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MELDUNG/082: Erstmals eine Briefmarke zu Erntedank (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 23. September 2010

Erstmals eine Briefmarke zu Erntedank

BM Schäuble würdigt mit Sonderbriefmarke vertrauten Brauch des Erntedanks


Das Bundesfinanzministerium hat erstmals eine Sonderbriefmarke mit dem Wert von 55 Cent zum Erntedank herausgegeben. Die Briefmarke wird ab 7. Oktober in einer Auflage von 7 Millionen Stück in den Verkaufsstellen der Deutschen Post erhältlich sein. Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble hat in einem schriftlichen Beitrag betont, dass der Dank für die Ernte, die eine Grundlage zum Überleben sei, heute stärker mit dem Gedanken an eine gerechte Verteilung der Güter verbunden werde. Erntedank stehe auch für eine Teilhabe aller Menschen an der der Ernte dieser Welt. Auch die Verantwortung für die Bewahrung unserer Umwelt und ihrer lebenswichtigen Ressourcen für heutige und zukünftige Generationen rücke für viele Menschen in den Mittelpunkt.

Bei der festlichen Übergabe der Briefmarke im Haus der Evangelischen Kirche Deutschlands in Berlin betonte der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, das herausragende Symbol der Ähre für den bäuerlichen Berufsstand. Es sei ein Symbol für die bäuerliche Arbeit, für Saat, Pflege und Ernte und für den Zusammenhalt in Familien, Dorfgemeinschaft und Berufsstand. Er erinnerte an die schwierigen Verhältnisse, unter denen die Ernte 2010 in Deutschland, aber auch in Europa und weltweit eingefahren wurde. Die Abhängigkeit der Menschheit von Natur und Wetter sei nach wie vor gegeben. Sonnleitner bedankte sich bei den Initiatoren der Briefmarke, der Evangelischen Kirche Deutschlands und dem Kommissariat der Deutschen Bischöfe.

Der EKD-Ratsbeauftragte für agrarsoziale Fragen Dr. Clemens Dirschel bedauerte in seiner Festansprache, das in modernen Agrar- und Ernährungsproduktionen der Wert und das Schätzen der Ernte immer weniger Beachtung geschenkt werde. In Zeiten von Knappheit, wie nach dem Zweiten Weltkrieg in Europa oder heute in den Entwicklungsländern, werde die Ernte als Kostbarkeit angesehen. Mit einem gesättigten Bedarf an Essen, Trinken, Wohnung, Kleidung und Mobilität stelle sich leider keine Dankbarkeit ein, sondern würden fremd gesteuerte kommerzielle Bedürfnisse erweckt und materielle Glücksversprechen an Akzeptanz gewinnen. "Wir kaufen dann Dinge, die wir nicht brauchen, von Geld, das wir nicht haben, um Leute zu beeindrucken, die wir nicht mögen", betonte Dirschel. Das schaffe kein Glück, ja nicht einmal Zufriedenheit, sondern höchstens oberflächliche Befriedigung und Abwechslung. Erntedank könne Anlass zum Be-Sinnen der eigenen Lebensbilanz der Zufriedenheit werden. Man müsse darüber nachdenken, ob der heutige Lebensweg in die richtige Richtung führe und mehr menschliches Lebensglück bringe. Dazu gebe auch die Erntedankbriefmarke einen Hinweis. "Nicht riesige Lager von Obst-, Gemüse- oder Getreidebeständen finden wir auf der Briefmarke, sondern puristisch, ja fast minimalistisch einzeln angedeutete Früchte - und eine Getreideähre ist abgedruckt." Dirschel forderte auf, anlässlich Erntedank eine Wertedebatte zu führen, um die wahren Lebensschätze wieder zu erkennen. Die Ernte müsse gesellschaftlich wieder mehr wert geschätzt werden.


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Erntedank: Ein Fest von Kirche und Landwirtschaft

Erntedank-Briefmarke würdigt Leistungen der Bauernfamilien


Danken und Denken - beides gehört heute zum Erntedankfest, dessen Wurzeln bis ins dritte Jahrhundert in das Gebiet der Germanen zurückzuverfolgen sind. Anlässlich der Herausgabe der ersten Briefmarke zu Erntedank 2010 durch das Bundesfinanzministerium hat die Geschäftsführerin der Katholischen Landvolkbewegung (KLB), Katharina Knierim, die Entwicklung von Erntedank aufgezeigt. Der Text ist im Folgenden wiedergeben:

"Tief steht die blasse Sonne hinter der ausgereiften und vollen Getreideähre auf der Briefmarke zum Erntedank. Ein Zeichen, dass der Sommer sich dem Ende zuneigt, dass Früchte und Saaten reif und ausgewachsen auf die Ernte warten.

Die Ernte spielt in allen Kulturen und Religionen, in allen Teilen der Welt eine große Rolle. Am Ende der Ernte steht der Rückblick: Der Mensch erlebt den Prozess des Säens, Wachsens und Vergehens innerhalb eines Jahreszyklus und begleitet ihn mit Ritualen. Die Abhängigkeit von Klima und Natur, von höherer Gewalt, veranlasste die Menschen schon in früheren Zeiten, ihren Dank auszudrücken. Bereits die alten Griechen feierten Erntefeste zu Ehren der Muttergöttin Demeter, im Norden Europas wurde zur Tagundnachtgleiche im Herbst gefeiert und die Israeliten feierten das Fest der ungesäuerten Brote zu Beginn der Getreideernte und das Laubhüttenfest zum Abschluss der Obst- und Weinernte.

In der christlichen Kirche finden sich Belege für Erntedankfeiern schon im dritten Jahrhundert. Dabei orientierte sich die frühe Kirche in den germanisch geprägten Gebieten an einem vorchristlichen Erntedankfest zu Ehren des germanischen Gottes Wotan, für den die letzten Früchte auf dem Feld stehen gelassen wurden. Heute steht das christliche Michaelisfest am 29. September an seiner Stelle. Die evangelischen Christen entwickelten bereits um 1700 aus Danksagungen für die eingebrachte Ernte Formen des heutigen Erntedankfestes, das am ersten Sonntag nach Michaelis - also meistens am ersten Oktobersonntag - gefeiert wird. Der erste Sonntag im Oktober ist auch der Festagstermin für katholische Christen.

In vielen Regionen und Gemeinden gehört Erntedank und das anschließende Fest als vertrautes und kostbares Brauchtum zum Jahreslauf dazu. Erntekranz und Erntekrone - aus reifen Ähren und Stroh geflochten - bleiben mancherorts auch heute noch das ganze Jahr sichtbar hängen. Sie wurden früher den Landbesitzern von ihren Knechten und Mägden überreicht und galten als Signal, die Arbeit und Mühe des ganzen Jahres durch Lohn, Speis und Trank und gemeinsames Feiern anzuerkennen. Erntekronen werden auch in vielen Orten in festlich geschmückten Umzügen durch das Dorf getragen, auch der Tanz zum Erntedankfest gehört dazu. Im Gebirge fällt der Erntedanktag oft mit dem sogenannten Almabtrieb zusammen. Bunt geschmückte und mit Glocken behangene Kühe, die den Sommer auf der Alm verbracht haben, werden wieder zurück ins Tal getrieben. Das gemeinsame Festessen in der Familie gehört zum Beispiel zum "Thanksgiving" in Amerika oder Erntesuppe (Hotchpotch) in Schottland. In der Kirche schmücken Erntegaben, wie Ähren und Garben, Gemüse, Früchte und Blumen, als bunte Farbtupfer Altar und Kirchenräume. Auch Prozessionen, Sammlung von Naturalien zur Weitergabe an Notleidende und die Segnung der Ernte gehören dazu.

Für eine gute Ernte sind natürliche Bedingungen, wie Boden und eine gute Witterung, genauso notwendig wie Können, Fleiß und Pflege. Und doch ist es den Menschen bewusst, dass nicht alles in des Menschen Hand liegt und an "Gottes Segen alles gelegen ist". Dabei rückt heute immer stärker in das Bewusstsein, dass wir als Menschen Teil der Schöpfung und in den Naturkreislauf eingebunden sind.

Der Dank für die Gaben zum Leben ist heute also stärker mit dem Gedanken an eine gerechte Verteilung der Güter verbunden, an eine Teilhabe aller Menschen an der Ernte dieser Welt. Angesichts von Hungerkatastrophen und täglichem Überlebenskampf vieler Millionen Menschen stehen wir vor einer überwältigenden Aufgabe. Danken und Denken - beides sollte daher unbedingt zum Erntedankfest gehören. Denn die Fragen, wovon wir leben, was wir zum Leben wirklich brauchen und wie wir die Lebensgrundlagen für die Zukunft erhalten können, haben grundlegend mit unserem Lebensstil und Lebensinhalt zu tun. Die Bewahrung der Umwelt vor den unwägbaren Folgen des Klimawandels, der Erhalt der Vielfalt unserer Tier- und Pflanzenwelt, der sparsame Umgang mit den natürlichen Ressourcen dieser Welt, die Wertschätzung unserer hochwertigen Lebensmittel setzen einen nachhaltigen und verträglichen Lebensstil voraus, der die Teilhabe der Menschen heute verbessert und die Zukunft der Menschheit im Blick behält.

Das Postwertzeichen zum Erntedank 2010 mit dem Wert von 55 Cent zeigt eine volle Getreideähre im Licht der Sonne. Getreide, die Grundlage für unser tägliches Brot, ist in unserem westlichen Kulturkreis ein besonderes Lebensmittel mit hohem symbolischem Wert. In einem vertikalen Band erinnert die Auswahl von Kürbis, Zwiebel, Trauben, Äpfel und Birnen an die reiche und bunte Ernte, die wir nicht nur am Ende des Sommers, sondern inzwischen zu jeder Jahreszeit auf unserem Tisch vorfinden können. Angesichts einer Vielzahl von sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Problemen, die es für die Zukunft zu lösen gilt, ist das christliche Bild von der geschenkten Fülle des Lebens, an der alle teilhaben sollen, ein positiver Ansporn zur Gestaltung des Wandels."


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Quelle:
Pressemitteilung vom 23. September 2010
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
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Mail: presse@bauernverband.net
Internet: www.bauernverband.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 24. September 2010