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LATEINAMERIKA/1459: El Salvador - Radikalisierte Rechte gefährdet Regierungsfähigkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. März 2014

El Salvador: Radikalisierte Rechte gefährdet Regierungsfähigkeit

von Edgardo Ayala


Bild: © Francisco Campos/IPS

Arena-Anhänger vor dem Obersten Wahltribunal
Bild: © Francisco Campos/IPS

San Salvador, 13. März (IPS) - In El Salvador hat das Oberste Wahlgericht (TSE) Salvador Sánchez Cerén von der Regierungspartei FMLN offiziell zum Sieger der Präsidentschaftswahl erklärt. Beobachter gehen davon aus, dass die bei der Stichwahl vom 9. März knapp unterlegene rechtskonservative Arena-Partei die zweite FMLN-Amtszeit noch konsequenter boykottieren wird als in den letzten fünf Jahren.

Nach den jüngsten TSE-Angaben hat die Überprüfung einzelner Zwischenergebnisse bestätigt, dass Sánchez gegenüber Norman Quijano, seinem Herausforderer, mit 6.364 Stimmen im Vorteil ist. Somit bleibt es bei dem ursprünglichen Auszählungsergebnis, wonach der FMLN-Kandidat 50,11 Prozent und sein Konkurrent 49,89 Prozent der Stimmen errang.

Bei dem ersten Wahldurchgang am 2. Februar hatte Sánchez Cerén 48,93 Prozent der Stimmen erhalten. Damit war er nur knapp an einem Sieg vorbeigeschrammt, der die Hälfte aller Wählerstimmen plus eine weitere erforderlich macht. Quijano lag mit 38,95 Prozent weit abgeschlagen zurück.

Angestachelt durch den fast zehn prozentigen Stimmenzuwachs beim zweiten Wahldurchgang machten Quijano und andere Führungskräfte der Arena Stimmung gegen die FMLN und sprachen von Wahlbetrug. Doch sowohl nationale und internationale Wahlbeobachter hatten erklärt, dass es lediglich zu einigen wenigen und irrelevanten Anomalien gekommen sei.


"Auf Krawall gebürstet"

Angesichts des knappen Wahlergebnisses befürchten viele Beobachter, dass die Arena die nächste Regierungszeit der FMLN hemmungslos stören wird. "Es besteht kein Zweifel, die Arena ist auf Krawall gebürstet", meint die Sozialaktivistin Margarita Posada, Koordinatorin des Nationalen Gesundheitsforums. Sie geht davon aus, dass die Partei ihren bisherigen Konfrontationskurs weiter verschärfen wird.

In den letzten fünf Jahren hatten die Arena und Unternehmer in dem zentralamerikanischen Land so gut wie jede politische Entscheidung der Regierung des scheidenden Staatspräsidenten Mauricio Funes torpediert. Die Amtszeit des bekannten Journalisten, der mit seinem Sieg 2009 die 30-jährige Regierungszeit der Arena beendet hatte, läuft am 1. Juni aus. Im Mittelpunkt der Amtszeit des 54-jährigen Funes standen vor allem soziale Belange.

In El Salvador, dem kleinsten Land Zentralamerikas, leben 6,3 Millionen Menschen. 34,5 Prozent der Haushalte gelten als arm - drei Prozent weniger als vor dem Amtsantritt von Funes, der jetzt seinem Vizepräsidenten, einem Lehrer, Platz machen wird.

Der 70-Jährige war aber auch Kommandant der Volksbefreiungskräfte gewesen, die sich im Bürgerkrieg von 1980 bis 1992 mit vier anderen Rebellengruppen zur Nationalen Befreiungsfront Farabundo Martí (FMLN) zusammenschlossen. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen forderte der Krieg 75.000 Tote und Verschwundene und wurde 1992 durch die in Mexiko geschlossenen Friedensabkommen beendet.

Die Radikalisierung der Arena zeigte sich bereits am Wahlabend selbst, nachdem 4,9 Millionen Menschen zu den Urnen geschritten waren. Quijano erklärte sich zum Sieger, obwohl er gerade einmal 37 Prozent der Stimmen auf sich vereinigt hatte, und rief das Militär zu Wachsamkeit auf. Die mehrheitlich konservativen Kommunikationsmedien wiederum standen geschlossen hinter dem Arena-Kandidaten und nährten damit den Verdacht des Wahlbetrugs.

Zwei Tage später zogen hunderte ARENA-Anhänger vor das TSE, um gegen den vermeintlichen Wahlbetrug zu protestieren und eine Neuauszählung aller Stimmen zu fordern. Das TSE wies die Forderung zurück und prüfte lediglich die Akten der Wahlurnen, die von den Stimmauszählern und Vertretern beider Parteien unterzeichnet worden waren.

Am 12. März gab die Generalstaatsanwaltschaft, die die Wahlen überprüft hatte, bekannt, dass sie lediglich einen Fall festgestellt habe, in dem ein Wähler zwei Stimmen abgegeben hatte. Die Mitteilung erfolgte einen Tag nach der Ankündigung von Quijano, vor den Sitz der Generalstaatsanwaltschaft zu ziehen und gegen die Abgabe von 19.000 Doppelstimmen zu protestieren. Kurz danach warnte Quijano das TSE vor der Gefahr einer "Parallelgesellschaft", sollte das Gericht Sánchez als Wahlsieger anerkennen.


"Es geht um Destabilisierung"

"Die Arena hat völlig unnötig Spannungen hervorgerufen, denn in unserem Land ist eine Überprüfung aller Stimmen gar nicht vorgesehen", meinte Juan José Martel, ein Mitglied der Wahlbeobachtungsstelle. Auch er geht davon aus, dass sich die Opposition auf einen Konfrontationskurs einschießen wird. "Die Strategie dahinter ist klar erkennbar: Es geht ihr um Destabilisierung."

Einer der Schlüsselakteure, das Militär, hat inzwischen mitgeteilt, dass es das Wahlergebnis respektieren werde. "Die Streitkräfte bekräftigen ihren Respekt und ihre Treue gegenüber den staatlichen Institutionen", erklärte der Verteidigungsminister David Munguía in einer Fernsehansprache, während Arena-Anhänger vor dem TSE protestierten.

"Während der gesamten Wahlkampagne stand die Presse hinter der Arena", meinte der Journalist Leonel Herrera von der Vereinigung für Radios und partizipatorische Programme El Salvadors (Arpas). "Das Spiel, das sie treiben, ist gefährlich, denn anstatt sich für die Rechtsstaatlichkeit im Lande auszusprechen, reden sie dem Chaos, wie es von der Rechten angestrebt wird, das Wort."

Dass Sánchez im zweiten Wahlgang so viele Stimmen verloren hat, führen Analysten auf eine Kampagne der Angst zurück, die seine Widersacher geführt hätten. So sei er als ehemaliger Guerillaführer dämonisiert worden. Die Regierungspartei habe es versäumt, die Friedfertigkeit ihres Vizepräsidenten besonders hervorzuheben. (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnoticias.net/2014/03/la-gobernabilidad-de-el-salvador-ante-una-derecha-radicalizada/

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IPS-Tagesdienst vom 13. März 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. März 2014