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LATEINAMERIKA/1217: Zentralamerika - "Mutierte" Jugendbanden säen Angst und Schrecken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. Januar 2011

Zentralamerika: "Mutierte" Jugendbanden säen Angst und Schrecken

Von Danilo Valladares


Guatemala-Stadt, 19 Januar (IPS) - In Zentralamerikas 'nördlichem Dreieck', bestehend aus Guatemala, El Salvador und Honduras, bedienen sich kriminelle Jugendbanden bei der Durchführung von Anschlägen auch der modernen Technologien. So brachten Mitglieder einer 'Mara', wie die berüchtigten Gangs in der Region genannt werden, Anfang des Monats einen Bus in Guatemala-Stadt per Telefon zur Explosion. Neun Menschen starben, unter ihnen auch drei Kinder.

Der guatemaltekischen Polizei zufolge war das Attentat ein Racheakt der 'Mara 18' an einem Teilhaber des städtischen Personentransportunternehmens, der von seinen Kompagnons Schutzgelder eintreiben sollte, aber bei der Übergabe Schwierigkeiten machte. Der Name der Gang leitet sich von der 18. Straße im US-amerikanischen Los Angeles ab. Die US-Behörden hatten vor einigen Jahrzehnten Bandenmitglieder zentralamerikanischer Herkunft an den Isthmus abgeschoben.


Als Marionetten missbraucht

David Martínez-Amador hält an guatemaltekischen, costaricanischen, puertoricanischen und mexikanischen Universitäten Seminare über das organisierte Verbrechen ab. Die jüngsten gewaltsamen Übergriffe sind für ihn ein Indiz dafür, dass die guatemaltekischen Jugendbanden von extrem rechten und anderen Banden politisch manipuliert werden, denen an einem Klima der Angst und Unsicherheit gelegen sei. "Für mich stehen sie in Verbindung mit der Gewalt, auf die wir uns im Vorfeld der Wahlen gefasst machen müssen", sagte er.

Die Guatemalteken werden im September 2011 einen neuen Präsidenten und Vizepräsidenten sowie 153 Mitglieder des Ein-Kammer-Parlaments, 20 Vertreter des Zentralamerikanischen Parlaments und 333 Lokalregierungen wählen. Schon vor dem Wahlkampfbeginn werden die Diskussionen über die politische Zukunft des Landes mit aller Heftigkeit ausgetragen.

Zum Repertoire der Gangs gehörten bisher Erpressung und Morde an Busfahrern, nicht jedoch Bombenanschläge, unterstreicht Martínez-Amador. Dass spreche für seine These. Da sich niemand zu dem Bombenattentat vom 3. Januar bekannt habe, könne auch nicht von einem Terrorakt die Rede sein.

Allein in Guatemala wurden im letzten Jahr mindestens 128 Busfahrer umgebracht. Viele waren zuvor von Gang-Mitgliedern mit der Absicht entführt worden, Lösegeld zu erpressen, wie die Menschenrechtsorganisation Gruppe für gegenseitige Hilfe (GAM) berichtet.

In Honduras und El Salvador richten sich die Übergriffe der Jugendbanden vor allem auf die städtische Bevölkerung. Am 5. Dezember nahmen Mitglieder der Mara 18 einen Bus in einem Stadtviertel der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa unter Beschuss. Der Angriff, der kein Menschenleben forderte, richtete sich gegen einen Busfahrer, der die Zahlung eines 'Schutzgelds' verweigert hatte.

Weniger glimpflich war die Schießerei vom 7. September im honduranischen San Pedro Sula ausgegangen. Dort starben 17 Arbeiter, die in die Schusslinie der verfeindeten Gangs 'Mara Salvatrucha' und 'Mara 18' geraten waren, der beiden größten Jugendbanden in der Region.

Auch in El Salvador treiben Jugendbanden ihr Unwesen. In der Hauptstadt San Salvador erschossen sie bei zwei unterschiedlichen Angriffen am 21. Juni 17 Menschen. 14 der Opfer befanden sich zum Zeitpunkt ihres Todes in einem Bus. Der linksgerichtete Präsident Mauricio Funes verurteilte den Anschlag als terroristischen Akt.

Martínez-Amador führt die Zunahme der Gewalt in El Salvador und Honduras mit der Verschärfung der Maßnahmen zur Bekämpfung der Maras zurück. "In beiden Ländern wurden Gesetze erlassen, auf die die Maras mit Gegengewalt reagierten." Der Experte wies zudem auf den Ausbruch mehrerer Feuer in zwei vorwiegend Mara-Mitgliedern vorbehaltenen Gefängnissen hin: mit mehr als 100 Opfern 2004 in Honduras und 26 Todesopfern im November in El Salvador.


Maras zu Profikiller

Für die Sicherheitsexpertin Reina Rivera sind die weiterentwickelten Verbrechensmethoden der Maras vor allem Ausdruck dafür, dass die Jugendgangs zu professionellen Auftragskillern und Drogenhändlern "mutiert" sind. "Aus Polizeikreisen und aus dem US-Außenamt wird berichtet, dass die mexikanische Drogenmafia über Zellen in Honduras verfügt." Das lässt Rivera zufolge auf eine Ausweitung der Mara-Aktivitäten auf Folter, Mord, Verstümmelung und Zerstückelung von Menschen schließen. "Hier haben wir es nicht mehr nur mit einer Jugend-Subkultur zu tun, sondern mit einer perversen Mutation der schlimmsten organisierten Bandenkriminalität."

Wie Rivera kritisiert, wurden den neuen honduranischen Gesetzen folgend junge Menschen ausschließlich aufgrund ihres physischen Erscheinungsbildes kriminalisiert und festgenommen. Die wirklichen Mara-Mitglieder hingegen hätten ihre Strategien verändert und ihre Erkennungstatoos längst entfernen lassen. Außerdem seien sie in weniger bevölkerte Gegenden umgezogen.

Eine 2008 in El Salvador veröffentlichte Studie von Jeannette Aguilar und Marlon Carranza hat die Unterschiede der zentralamerikanischen Länder im Kampf gegen die Jugendbanden herausgearbeitet. Während Guatemala, Honduras und El Salvador Jagd auf Mara-Mitglieder machten, setzte Nicaragua auf Präventivmaßnahmen, um das Abrutschen junger Menschen in die Kriminalität zu verhindern. Offenbar hat sich diese Strategie ausgezahlt, denn "heute sind Maras für Nicaragua ein kleineres Problem als zuvor". (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.oas.org/dsp/documentos/pandillas/2sesion_especial/IUDOP/Las%20maras%20y%20pandillas%20como%20actores%20ilegales%20de%20la%20regi%C3%B3n.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=54166

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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Januar 2011