Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

LATEINAMERIKA/1367: Kolumbien - Kein Frieden ohne Wandel, FARC-Rebellen präzisieren Forderungen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 7. September 2012

Kolumbien: Kein Frieden ohne Wandel - FARC-Rebellen präzisieren Forderungen

von Patricia Grogg

Laut Mauricio Jaramillo ist die FARC zur sofortigen Feuerpause bereit - Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Laut Mauricio Jaramillo ist die FARC zur sofortigen Feuerpause bereit
Bild: © Jorge Luis Baños/IPS

Havanna, 7. September (IPS) - Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) haben in der kubanischen Hauptstadt Havanna am 6. September weitere Details im Zusammenhang mit den im kommenden Monat in Oslo stattfindenden Friedensverhandlungen bekannt gegeben.

So betonte Mauricio Jaramillo, der Leiter der FARC-Delegation, die die Sondierungsgespräche über einen offiziellen Friedensdialog mit der kolumbianischen Regierung von Staatspräsident Juan Manuel Santos geführt hatte, dass es nur Frieden geben könne, wenn die Ursachen des Konflikts beseitigt würden. "Der Kampf um den Frieden ist der Kampf um eine Lösung der Probleme, die uns im Krieg halten."


Thema Landbesitz

Diese Probleme stehen in der norwegischen Hauptstadt ganz oben auf der Tagesordnung. So müssen sich beide Parteien des seit fast 50 Jahren währenden Bürgerkriegs auf eine integrale Agrarpolitik einigen, die den Zugang zu Land und zu Entwicklungsprogrammen regelt. Eine Einigung in dieser Frage gilt als entscheidend für einen gerechten sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt.

Die massiven Vertreibungen seit 1985 - konservative Schätzungen sprechen von zehn Prozent der Bevölkerung - haben die Konzentration von Land weiter verstärkt. So nahmen beim staatlichen Katasteramt die Einträge von Grundstücken über 500 Hektar zu, während die der kleinen Parzellen um 15 Prozent gesunken sind. Zurzeit besitzen 2,2 Millionen Kleinbauern Grundstücke, die bis zu drei Hektar groß sind, während 2.428 Personen und Körperschaften jeweils 18.000 Hektar Land ihr Eigen nennen.

Die Konfliktparteien werden sich zudem mit Themen wie der Armutsbekämpfung, dem verbesserten Zugang zu Gesundheitsdiensten, Bildung und Wohnraum befassen. Auch wird über Fördermöglichkeiten und technische Hilfen zugunsten der landwirtschaftlichen Entwicklung und Ernährungssicherheit verhandelt werden.

"Es geht um fundamentale und wichtige Themen und wir hoffen, dass die notwendigen Veränderungen auch umgesetzt werden", sagte Jaramillo. Die Regierung habe bereits durchblicken lassen, dass sie strukturellen Reformen nicht abgeneigt sei.

Jaramillo erklärte weiter, dass an den Friedensgesprächen am 8. Oktober der Guerillaführer Simón Trinidad und die beiden Kommandanten Iván Márquez und José Santriz für die FARC am Verhandlungstisch sitzen werden.


In USA inhaftierter FARC-Chef nimmt an Gesprächen teil

Trinidad ist der Kampfname des ehemaligen Bankiers Ricardo Palmera, Sohn eines bekannten kolumbianischen Juristen aus dem nordöstlichen Departement Cesar. Er wurde 2004 im ecuadorianischen Quito festgenommen, nach Kolumbien verbracht und am 31. Dezember des gleichen Jahres an die USA aufgeliefert. Dort sitzt er wegen Verschwörung und Geiselnahmen eine 60-jährige Gefängnisstrafe ab. Der gegen ihn erhobene Vorwurf des Drogenhandels wurde fallengelassen.

Der Journalist Gonzalo Guillén, ehemaliger Korrespondent der US-Tageszeitung 'El Nuevo Herald' in Miami, berichtete über Twitter, dass sich Washington und Bogotá über eine Teilnahme von Trinidad an den Friedensgesprächen in Oslo geeinigt hätten.

Laut Jaramillo, der mit bürgerlichem Namen angeblich Jaime Alberto Parra heißt, steht bei den Gesprächen in Oslo ein Waffenstillstand ganz oben auf der Agenda. Bei der Bestätigung des offiziellen Gesprächstermins am 4. September zwischen Staat und Rebellen hatte Präsident Santos jedoch erklärt, dass die Militäroperationen in Kolumbien auch während der Friedensgespräche fortgesetzt würden.

Die in Havanna versammelten FARC-Vertreter wiesen Vorwürfe zurück, Geiseln in ihrer Gewalt und Verbindungen zur Drogenmafia zu haben. Darüber hinaus erklärte Marco León Calarcá, ein weiterer Rebellenchef, der an der Pressekonferenz in Havanna teilnahm, dass die FARC Auslieferungen grundsätzlich ablehnten. "Es geht um staatliche Souveränität, die wir verteidigen", sagte Ricardo Téllez, ein weiterer Guerillero, der sich in Kuba den Fragen der Journalisten stellte.


Kuba sichert weitere Unterstützung zu

Am 4. September erklärte der kubanische Staatspräsident Raúl Castro in einer Mitteilung, er habe sich bemüht, den Konfliktparteien diskret, konstruktiv und unparteilich bei der Suche nach einer politischen Lösung zu helfen. Kuba unterstützte den Friedensdialog, der für das kolumbianische Volk und für ganz Lateinamerika so wichtig sei. Bei den Verhandlungen in Oslo werden Kuba und Norwegen als Garanten des Prozesses und Venezuela und Chile als Begleiter teilnehmen.

Die Gespräche im nächsten Monat sind der dritte Friedensversuch zwischen Regierung und FARC. Den bisher vielversprechendsten Anlauf hatte die Regierung des damaligen Präsidenten Belisario Betancur in den Jahren 1984 bis 1990 unternommen, der dann unter Amtsnachfolger César Gaviria (1990-1994) im Dezember 1990 gewaltsam abgebrochen wurde. (Ende/IPS/kb/2012)


Link:

http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101518

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 7. September 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2012