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LATEINAMERIKA/1331: Argentinien - Krieg der Worte um die Falklandinseln, Briten unter Druck (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 31. Januar 2012

Argentinien: Krieg der Worte um die Falklandinseln - Briten unter Druck

von Marcela Valente


Buenos Aires, 31. Januar (IPS) - 30 Jahre nach dem Falklandkrieg gewinnt der Streit um die Inselgruppe zwischen dem Sieger Großbritannien und dem Verlierer Argentinien wieder an Schärfe. Doch neue Verhandlungen über die Zukunft des Archipels, die Buenos Aires durch internationalen Druck erzwingen will, halten politische Beobachter für eher unwahrscheinlich.

Argentinien sei es zwar gelungen, Großbritannien durch einen Strategiewechsel nervös zu machen, meinte der argentinische Experte für internationale Beziehungen, Federico Merke. Doch bis zum Zustandekommen bilateraler Gespräche sei es noch ein langer Weg.

Am 2. April 1982 hatte die damalige argentinische Militärregierung (1976-1983) vergeblich versucht, den Briten das seit 1833 besetzte Archipel gewaltsam abzutrotzen. Der Krieg um die Malwinen, wie Argentinien die Inseln nennt, endete am 10. Juni 1982 mit der Kapitulation des militärisch weitaus unterlegeneren Argentinien und 900 Toten.

Die Beziehungen zwischen beiden Ländern blieben bis in die 1990er Jahre hinweg unterbrochen. Allerdings hat Argentinien seinen Anspruch auf die Inseln niemals aufgegeben und immer wieder die Aufnahme friedlicher Gespräche gefordert.


Lateinamerikanische Rückendeckung für Argentinien

Wie Argentiniens Präsidentin Cristina Fernández am 25. Januar erklärte, hält ihr Land auch weiterhin an der Forderung nach Verhandlungen fest. In den letzten Monaten gelang es ihrer Regierung, etliche lateinamerikanische Länder auf ihre Seite zu ziehen.

So hatte die südamerikanische Wirtschaftsgemeinschaft MERCOSUR im Dezember auf ihrem zweiten Halbjahresgipfel in Montevideo beschlossen, Schiffen unter Falklandflagge das Einlaufen in die Häfen der MERCOSUR-Staaten Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay zu verbieten. Der Beschluss wurde von allen vier Ländern ratifiziert und dem britischen Außenminister Großbritanniens, William Hague, bei dessen Brasilien-Besuch mitgeteilt.

Auch das assoziierte MERCOSUR-Mitglied Chile ließ wissen, dass es Schiffe unter Falkland-Flagge nicht in seine Häfen einlassen werde. Allerdings ist das Land bisher der wiederholten Bitte Argentiniens nicht nachgekommen, die Passagier- und Transportflüge von der südchilenischen Stadt Punta Arenas zu den Malwinen auszusetzen.

Merke, der an den argentinischen Universitäten Salvador und San Andrés lehrt, verweist in diesem Zusammenhang auf die Forderung Santiagos an Argentinien, Galvarino Aplabaza auszuliefern, dem der Mord an einem Senator angelastet wird. Argentinien gewährt dem chilenischen Staatsbürger seit 2010 politisches Asyl.

Die Regierung in Buenos Aires müsse schon eine Gegenleistung erbringen, um Chile eine Einstellung seiner Flüge zu den Malwinen schmackhaft zu machen, meint Merke. Doch sollte sich das widerstrebende Chile tatsächlich darauf einlassen, würde dies das Leben der Inselbewohner ziemlich verkomplizieren, gab Merke zu bedenken. Die Bevölkerung der Falklandinseln ist auf die Lieferungen aus Punta Arenas angewiesen.

Der argentinische Außenminister Héctor Timerman konnte auch die zentralamerikanischen Länder während seiner Rundreise durch Honduras, El Salvador, Nicaragua, Costa Rica und Guatemala in diesem Monat für die Sache seines Landes gewinnen. Ebenso gelang es Argentinien, sich den Rückhalt der aus zwölf Staaten bestehenden Union der Südamerikanischen Staaten (Unasur), der neuen Gemeinschaft der lateinamerikanischen und karibischen Staaten und der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zu sichern. "Eine solche Unterstützung ist schon ein beachtlicher Erfolg", meinte der Experte Merke.

Doch London ist nach wie vor nicht verhandlungsbereit und verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Recht der Inselbewohner auf Selbstbestimmung. Anfang der 1960er Jahre hatten sich die Insulaner dagegen gesträubt, Argentinien zugeschlagen zu werden. Premierminister David Cameron bezeichnete die argentinischen Bemühungen um Neuverhandlungen als "ungerechtfertigt und kontraproduktiv". Zu einem späteren Zeitpunkt warf er Argentinien eine "kolonialistische" Haltung vor.


Öffnung des Rattenbach-Berichts angekündigt

Die argentinische Präsidentin konterte am 25. Januar den britischen Vorwurf mit dem Hinweis, dass zehn der Konflikte, über die das UN-Entkolonisierungskomitee noch zu befinden habe, Großbritannien betreffen. Fernández kündigte ferner die Bildung einer Kommission an, die über eine Öffnung des sogenannten Rattenbach-Berichts beraten soll, der auf Anweisung der ehemaligen Militärregierung 50 Jahre lang unter Verschluss bleiben soll.

Die Diktatur hatte einen Militärausschuss mit der Erstellung des Berichts beauftragt, der nach dem gleichnamigen Kommissionsleiter benannt wurde und die Vorgehensweise der argentinischen Streitkräfte während des Falklandkriegs untersuchen sollte. Der Report wurde der argentinischen Öffentlichkeit nie zugänglich gemacht.

Die britische Regierung hat wiederum einen Nationalen Sicherheitsrat einberufen, der einer erhöhten Militärpräsenz auf den Falklandinseln im Vorfeld des Besuchs des britischen Prinzen William anlässlich einer Übung der britischen Luftwaffe im Februar zugestimmt hat.

Für den argentinischen Politologen Vicente Palermo, Autor des Buches 'Salz in den Wunden. Die Malwinen in der zeitgenössischen argentinischen Kultur', ist der jüngste verbale Schlagabtausch zwischen Argentinien und Großbritannien vor allem eins: viel Lärm um nichts. "Ich sehe keinen wirklichen Fortschritt, der einen qualitativen Wandel in den diplomatischen Beziehungen herbeiführen würde."

Palermo erklärt sich den Rückhalt der lateinamerikanischen Länder für Argentinien mit den Interessen der gesamten Region an dem Erdöl- und Fischreichtum im Umfeld der Falklandinseln.

Großbritannien hat kürzlich beschlossen, einen zweiten Bohrturm aufzustellen, um Erdöl im Süden und Südosten des Archipels zu fördern. Die US-Firma 'Anadarko' hat bereits Interesse an der Ausbeutung der Ressource angekündigt.

Nach Ansicht Palermos, Wissenschaftler am Gino-Germani-Institut der staatlichen Universität von Buenos Aires, ist das US-Außenministerium bemüht, sich nicht allzu weit aus dem Fenster zu lehnen. Washington wolle nicht in die tiefliegende Problematik hineingezogen werden.


USA zurückhaltend

In einer offiziellen Mitteilung wiederholte die Obama-Administration, dass die USA die britische De-Facto-Regierung auf den Falklandinseln zwar anerkenne, aber in der Souveränitätsfrage keine Position beziehen werde. Es handele sich um eine bilaterale Frage, die direkt von den betroffenen Ländern Argentinien und Großbritannien gelöst werden müsse, sagte Außenamtssprecherin Victoria Nuland.

Buenos Aires wertet hingegen die US-Stellungnahme als einen "großen Erfolg für die argentinische Position". Nulands Äußerungen seien von den lateinamerikanischen Staaten mit Befriedigung zur Kenntnis genommen worden, sagte Argentiniens Außenminister Timerman.

Palermo zufolge hat zwar Großbritannien, was den Anspruch auf die Malwinen betrifft, nie einen breiten internationalen Rückhalt genossen. Doch hält er eine weitere Isolation des Landes durch Argentinien für unwahrscheinlich. (Ende/IPS/kb/2012)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Februar 2012