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LATEINAMERIKA/1565: Argentiniens Ex-Präsidentin kehrt zurück auf die politische Bühne (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Argentinien

Im Rampenlicht: Argentiniens Ex-Präsidentin kehrt zurück auf die politische Bühne


(Montevideo, 14. April 2016, la diaria-poonal) - Die Anhänger*innen des Kirchnerismus hatten am 13. April allen Grund sich zusammenzuschließen und auf die Straße zu gehen. Die gerichtliche Vorladung von Cristina Fernández führte zu einer riesigen Veranstaltung, bei der die Ex-Präsidentin auf die Bühne des öffentlichen Diskurses zurückkehrte. Dabei stellte die ehemalige Staatschefin die Politik der Regierung von Mauricio Macri in Frage, kritisierte das Vorgehen mehrerer Richter*innen und forderte dazu auf, "eine Bürgerfront" zu bilden, "um die Rechte zu verteidigen, die euch entrissen wurden". Zuvor hatte sie zudem die Möglichkeit, die Klage des Richters Claudio Bonadio abzuweisen und auf gegen sie gerichtete Anschuldigungen zu antworten.


Kirchner gibt sich kämpferisch

"Danke für dieses Willkommensgeschenk", rief Fernández den Tausenden von Personen zu, die sich versammelten, um ihr bei ihrer Aussage vor dem Gericht von Bonadio den Rücken zu stärken. "Sie können mich noch 20 Mal vorladen, sie können mich ins Gefängnis stecken, aber sie werden nicht erreichen, dass ich aufhöre zu sagen, was ich denke", versicherte sie.

Bevor sich die Ex-Präsidentin von der Menge verabschiedete, erklärte sie zudem: "Macht euch um mich keine Sorgen. Ihre wisst, dass ich freiwillig und ausdrücklich auf Sonderrechte verzichtet habe. Sie haben sich damit abgemüht zu verbreiten, ich würde einen Posten oder ein Amt einfordern. Ich brauche diese Sonderrechte nicht, ich habe die Unterstützung des Volkes".


Scharfe Kritik an der Regierung Macris

Während ihrer Rede kritisierte Fernández die Regierung Macris und wies dabei auf die Entlassung von mehreren Tausend Angestellten im öffentlichen Sektor und den Anstieg der Gebühren für öffentliche Leistungen - Strom, Gas und Transport - hin. "Niemals habe ich so viel Unrecht in 120 Tagen gesehen", so Kirchner. Mit dieser Feststellung rief sie die Argentinier*innen dazu auf, eine Bürgerfront zu bilden, um "jene Rechte einzufordern, die euch entrissen wurden". Dabei mahnte sie, niemand sollte danach gefragt werden, für wen er oder sie bei den vergangenen Präsidentschaftswahlen gestimmt habe, sondern wie es den Menschen gegangen sei, als Macri am 10. Dezember 2015 das Präsidentschaftsamt übernahm, und wie es ihnen heute gehe. Der Bürgerfront würden sich, so Kirchner, Menschen anschließen, die "niemals zu Kirchneristen werden", aber die genauso die Rechnungen bezahlen und ihre Einkäufe im Supermarkt erledigen müssen, ein Gang der "zu einer Odyssee geworden ist".

Auch sprach sie über die Medien und wie diese über den Skandal der Panama Papers und die Beteiligung Macris an Offshore-Unternehmen berichten würden: "Jene, die uns auf die Bühne des Weltgeschehens bringen wollten, haben uns dort hingebracht. Wir erscheinen auf allen Titelseiten der internationalen Medien, außer den argentinischen. Aufs Neue versuchen die Medien, die Sonne mit den Händen zu verdecken". Was die Konten von Präsident Macri betrifft, stellte sie klar, "jene, die den Weg der Gelder der K [der Kirchners, Anm. d. Ü] nachgehen wollten, sind auf den Weg der Gelder der M gestoßen". Wie die Tageszeitung Página 12 berichtete, fing das Publikum dabei zu singen an: "Lasst uns springen, lasst uns springen... Wer nicht springt, hat Konten in Panama".


Politik der Regierung Kirchners vor Gericht

Die Ex-Präsidentin ist in zwei gerichtliche Untersuchungen involviert. Am 11. März 2016 forderte ein Richter, sie solle im Rechtsstreit über angebliche Geldwäsche durch den Unternehmer Lázaro Báez befragt werden. In diesem Zusammenhang wurde am 13. März dieses Jahres Leonardo Fariña aus der Haft entlassen, der sich "reuig" gezeigt und den Ex-Präsidenten Néstor Kirchner in die Angelegenheit verwickelt hatte. Im Gegenzug zur Freilassung musste er sich freiwillig dem Zeugenschutzprogramm unterstellen.

Bei der zweiten Untersuchung handelt es sich um die von Bonadio geleitete Ermittlung, welche einem angeblichen "Betrug gegen die öffentliche Verwaltung" durch den Verkauf von US-Dollar auf Termin zu einem niedrigen Kurs nachgeht. Grund des Rechtsstreites ist, dass bei diesem Vorgehen ein für den US-Dollar niedrigerer Wert angesetzt wurde, als ihn dieser voraussichtlich hätte erreichen können, wenn Macri, als neuer Präsident, sein Versprechen einhalten würde, die Beschränkungen für den An- und Verkauf von US-Dollar aufzuheben (was zum damaligen Zeitpunkt noch ungewiss war). Der Preisunterschied zwischen dem projizierten und tatsächlichen Dollar-Wert bedeutete einen Verlust für den argentinischen Staat.

Ebenfalls am 13. März 2016 bestätigte zudem das Berufungsgericht in New York das Urteil des US-amerikanischen Richters Thomas Griesa, welches Argentinien im Konflikt mit den Hedgefonds bzw. Holdouts von den unter der Regierung Kirchners geltenden Beschränkungen befreit, Anleihen der Gläubiger zurückzuzahlen. Die Entscheidung ermöglicht Argentinien den Zugang zu den internationalen Märkten, um dort Schuldtitel zu emittieren und die nötigen Mittel einzutreiben, um aus dem Zahlungsausfall zu gelangen. Der argentinische Finanzminister Alfonso Prat-Gaz gab am 13. April bekannt, das Team für Wirtschaftsangelegenheiten des Präsidenten Mauricio Macri habe geplant, die Emissionen der Bonds am 18. April zu tätigen und das Angebot am darauf folgenden Tag zu schließen. Die Zahlungen an die Fonds der Finanzspekulanten haben daraufhin am 22. April begonnen.


Vorwurf richterlicher Inkompetenz und politischer Verleumdung

Als Fernández am 13. April vor dem Gericht auftrat, war Bonadio noch nicht im Saal. Als er eintraf, setzte er sich mit dem Rücken zur Ex-Präsidentin ohne zu grüßen und zog sich bereits zurück, bevor Fernández ihre Aussage beendete, wie die Tageszeitung La Nación berichtete. Fernández, die ihre gerichtliche Erklärung vorlas, wies die Vorwürfe Bonadios zurück und warf diesem vor, ihr gegenüber eine "klare politische Abneigung" zu zeigen. Sie lehnte es ab, Fragen zu beantworten, da sie damit sonst "die offensichtliche Willkür, Rechtswidrigkeit sowie fachliche und professionelle Inkompetenz [des Richters, Anm. d. Ü.] billigen würde". Hinsichtlich des Verdachts auf Beteiligung an rechtswidrigen Gesellschaften erklärte Fernández, die einzige Organisation, der sie angehört habe, sei die Regierung gewesen, an die sie zwei Mal durch die Wahl der Bevölkerung gelangt war.

Während Fernández de Kirchner ihre Erklärung vorlas, erinnerte sie daran, dass "jedes Mal, wenn eine politische Bewegung national-populären Charakters gestürzt wurde oder ihr Amt beendete, die Folgeregierung von einer systematischen Disqualifizierung der Führungsspitze Gebrauch machte. Und zwar, indem sie dieser schwere Straftaten in Zusammenhang mit Missbrauch ihrer Amtsgewalt, weitverbreiteter Korruption und der unrechtmäßigen Beschaffung von Vermögen vorwarf." Fernández erklärte, "die wirklichen Gründe waren immer die gleichen: auf der einen Seite, die Errungenschaften und erworbenen Rechte der Gesellschaft vom Tisch zu fegen; auf der anderen Seite ging es darum, Anpassungsmaßnahmen und Verschuldung - ein untrennbares Paar - aufzuzwingen, wobei durch die Korruptionsvorwürfe diese beiden Ziele vertuscht werden sollten." Als Beispiel nannte sie die Situation Hipólito Yrigoyens und Juan Domingo Perons nach deren Amtszeit und jene die verschiedene Personen während der letzten Diktaturzeit von 1976 bis 1983 erlitten. Ihrer Auffassung nach "ist für diese Art von Praktiken die Beteiligung der Justiz immer eine unerlässliche Voraussetzung".

Fernández beklagte: "Einmal mehr wiederholt sich die Geschichte und die Vergangenheit hält die Argentinier inSchach: Verschuldung, Geldentwertung, Entlassungen, politische Verfolgung, Erhöhung der Gebühren für essentielle und unverzichtbare öffentliche Güter, zügellose Preisanstiege" und weitere "Übel" der neuen Regierung. Ihrer Meinung nach, "sind zur Umsetzung des Anpassungs- und Elendsplans erneut Verleumdung und Plagen nötig" sowie das Argument, "jegliche Führungskräfte, die nationale Interessen und die des Volkes vertraten und vertreten, seien hoffnungslos korrupt".

Die Rechtsangelegenheiten, denen Fernández ausgesetzt ist, seien dafür "ein bedauerliches Beispiel." Die Ex-Präsidentin verneinte, dass es rechtfertigende Gründe dafür gäbe, sie vor Gericht zu laden. "Wie ich bereits öffentlich erklärte und nochmals betone: ich habe keine Angst vor ihnen. Ich stelle mich diesem Prozess und jeder anderen Rechtssache, die sie mir anhängen wollen."


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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. April 2016

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