatzstoffen, um bei Wiederkäuern die Methanbildung zu senken. Hier kommen z.B. Wasserstoffbinder oder bestimmte Pflanzenextrakte in Betracht.
Exkrement-Management (z.B. Nutzung von Exkrementen als Rohstoffe für Biogasanlagen).

Schlussfolgerungen und Forschungsbedarf

Um der globalen Herausforderung "mehr Milch und Fleisch" nachzukommen, müssen die Forschungsanstrengungen dahin gehen, die Effizienz in allen Gliedern der Nahrungskette zu steigern (Züchtung von Pflanzen mit geringen Ansprüchen, Verbesserung des Pflanzenbaus, bedarfsgerechte Tierernährung). Ferner sollten - gerade in viehreichen Regionen der Erde - Anreize geschaffen werden, die vom Tier stammenden Lebensmittel mit weniger Tieren zu erzeugen (z.B. Verbesserung von Tiergesundheit und Futterbasis, Entwicklung einer Futtervorratswirtschaft, Vermeidung von Lagerungsverlusten). Darüber hinaus sollten auch die Alternativen im Blick behalten werden, also die Erzeugung hochwertiger Nahrungsmittel aus pflanzlichen Rohstoffen, die dem Eiweiß tierischer Herkunft nahe kommen bzw. entsprechen.


Prof. Dr. Gerhard Flachowsky,
PD Dr. Sven Dänicke,
Dr. Peter Lebzien und
Dr. Ulrich Meyer,
Friedrich-Loeffler-Institut,
Institut für Tierernährung,
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig.
E-Mail: gerhard.flachowsky@fli.bund.de


Diesen Artikel inclusive aller Abbildungen finden Sie im Internet im PDF-Format unter:
www.forschungsreport.de


*


Quelle:
ForschungsReport Ernährung · Landwirtschaft · Verbraucherschutz
2/2008, Seite 14-17
Herausgeber:
Senat der Bundesforschungsanstalten im Geschäftsbereich des
Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz
Redaktion: Dr. Michael Welling
Geschäftsstelle des Senats der Bundesforschungsinstitute
c/o Johann Heinrich von Thünen-Institut
Bundesallee 50, 38116 Braunschweig
Tel.: 0531/596-1016, Fax: 0531/596-1099
E-Mail: michael.welling@vti.bund.de
Internet: www.forschungsreport.de, www.bmelv-forschung.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Februar 2009