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INTERNATIONAL/180: Japanische Bauernproteste (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 410 - Mai 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Japanische Bauernproteste
Neue Handelsabkommen schaden Landwirtschaft

von Berit Thomsen


Das geplante Handelsabkommen zwischen der EU und Japan wäre das bislang größte Handelsabkommen für Japan und hätte schwerwiegende Folgen für die japanische Landwirtschaft", sagt Shushi Okazaki vom Japan Family Farmers Movement (Nouminren). Insbesondere der Schweine- und Milchmarkt würden davon stark betroffen. Das Freihandelsabkommen zwischen Japan und der EU (JEFTA) steht unmittelbar vor der Tür - und ist nur eines von vielen geplanten bilateralen Handelsabkommen der EU in den kommenden Jahren. Mit JEFTA wollen die EU und Japan ein Zeichen gegenüber den jüngsten Präsidentschaftswahlen in den USA setzen, vermeldet der landwirtschaftliche Nachrichtendienst Agra-Facts. In einem Treffen am 21. März verständigten sich der japanische Premierminister Abe und Kommissionspräsident Junker, noch bis zum Sommer eine Einigung im Agrarbereich erzielen zu wollen. Mit JEFTA würde ein gigantisches bilaterales Handelsabkommen geboren werden. Die EU ist die größte und Japan die viertgrößte Wirtschaftsmacht weltweit, bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt.

Japan droht Käseschwemme

Die japanischen Bäuerinnen und Bauern sind höchst alarmiert und kritisieren dieses Abkommen. In einem Hintergrundpapier warnt das Japan Family Farmers Movement, dass Japan durch JEFTA noch mehr Nahrungsmittel aus der EU importieren müsste. Und das Niveau sei jetzt schon hoch: Im Jahr 2015 habe Japan 826.000 Tonnen Schweinefleisch importiert, davon allein 35 Prozent aus Europa. Das japanische Hintergrundpapier verweist darauf, dass die europäische Agrarindustrie großes Interesse am japanischen Markt mit 127 Millionen Einwohnern hat. Es liegen offiziell noch keine Verhandlungsdokumente zum Marktzugang in JEFTA vor. Aber die Chefunterhändler schauen während der Verhandlungen auf fertige Vertragswerke, allen voran die Transpazifische Partnerschaft (TPP), einer der am weitesten reichenden Handelsverträge der Welt, der aber noch nicht ratifiziert ist. Und in TPP hat Japan zugesagt, jegliche Zölle für die in Japan beliebten Käsesorten Cheddar, Gouda und Frischkäse aufzugeben. JEFTA soll weit darüber hinausgehen und die EU-Kommission hat im Interesse der europäischen Milchindustrie schon eingefordert, dass Japan für 40 Prozent aller Käsesorten die Zölle auf null senken soll. Das würde die japanischen Milcherzeuger schwer treffen, analysiert das Japan Family Farmers Movement. Es gibt auch einen Zusammenschluss zwischen japanischen Bauern und Verbrauchern, denn der Selbstversorgungsgrad mit Lebensmitteln liegt in Japan bei nur 39 Prozent. JEFTA würde die Ernährungssouveränität in Japan noch stärker untergraben.

Für die europäischen Agrarkonzerne bedeutet JEFTA ein weiteres Ventil für billige Exporte von europäischen Milch- und Fleischüberschüssen zu Preisen unterhalb der Produktionskosten. Diese unqualifizierte Öffnung von Märkten löst eine massive Preisspirale nach unten aus, sowohl durch die agrarpolitisch gewollte Exportorientierung als auch verschärft durch die geplanten Handelsabkommen, die künftig eine Marktöffnung in Europa durchsetzen sollen. Mit CETA muss die EU größere Mengen an Rind- und Schweinefleisch aus Kanada abnehmen. Schweinefleisch wird in Kanada zum Teil 60 Prozent billiger erzeugt als in Europa. Es finden intensive Handelsgespräche mit den Mercosur-Ländern statt, darunter Brasilien und Argentinien, die eine Öffnung der europäischen Märkte für südamerikanisches Rindfleisch vorsehen sollen. Noch in diesem Jahr beginnen die Handelsgespräche mit Neuseeland und Australien, die Milchprodukte nach Europa exportieren wollen. Solche neuen Handelsabkommen sollen mit den undemokratischen und viel kritisierten Instrumenten wie Investoren-Schiedsgericht und Regulatorische Kooperation ausgestattet werden. Damit können Konzerne leichter ihre Interessen an der Politik und an der Bevölkerung vorbei durchsetzen. Wichtige Verhandlungsdokumente sind nach wie vor für die meisten Politiker und für die Öffentlichkeit nicht oder nur mit großen Barrieren zugänglich.

Auf der Liste geplanter europäischer Handelsabkommen stehen viele Länder. Die europäische Landwirtschaft würde dabei auf Ebene der Bauernhöfe Federn lassen. Die kritische Auseinandersetzung um die europäische Handelsagenda geht mit Volldampf weiter, auch wenn TTIP derzeit auf Eis liegt, was ein Erfolg der deutschen und transatlantischen Bewegung gegen TTIP und Abkommen dieser Art ist. Nun gilt es, diese Arbeit fortzuführen. Dafür wird Ende April ein neues "Netzwerk gerechter Welthandel" gegründet, in der sich die TTIP-kritische Bewegung zwecks weiterer Informationsarbeit und Widerstand organisiert sowie zukunftsfähige politische Forderungen erarbeitet.

Berit Thomsen, Internationale Agrarpolitik
Weitere Infos: www.nouminren.ne.jplen/

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 410 - Mai 2017, S. 8
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juli 2017

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