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INTERNATIONAL/121: Ägypten - Erst Fischzucht, dann Landwirtschaft, Aquakultur-Experten fordern Umdenken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Juli 2014

Ägypten: Erst Fischzucht, dann Landwirtschaft - Aquakultur-Experten fordern Umdenken

von Cam McGrath


Bild: © Cam McGrath/IPS

Fischkäfige am Nil
Bild: © Cam McGrath/IPS

Kairo, 28. Juli (IPS) - Weniger als fünf Prozent des ägyptischen Festlandes eignen sich für die Landwirtschaft. Die meisten Anbaugebiete befinden sich im dicht bevölkerten Niltal und Nildelta. Da sich die Zahl der Einwohner von derzeit etwa 85 Millionen bis zum Jahr 2050 aller Voraussicht nach verdoppeln wird, suchen die Behörden mit Hochdruck neue Wege zur Ernährungssicherung.

"Ägypten muss Wasser und Böden klüger für die Nahrungsproduktion einsetzen", meint Malcolm Beveridge, ein Experte für Aquakultur. "Es würde Sinn machen, Aquakultur und Landwirtschaft zusammenzuführen, um die Nahrungsproduktion zu steigern."

Untersucht werden zurzeit die Möglichkeiten der integrierten Aquakultur, bei der es vorrangig um die Entwicklung einer landbasierten marinen multitrophischen Aquakultur geht, in denen verschiedene Arten wie Algen, Fische, Garnelen und Muscheln in einem gemeinsamen System kultiviert werden. Der Vorteil besteht darin, dass sich Futter und Kot optimal wieder- und weiterverwenden lassen - für die Ernährung von Algen und für Düngezwecke.

Damit können Synergien zwischen Fischfang, Viehzucht und Landwirtschaft geschaffen werden. "Ein umfassender Ansatz wäre der logische nächste Schritt für eine Aquakultur-Industrie in Ägypten, durch die sich der Wasserverbrauch deutlich drosseln und die Einnahmen der Fischer steigern lassen", sagt Beveridge.


Rasante Zunahme der kommerziellen Fischzucht

Der ägyptische Aquakultur-Sektor hat in den vergangenen Jahrzehnten ein rasantes Wachstum erlebt. Die jährliche Produktion von Zuchtfisch kletterte von etwa 50.000 Tonnen Ende der 1990er Jahre auf mehr als eine Million Tonnen im vergangenen Jahr. Die Menge überstieg die gesamte Produktion der übrigen nahöstlichen und der afrikanischen Staaten.

Die übliche Zuchtmethode in Ägypten, die darin besteht, eine Grube zu graben und diese mit Wasser und Fischen zu füllen, hat allerdings einen großen Nachteil. Ein jahrzehntealter Regierungserlass schreibt vor, dass das Nilwasser in erster Linie zur Trinkwasserversorgung und Bewässerung von Feldern verwendet werden soll. Die Fischzucht findet weiter stromabwärts statt, wo das Wasser schmutziger ist. Auf diese Weise werden die Fische verseucht und die Produktivität begrenzt.

"Mehr als 90 Prozent der Aquakultur in Ägypten wird mit Drainagewasser aus der Landwirtschaft betrieben, mit einem hohen Anteil an Pestiziden, Abwässern und Rückständen aus der Industrieproduktion", erklärt Sherif Sadek, Geschäftsführer des in Kairo ansässigen Aquakultur-Beratungsbüros. "Warum nutzen wir Wasser zuerst für Landwirtschaft und nehmen dann Abwässer für die Aquakultur?" fragt er. "Besser wäre es andersherum - zuerst sollte Wasser für die Fischzucht verwendet werden."

Die integrierte Aquakultur kehrt das bisherige Schema um. Davon profitieren sowohl die Fischzucht als auch die Felder. In Ägypten steckt das Verfahren zwar noch in den Kinderschuhen, doch auch dort haben bereits mehrere Projekte die wirtschaftliche Tragfähigkeit unter Beweis gestellt.

Auf der Al-Keram-Farm in der Wüste nordwestlich der Hauptstadt Kairo verwenden die Bauern gepumptes Wasser für die Zucht von Buntbarschen. Das Wasser wird dann aufbereitet und zur Zucht von Welsen weiterverwendet. Da das verbrauchte Wasser aus den Welsbecken reich an organischen Nährstoffen ist, wird es schließlich zur Bewässerung und Düngung von Klee verwendet. Aus den Exkrementen von Schafen und Ziegen, die auf diesen Feldern grasen, wird Biogas gewonnen, das die Reservoirs erwärmt, in denen die Fischbrut aufgezogen wird.

"Das Projekt hat gezeigt, wie Bauern, die Aquakultur betreiben, seitdem sie ihre Felder wegen der Versalzung der Böden nicht mehr bestellen konnten, ihre Produktivität und ihre Gewinne steigern können, obwohl sie nicht mehr Wasser als vorher benötigen", sagt Sadek.

In urbar gemachten Wüstengebieten werden auch andere Fische wie Wolfsbarsche und Seebrassen gezüchtet. Wasser aus dem Unterlauf des Nils wird zunächst in Becken mit Buntbarschen geleitet, die Wasser mit einem hohen Salzgehalt vertragen. Laut Sadek kann die Salzlake später zur Bewässerung von Salicornia-Pflanzen verwendet werden, die zur Herstellung von Biotreibstoff, Viehfutter sowie als Gourmet-Salatzutat dienen.


Optimaler Ressourceneinsatz

Entwicklungsexperten halten die Aquakultur für sehr effizient, da sie bis zu 70 Prozent weniger Wasser erfordert als nicht integrierte Produktionsmethoden. Die Weiterverwendung von Abwässern ist zudem kostenschonend. Arme Bauern brauchen kein zusätzliches Geld für Düngemittel ausgeben.

Nach Ansicht von Beveridge können selbst kleine ägyptische Aquakultur-Betriebe von integrierten Methoden profitieren, die es ihnen ermöglichen, das ganze Jahr über kommerziell Nahrung zu produzieren. Ägyptens Aquakultur habe allerdings das Problem, dass die Zuchtperioden recht kurz seien, erklärt er. "Von Dezember bis Februar sind die Temperaturen für die nachhaltige Fischzucht zu niedrig. In diesem Zeitabschnitt verlieren Züchter viele Fische durch Stress und Krankheiten."

Pilotstudien haben aber auch gezeigt, dass Fischzüchter an dem Schlamm an Boden der Fischtröge auch verdienen können. "Man sollte die Becken im November trocknen lassen, den Fisch entnehmen und dann Weizen am Boden der Tröge pflanzen", erläutert Beveridge. "Das Getreide kann dann im März geerntet werden, bevor wieder Wasser für die Fischzucht in die Reservoirs geleitet wird." (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/07/fish-before-fields-to-improve-egypts-food-production/

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IPS-Tagesdienst vom 28. Juli 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Juli 2014