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LATEINAMERIKA/1493: Kuba - Tauwetter in Beziehungen zu USA bringt auch größere Annäherung an Europa (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Januar 2015

Kuba: Tauwetter in Beziehungen zu USA bringt auch größere Annäherung an Europa

von Patricia Grogg


Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Kubanische Dissidenten, die Anfang des Jahres freigelassen wurden
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 21. Januar (IPS) - Parallel zu den Verhandlungen mit den USA über eine Normalisierung der bilateralen Beziehungen nach mehr als einem halben Jahrhundert Eiszeit will Kuba mit der Europäischen Union Gespräche über ein Kooperationsabkommen vorantreiben.

Während sich derzeit alle Augen auf den Beginn der Beratungen richten, die auf eine Wiederaufnahme der diplomatischen Kontakte zwischen Havanna und Washington abzielen, haben Kuba und Brüssel den 4. und 5. März für die dritte Runde ihrer Gespräche vorgemerkt, die Ende April 2014 in der kubanischen Hauptstadt angelaufen waren.

"Erst dachten wir, dass wir auf der Prioritätenliste ein wenig nach unten gerutscht wären. Jetzt lautet die Botschaft, dass das nicht der Fall sei und Kuba die Balance zwischen beiden Prozessen halten wolle. Das sind für uns gute Nachrichten", sagt der EU-Botschafter in Havanna, Hermán Portocarero.


Handels- und Reiseerleichterungen

Engere Beziehungen zwischen Kuba und der EU bestehen bereits seit 2008. Vertreter aus Havanna und Brüssel hatten vom 29. bis 30. April 2014 erstmals über ein künftiges bilaterales Abkommen zur Förderung des politischen Dialogs und der Zusammenarbeit gesprochen. Laut Portocarero sollen darin auch die Rolle der Zivilgesellschaft und andere wichtige Voraussetzungen für eine langfristige Zusammenarbeit geklärt werden.

Kuba ist das einzige lateinamerikanische Land, das bisher kein Kooperationsabkommen mit der EU abgeschlossen hat. Ein zweites Treffen fand im vergangenen August in Brüssel statt. Die für den 8. und 9. Januar anvisierten Beratungen wurden allerdings im Dezember von kubanischer Seite auf unbestimmte Zeit verschoben, angeblich wegen Terminproblemen.

Nach einem Jahr, das Kuba für den weiteren Ausbau seiner Beziehungen zu den übrigen lateinamerikanischen und karibischen Staaten sowie zu traditionellen Verbündeten wie China und Russland genutzt hat und das mit der spektakulären Ankündigung Washingtons zu Ende ging, befindet sich Havanna nun in einer veränderten Position gegenüber Brüssel.


Ausbau der Handelsbeziehungen

Hauptziel der kubanischen Diplomatie ist die Steigerung des Handels und vor allem eine Ankurbelung der Kapitalströme, nachdem ein neues Gesetz über Auslandsinvestitionen in Kraft getreten ist. Die EU ist derzeit Kubas zweitwichtigster Handelspartner nach Venezuela, dessen Wirtschaftsprobleme die weitere Entwicklung der weitreichenden venezolanischen Handelsbeziehungen zu Kuba in Frage stellen. Den aktuellsten verfügbaren Zahlen zufolge beliefen sich im Jahr 2013 die kubanischen Importe aus der EU auf insgesamt 2,12 Milliarden US-Dollar, während die Exporte 971 Millionen Dollar erreichten.

Analysten zufolge hofft die Regierung von Präsident Raúl Castro darauf, dass stabile Beziehungen unter dem Dach des mit der EU angestrebten Rahmenabkommens das Handelsvolumen erhöhen und eine Diversifizierung der Wirtschaft ermöglichen werden, zumal eine Normalisierung des Verhältnisses zu den USA eine Aufhebung des Embargos wahrscheinlich machen würde.

Portocarero geht davon aus, dass die neuen Kontakte Kubas zu dem Nachbarn im Norden all diese Prozesse beschleunigen werden. "Wenn die kubanischen Behörden die Balance halten wollen, sodass nicht alles von den USA monopolisiert wird, müssen sie uns die Aufmerksamkeit widmen, die wir verdienen."


EU durch 'Helms Burton Act' benachteiligt

Brüssel beobachtet mit Sorge, dass einige der von Washington angekündigten Maßnahmen den US-Finanzsektor begünstigen. Hingegen sieht sich die EU aufgrund der Reichweite des 1996 in Kraft getretenen 'Helms Burton Act', der das Embargo gegen Kuba verschärfte, weiterhin mit enormen Bußgeldern belegt, solange er nicht vom US-Kongress zurückgezogen wird.

"Dies schafft ein Ungleichgewicht, über das wir mit unseren Freunden in den USA sprechen müssen", so der EU-Botschafter. "Für uns ist es nicht hinnehmbar, dass der europäische Finanzsektor weiterhin Sanktionen und hohen Bußgeldern ausgesetzt ist, während im Fall der USA Beschränkungen aufgehoben sind."

Die Europäische Union hofft indes auf einen rascheren Wandel in Kuba. Portacarero sprach sich zudem dafür aus, dass Kuba sein Gesetz für ausländische Investitionen attraktiver gestalten sollte. Er wies darauf hin, dass derzeit etwa 30 Prozent des ausländischen Kapitals, das in Kuba investiert wird, aus der EU kommen.

Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Der Sitz der EU-Delegation in Havanna
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Kuba selbst gibt an, dass es zur Sicherung eines normalen Wirtschaftswachstums Investitionen in Höhe von jährlich 2,5 Milliarden Dollar benötigt. Die 465 Quadratkilometer große Sonderwirtschaftszone Mariel, die 45 Kilometer westlich von Havanna liegt, hat einen modernen Hafenterminal, der mit Hilfe von brasilianischem Kapital gebaut wurde. Ein breites Spektrum an Produktionsaktivitäten steht ausländischen Investoren offen.

Außenhandel und Zusammenarbeit bestimmten die Arbeitsagenda während der ersten und zweiten Verhandlungsrunde. Abschlussdokumente wurden aber noch nicht erstellt.


Heikle Themen

Für die Regierung in Havanna bleiben noch heikle Punkte zu klären. Fragen zu den Menschenrechten, zu der Zivilgesellschaft und guter Regierungsführung sollen im März diskutiert werden, wenngleich sie im Zusammenhang mit anderen Punkten bereits mehrfach angesprochen wurden.

Das sind heikle Themen für die kubanische Regierung, die sich jede diesbezügliche Einmischung verbittet. Brüssel und Washington hingegen würden diese Themen gern diskutieren.

Castro hatte erklärt, dass er zu einem Dialog über alle strittigen Themen bereit sei, die Kuba aber auch die USA beträfen, solange er von einem gegenseitigen Respekt geprägt sei.

In den ersten Januartagen hatte Havanna 50 Häftlinge, die von den USA als politische Gefangene eingestuft wurden, auf freien Fuß gesetzt. Sprecher der Regierung von Präsident Barack Obama stellten klar, dass die Menschenrechte bei den Verhandlungen mit Kuba weiterhin im Fokus bleiben würden.

Bei den laufenden Gesprächen geht es um Migrationsabkommen und Maßnahmen auf beiden Seiten gegen illegale Einwanderung und Menschenhandel sowie um die Wiedereröffnung der Botschaften beider Staaten. (Ende/IPS/ck/2015)


Link:

http://www.ipsnews.net/2015/01/cuban-diplomacy-looks-towards-both-brussels-and-washington/

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IPS-Tagesdienst vom 21. Januar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Januar 2015


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