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LATEINAMERIKA/1242: Peru - Aufrüsten unter Regierung García, Schelte von UN-Abrüstungsbeauftragtem (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. März 2011

Peru: Aufrüsten unter Regierung García - Schelte von UN-Abrüstungsbeauftragtem

Von Ángel Páez


Lima, 4. März (IPS) - Der Hohe Vertreter der Vereinten Nationen für Abrüstungsfragen, Sergio Duarte, hat Kritik an den Abrüstungsbemühungen des peruanischen Staatschefs Alan García geübt. Zum einen fordere er seine lateinamerikanischen Amtskollegen auf, ihren Verteidigungsetat zu kürzen, zum anderen jedoch die eigenen Militärausgaben nach oben zu treiben, erklärte er in Lima gegenüber IPS.

Seit dem Amtsantritt der García-Regierung 2006 haben die Streitkräfte 807 Millionen US-Dollar für Rüstungsgüter und militärische Modernisierungsmaßnahmen ausgegeben. Auf das Jahr umgerechnet sind das Ausgaben von durchschnittlich 161,4 Millionen oder 13,4 Millionen im Monat. Entwicklungsexperten zufolge hätten diese Gelder ausgereicht, um 2,7 Millionen Kinder und Erwachsene, die in extremer Armut leben, im Rahmen des staatlichen Hilfsprogramms 'Ein Becher Milch' sechs Jahre lang zu versorgen.

Duarte war nach Peru gereist, um an einem Seminar zum Thema Frieden, Sicherheit und Entwicklung in Lateinamerika vom 28. Februar bis 1. März teilzunehmen. Ausgerichtet hat die Tagung das peruanische Außenamt mit Blick auf die von García 2009 auf den Weg gebrachte Regionalinitiative für Frieden und Abrüstung.

Am 15. Februar hatte der UN-Generalsekretär Ban Ki-moon nach einem Treffen mit dem peruanischen Staatschef in Lima dem Vorschlag, die Verteidigungsausgaben zugunsten der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung zu senken, seine Unterstützung zugesagt. Doch offenbar ist dem UN-Chef entgangen, dass Peru selbst nicht ab-, sondern aufgerüstet hat.

Wie aus Kreisen des Verteidigungsministeriums zu erfahren war, wurde der Großteil der Gelder für die Instandsetzung von zwölf französischen Mirage-2000-Kampfjets (120 Millionen Dollar), die Modernisierung acht russischer MiG-29-Jagdflieger (108 Millionen Dollar, den Erwerb von sechs russischen Mi-17-Mehrzweck- und zwei Mi-35P-Kampfhubschraubern (107,8 Millionen Dollar) ausgegeben. 87,7 Millionen Dollar flossen in die Beschaffung von israelischen Spike-Antipanzerraketen, 70 Millionen für französische Antischiffsraketen vom Typ Exocat und 67 Millionen für zwölf kanadische Transportflugzeuge vom Typ DH-6-400 Twin Otter.

Duarte beklagte in diesem Zusammenhang den Mangel an Transparenz. Im vergangenen Jahr hatten nur acht Länder dem UN-Büro für Abrüstungsfragen (UNODA) Einblicke in ihre Waffenimporte und -exporte gewährt. Doch UNODA ist auf die Informationen möglichst vieler Länder angewiesen, um einen repräsentativen Rüstungstransparenzbericht vorlegen zu können. 2001 hatten 23 Staaten ihre Unterlagen eingereicht.

Anders als Chile und Ecuador legte die Regierung García in den ersten drei Jahren ihrer Amtszeit der von Duarte geführten UNODA keinen Bericht vor. Auch wenn die Staaten dazu nicht gezwungen seien, würde eine regelmäßige Auskunft über die Waffenarsenale der Länder Vertrauen schaffen, unterstrich Duarte.

Wie dem Bericht 2010 des Konfliktforschungsinstituts 'Stockholm International Peace Research Institute' (SIPRI) zu entnehmen ist, haben Brasilien, Chile, Venezuela und Peru die höchsten Militärausgaben Lateinamerikas getätigt. Auch wenn der SIPRI-Report keine Angaben macht, inwieweit in Lateinamerika ein Wettrüsten stattfindet, lässt er Duarte zufolge durchaus die Tendenz zur Modernisierung der Rüstungsbestände erkennen.

Gerade solche Modernisierungen leisteten dem regionalen Wettrüsten Vorschub, vor allem wenn zwischen einzelnen Staaten Grenzstreitigkeiten oder andere Probleme existierten, sagte der UN-Experte. Das trifft auch für Peru im Hinblick auf Chile zu. So veranlasste der Kauf von 132 deutschen Leopard-2-Panzern im Wert von 124 Millionen Dollar durch Chile die peruanische Seite zum Kauf israelischer und russischer Antipanzerraketen im Wert von 113,7 Millionen Dollar.

Auch die Erneuerung der chilenischen Luftflotte, die die Instandsetzung von 36 F-16- und den Kauf von zehn zusätzlichen Jagdfliegern beinhaltete, führte dazu, dass Peru seine zwölf Mirage-2000- und 19 MiG-29-Flugzeuge überholte und dies offenbar auch mit 18 russischen Suchoi-25-Jagdbombern vorhat.

Nicht nur der Hohe Vertreter der Vereinten Nationen, auch die USA beunruhigt, dass Peru auf den Erwerb chilenischer Militärgüter mit einem Anstieg seiner Verteidigungsausgaben reagiert. Dies ist den Kabeln der US-Botschaft in Lima zu entnehmen ist, die über WikiLeaks an die Öffentlichkeit gelangten.

Danach hatte der US-Botschafter Michael McKinley am 25. November 2009 ein vertrauliches Memorandum an den Chef des US-Kommandos Süd, General Douglas Fraser, geschickt und ihn gebeten, auf Peru einzuwirken, seine Sicherheitspolitik "neu auszurichten". In dem Dokument heißt es weiter, dass Peru seine Nachbarstaten und insbesondere Chile als Bedrohung betrachtet.

In einem weiteren Kabel vom 15. Dezember 2009 wird der Diplomat noch deutlicher, indem er sein Erstaunen über die Ankündigung Garcías zum Ausdruck bringt, einerseits alte, in den 1960er und 1970er Jahren von der ehemaligen Sowjetunion erworbene T-55-Panzer durch chinesische MBT-2000-Modelle zu ersetzen, und andererseits auf die lateinamerikanischen Länder einzuwirken, ihre Militärausgaben zu verringern.

Fünf Wochen, nachdem im gleichen Jahr, die peruanische Regierung einem Angehörigen der Luftwaffe vorgeworfen hatte, als Agent für Chile tätig zu sein, erklärte García, dass der Kauf der chinesischen Panzer beschlossene Sache sei. Kürzlich wurde bekannt, dass das Geschäft definitiv nicht zustande kommt. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2011