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LATEINAMERIKA/1427: Karibik - Region will Entschädigung für Sklaverei und Völkermord durch Europäer (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. Juli 2013

Karibik: Region will für Sklaverei und Völkermord durch Europäer entschädigt werden

von Peter Richards


Bild: © V.C.Vulto/GNU-Lizenz

Hütten der niederländischen Kolonialverwaltung für Arbeitssklaven in Bonaire
Bild: © V.C.Vulto/GNU-Lizenz

Port of Spain, Trinidad, 30. Juli (IPS) - In den Ländern der Karibik wird derzeit über die Möglichkeit diskutiert, die ehemaligen Kolonialmächte um Entschädigungszahlungen für Sklaverei und Völkermord anzugehen.

Wie der Premierminister von St. Vincent und den Grenadinen, Ralph Gonsalves, gegenüber IPS erklärte, wird er in der Frage nicht nachgeben. Er zeigte sich überzeugt, "dass ein solcher Rechtsstreit, würde er vor einem adäquaten Gericht verhandelt, recht aussichtsreich wäre."

Bei seinem jüngsten Kuba-Besuch am 26. Juli anlässlich der dortigen Feierlichkeiten zum Nationalen Tag der Revolution hatte er erklärt, dass die Karibik Europa für den Völkermord und die Versklavung der ersten Bewohner der Region als den Hauptverursacher der regionalen Unterentwicklung zur Verantwortung ziehen werde.

Bereits auf dem Gipfel der Karibischen Gemeinschaft (CARICOM) vom 4. bis 6. Juli hatte Gonsalves seinen karibischen Amtskollegen drei Positionspapiere vorgelegt, darunter auch das von Hilary Beckles, Professorin und Vizekanzlerin der 'University of the West Indies'. Beckles gilt als eine Koryphäe auf dem Gebiet und hat mit ihrem Buch 'Britain's Black Debt: Reparations owed the Caribbean for Slavery and Indigenous Genocide' einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um die Entschädigungsforderungen der karibischen Staaten geleistet.


Regionale Vorgehensweise

Gonsalves setzt sich für eine gemeinsame Position der Karibikstaaten in dieser Frage ein und hat in diesem Sinne eine regionale Entscheidung begrüßt, ein Komitee unter dem Vorsitz des Regierungschefs von Barbados, Freundel Stuart, zu gründen, das die Entschädigungsforderungen voranbringen soll.

Das Komitee, das die Arbeit einer sogenannten CARICOM-Reparationskommission überwachen soll, wird sich aus Trinidad und Tobago, Guyana, Haiti, St. Vincent und die Grenadinen sowie Suriname, den Vorsitzenden der nationalen Reparationskomitees und einem Vertreter der University of the West Indies zusammensetzen.

Wie Kafra Kambon, Vorsitzender des Anti-Sklaverei-Komitees 'Emancipation Support Committee' in Trinidad and Tobago im IPS-Gespräch erklärte, ist es wichtig, dass sich auch die Nichtregierungsorganisationen und die Bevölkerung hinter die Initiative ihrer Staaten stellten.

Die karibischen Entscheidungsträger könnten angesichts des zu erwartenden Drucks von Seiten der europäischen Regierungen, ihre Entschädigungsforderungen aufzugeben, jede Unterstützung gebrauchen, meinte Kambon, dessen Organisation die Feierlichkeiten zum alljährlichen 'Emancipation Day' am 1. August auf Trinidad und Tobago organisiert.

"Wir müssen dem Ruf nach Entschädigungen Nachdruck verleihen", meinte Kambon und bezeichnete den Sklavenhandel als "massives Verbrechen, das weit über die menschliche Vorstellungskraft hinausgeht". Die Sklaverei stehe für eine Generation von Menschen, "die einfach ausradiert worden sind".

In Suriname hat das Nationale Komitee für Reparationen angekündigt, sich um Konsens und Bewusstsein für die richtige geschichtliche Darstellung der Sklaverei einzusetzen. "Wir werden diesen toten Informationen über Entschädigungen für die an unseren ersten Bewohnern begangenen Verbrechen von Sklaverei und Völkermord Leben einhauchen", sagte der Vorsitzende Armand Zunder, ein erklärter Befürworter der CARICOM-Initiative.

"Wir hatten gedacht, den Kampf allein führen zu müssen. Noch nun wissen wir, dass wir Hilfe bekommen", freute sich der Ökonom Zunder, der ebenfalls im Juli den Niederlanden als ehemalige Kolonialmacht Surinames die erste Forderung nach Entschädigungszahlungen für die Nachfahren der schwarzen Sklaven zugestellt hatte. Zunder beruft sich auf Forschungsergebnisse, denen zufolge die Niederlande während der Sklaverei in Suriname Einnahmen im heutigen Wert von 166 Milliarden US-Dollar erzielt hätten.

Doch die 'Pan-Afrikan Reparations Coalition in Europe' (PARCOE) hat die Staats- und Regierungschefs der karibischen Staaten am 13. Juli in einem Brief vor den Gefahren eines Top-down-Ansatzes gewarnt. Ein solcher Ansatz könne sich kontraproduktiv für die Forderungen so vieler Nachkommen schwarzer Sklaven und Indigenen in der Karibik auswirken, hieß es in dem Schreiben.


Fehler der Vergangenheit vermeiden

Die PARCOE-Vize-Vorsitzenden Esther Stanford-Xosei und Kofi Mawuli Klu empfahlen den CARICOM-Staaten, nicht die gleichen Fehler zu begehen wie einst die Gruppe eminenter Persönlichkeiten der Organisation für Afrikanische Einheit, dem Vorläufer der Afrikanischen Union. Es sei besser, den Kampf mit Einzelpersonen und Gruppen auf Graswurzelebene zu führen, als Richtern, Anwaltsorganisationen und Wirtschaftsverbänden zu trauen, denen am Status quo gelegen sei.

PARCOE warnte die karibischen Staaten ferner davor, sich von dem jüngsten historischen Sieg für die kenianischen Überlebenden von Folter und Übergriffen durch die britische Kolonialmacht während des Mau-Mau-Aufstands von 1952 und 1963 blenden zu lassen.

Im Rahmen des Abkommens anerkannte und bedauerte die britische Regierung, dass kenianische Unabhängigkeitskämpfer Folter und anderen Misshandlungen durch die damalige britische Kolonialverwaltung ausgesetzt waren, kündigte Entschädigungen für 5.228 Opfer in Höhe von insgesamt 19,9 Millionen Pfund (30,6 Millionen US-Dollar) und die Unterstützung für den Bau eines Denkmals für die Opfer des Kolonialismus in Kenias Hauptstadt Nairobi an.

Doch PARCOE wies demgegenüber darauf hin, dass die die 3.000 Sklavenhalterfamilien für den Verlust ihres 'Eigentums' nach der Abschaffung der Sklaverei in den britischen Kolonien 1833 mit nach heutigem Wert 16,5 Milliarden Pfund (25,3 Milliarden Dollar) entschädigt wurden. (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://duguma.tripod.com/
http://www.caricomnews.net/index.php/caricom/caricom-news/caricom-features/3003-pan-african-reparations-coalition-writes-to-caricom
http://www.ipsnews.net/2013/07/caribbean-may-seek-reparations-for-slavery/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 30. Juli 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. August 2013