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FORSCHUNG/681: "Glaubt nicht alles, was im Lehrbuch steht!" (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 320 - März 2009
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Glaubt nicht alles, was im Lehrbuch steht!"
Ein Gespräch mit Onno Poppinga anlässlich seines Ausscheidens aus dem Universitätsbetrieb

Von Marlene Herzog


Onno Poppinga ist Professor am Fachbereich für ökologische Landwirtschaft in Witzenhausen. Ende März dieses Jahres tritt er in den Ruhestand. Der Wissenschaftler und AbL-Bauer im Nebenerwerb hat ein kritisches Auge auf die Agrarpolitik.


BAUERNSTIMME: Herr Poppinga, warum Professor und nicht Bauer?

ONNO POPPINGA: Ich komme aus einer Familie, die einen Pachthof in Ostfriesland hatte. Den Pachthof hat mein älterer Bruder übernommen. Da war klar, ich habe keinen Hof zu erwarten, weshalb ich Landwirtschaft studiert habe. Nachdem ich die Professorenstelle in Kassel bekommen hatte, habe ich gemeinsam mit meiner Familie einen kleinen Nebenerwerbsbetrieb in Holzhausen aufgebaut.

BAUERNSTIMME: Die Verknüpfung von Wissenschaft und dem Beruf des Bauern ist ein großer Spagat.

ONNO POPPINGA: Es ist ein Spagat, ja. Aber meine Güte, wenn du ein bisschen trainiert bist, ist Spagat keine schwierige Aufgabe. Das hat ja jeder Bauer in seinem Betrieb auch drin, wenn er nicht nur auf eine einzige Tätigkeit spezialisiert ist. Er muss immer Dinge miteinander verknüpfen, wenn er sie begreifen will. Also wie soll ich denn als Jemand, der Agrarpolitik unterrichtet, zu sinnvollen Fragen kommen, wenn ich keinen praktischen Bezug zur Landwirtschaft habe?

BAUERNSTIMME: Sie sind einer der Gründerväter der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. Werden Sie sich im Ruhestand wieder mehr bei der AbL engagieren?

ONNO POPPINGA: Die Verbindung mit der AbL ist mir immer unheimlich wichtig gewesen. Es gab und gibt immer eine enge Verbindung. Auch zwischen dem, was ich an Fragestellungen hier an der Uni bearbeitet habe und den Themen der AbL. Wir haben viele gemeinsame Projekte entwickelt und publiziert. Es gab eine Zeit, wo ich eher Distanz entwickelt habe. Das war, als die AbL sich viel zu sehr auf die Politik von Frau Künast und die Grünen eingelassen hat. Jetzt sehe ich aber bei der AbL eine gewisse Besinnung zurück zu den Wurzeln. Es wird wieder eher unabhängig von parteipolitischen Bindungen geschaut und Stellung genommen. Ich fühle ich mich jetzt wieder näher bei der AbL als in der Zeit, in der Frau Künast Ministerin war.

BAUERNSTIMME: Was bedeutet es für die Universität, wenn Ihr Arbeitsschwerpunkt jetzt wegfällt?

ONNO POPPINGA: Wir haben immer gehofft, dass der Fachbereich ökologische Landwirtschaft selbst ein Interesse daran entwickelt, dass diese Arbeit weitergeführt wird. Der Fachbereich hat diesbezüglich aber nie etwas unternommen. Gleichwohl ist es für mich jetzt ein ausgesprochen großes Vergnügen zu sehen, dass jetzt eine Gruppe von Studierenden diese Frage an den Fachbereich heranträgt, weil die ökologische Landwirtschaft in besonderer Weise von agrarpolitischen Entscheidungen abhängig ist. Zumindest in Teilen haben die Professoren des Fachbereichs positiv reagiert. Und ich hoffe, dass dann wieder eine Stelle entsteht, die sich mit kritischer Agrarpolitik beschäftigt.

BAUERNSTIMME: Was war das Besondere an Ihrer Lehre?

ONNO POPPINGA: Unsere Absicht war es immer, die Frage aufzuwerfen, wie selbstkritisch ist eigentlich Wissenschaft? Das ist sie nämlich äußerst wenig. Eine ganz zentrale Arbeitsweise war es deshalb immer, und das versuche ich auch immer den Studenten bei zu bringen: Glaubt nicht alles, was im Lehrbuch steht! Überlegt, ob das sein kann. Und wenn ihr Widersprüche seht, meint nicht immer nur, ihr habt was Falsches gesehen. Es kann auch sein, dass der Andere was Dummes erzählt hat. Dafür gibt es auch einen bewährten, guten wissenschaftlichen Ausdruck: Quellenkritik. Arbeite quellenkritisch! Prüfe!

BAUERNSTIMME: Vielen Dank für das Gespräch


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 320 - März 2009, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2009