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INTERNATIONAL/128: Honduras - Ureinwohner überwinden Hunger und Mangelernährung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. November 2014

Honduras:
Ureinwohner überwinden Hunger und Mangelernährung - FAO-Sonderprogramm verhilft zu besseren Ernten

von Thelma Mejía


Bild: © Thelma Mejía/IPS

In Estanisla Reyes' neuer Küche wird auf einem umweltfreundlichen Herd gekocht
Bild: © Thelma Mejía/IPS

Pueblo Nuevo, Honduras, 28. November (IPS) - Mitten in den Pijol-Bergen im nordhonduranischen Departement Yoro hat das Volk der Tolupan in der Ortschaft Pueblo Nuevo aus eigener Kraft den Hunger besiegt. Ihre jüngsten Kinder werden dadurch vor Unterernährung bewahrt.

Die Indigenen konnten sich gegen die Folgen der Dürre wappnen, die in diesem Jahr wieder in weiten Teilen des zentralamerikanischen Landes aufgetreten ist und die Produktion von Grundnahrungsmitteln erheblich beeinträchtigt hat. Die starke Trockenheit ist eine Folge des Klimawandels und des globalen Wetterphänomens 'El Niño'.

Seit zwei Jahren legt die Bevölkerung von Pueblo Nuevo Nahrungsvorräte an. "Früher waren die Monate Juni bis August immer sehr hart für uns. Wir hatten nicht genug Nahrungsmittel und mussten uns von Wurzeln ernähren. Wir sagten dann immer, 'der schwarze Juni' kommt", erzählt der 27-jährige Lehrer Tomás Cruz. "Inzwischen können wir aber unsere Kinder vernünftig ernähren."


FAO-Programm unterstützt Umstellung von Anbaumethoden

Die Umstellung gelang den Bewohnern des Dorfes mit Unterstützung des von Kanada finanzierten Sonderprogramms für Ernährungssicherheit (SPFS) der Weltagrarorganisation FAO. Im Rahmen des Programmes werden erprobte Techniken wie das Anpflanzen unterschiedlicher Kulturen, eine kostengünstige Bewässerung von Feldern und erschwingliche Drainage-Systeme eingesetzt.

Bei einer Untersuchung stellte SPFS in 73 der 298 Gemeinden in Honduras ernste Mangelernährungsprobleme fest. Darunter befanden sich Pueblo Nuevo und sechs weitere von Tolupan bewohnte Ortschaften in Yoro. In 217 Fällen wurden bei Kindern unter fünf Jahren Anzeichen von Unterernährung erkannt.

Pueblo Nuevo ist inzwischen zum Modell für die übrigen Dörfer geworden, weil es die etwa 750 Bewohner in zwei Jahren geschafft haben, die Unterernährung bei Kindern zu überwinden. Die Siedlung war gebaut worden, nachdem der Wirbelsturm 'Mitch' 1998 das Land verwüstet und etwa 20.000 Menschen in den Tod gerissen hatte. Die Infrastruktur und die gesamte Wirtschaft wurden schwer geschädigt.


Jedes vierte Kind unter fünf Jahren mangelernährt

Offiziellen Daten zufolge leidet in Honduras jedes vierte der insgesamt rund 800.000 Kinder unter fünf Jahren unter chronischer Mangelernährung.

In dem Land leben insgesamt 8,4 Millionen Menschen, von denen 90 Prozent Mestizen, zwei Prozent Weiße, drei Prozent 'Garifunas' (Nachfahren gestrandeter schwarzer Sklaven) und sechs Prozent Indigene sind. Die 18.000 Tolupan gehören einer von insgesamt 31 in Honduras beheimateten Ethnien an.

Nach Ansicht von César Alfaro, dem Experten von SPFS und FAO in der Region, haben die Tolupan verstanden, dass sie ihre Lebensweise ändern und bewährte Praktiken beim Ackerbau, der Hygiene und der Nahrungssicherheit umsetzen müssen. Die Dorfbewohner erkennen ihrerseits Alfaros Unterstützung als fundamental an.

"Als wir hierhin kamen, konnten die Lehrer keinen Unterricht abhalten. Überall lag Viehmist herum, es herrschte Unordnung und die Menschen schliefen neben ihren Tieren mitten im Dreck", erinnert sich Alfaro. Inzwischen ist Pueblo Nuevo ein sauberes Dorf. Die strohbedeckten Lehmhütten wurden saniert, die Wände leuchten in frischem Weiß. Die Küchen verfügen über umweltfreundliche Kochgelegenheiten, die Tiere sind ausgesperrt. Auch wurden die Schlafräume separiert.


Trinkwasser aufbereitet

Das rund 200 Kilometer von der Hauptstadt Tegucigalpa entfernte Dorf ist ein Paradebeispiel für gelungene Teamarbeit. Neben jeder Hütte befinden sich ein Familiengarten und ein Hühnerstall. Es gibt sogar sauberes Trinkwasser, das in einer von der Dorfgemeinschaft betriebenen Anlage gereinigt wird. Die einst unterernährten Kinder werden von Ärzten versorgt und betreut. Ihren Eltern wurden Basiskenntnisse der gesunden Ernährung und des Umweltschutzes vermittelt.

Auch die fünfjährige Angeline Nicole, die jüngste Tochter von Estanisla Reyes, hatte früher Mangelerscheinungen. "Jetzt ist mein kleines Mädchen wieder gesund", freut sich Reyes. Mit ihrem Mann hatte die Frau die Wände ihrer neuen Küche hochgezogen. 15 Tage à zwölf Stunden brauchte das Paar, um ihre Wohneinheit auf Vordermann zu bringen.

Die Bevölkerung von Pueblo Nuevo ist froh, dass sie nicht anderswo für Geld arbeiten oder ihr Vieh verkaufen muss, um sich ernähren zu müssen. "Früher kam es vor, dass wir unseren Besitz verpfänden mussten. Nun verkaufen wir Mais, Bohnen, Obst und Avocados", berichtet Narciso 'Chicho' Garay.


Organischer Dünger und Müllrecycling

Auf Brandrodung wird inzwischen verzichtet. Die indigenen Kleinbauern setzen organischen Dünger ein und recyceln ihren Müll. Einen Teil ihrer Einkünfte legen sie in einem gemeinsamen Fonds an, aus dem sie unter anderem die Trinkwasseraufbereitung finanzieren.

Die Bohnenernte pro Hektar Land konnte auf 1.800 Kilo verdreifacht werden, und die Maiserträge stiegen sogar von 900 auf 3.000 Kilo pro Hektar. Und die Menschen wissen inzwischen, dass eine sechsköpfige Familie etwa 2.400 bis 2.800 Kilo Mais im Jahr benötigt.

Sandro Martínez, Bürgermeister der Gemeinde Victoria, erfreut sich an dem Wandel in Pueblo Nuevo. Nach der Hungersnot im Jahre 2010 wandte er sich an die FAO, die daraufhin in den Dörfern ernährungssichernde Maßnahmen durchführte. Das Projekt war seiner Meinung nach vor allem deshalb erfolgreich, "weil die Dorfältesten und die Weltsicht der Indigenen respektiert wurden". (Ende/IPS/ck/2014)


Links:
http://www.ipsnews.net/2014/11/indigenous-community-beats-drought-and-malnutrition-in-honduras/
http://www.ipsnoticias.net/2014/11/pueblo-indigena-vence-a-la-sequia-y-la-desnutricion-en-honduras/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 28. November 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Dezember 2014