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LATEINAMERIKA/1193: Ecuador - Volkszählung, Indigene wollen mehr über sich erfahren (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. November 2010

Ecuador: Volkszählung Ende November - Indigene wollen mehr über sich erfahren

Von Gonzalo Ortiz


Quito, 23. November (IPS) - In Ecuadors Minderheitenbüro Conepia geht es chaotisch zu. Auf den Tischen türmen sich Kisten mit Kugelschreibern und Berge von T-Shirts, die mit Botschaften wie 'Ich bin indigener Herkunft', 'Meine Identität: afroecuadorianisch' oder 'Ich bin Montubio' (Nachkomme indigener Küstenbewohner) beschriftet sind. Die Hemden und Stifte werden landesweit verteilt, um die ethnischen Minderheiten im Lande zu ermuntern, sich an der Volksbefragung am 28. November zu beteiligen.

Ureinwohner spielen bei diesem Zensus eine besondere Rolle. Sie sollen alle bestehenden Unklarheiten und Diskrepanzen über die Größe der indigenen Gemeinschaften und ihre Identitäten aus der Welt räumen. Bis heute ist unbekannt, wie hoch der Anteil der Indigenen an der ecuadorianischen Bevölkerung ist: Der nationale Indigenenverband Conaie geht von 40 Prozent aus, der Zensus von 2001 kam hingegen auf nur 6,8 Prozent.

Seit der letzten Volksbefragung sind die Ureinwohner des südamerikanischen Landes fest entschlossen, Licht in das Dunkel zu bringen. Sie haben an den Fragen mitgewirkt, die der Bevölkerung Ende November gestellt werden: etwa über die Sprachen der Betroffenen und deren Eltern und ihre Zugehörigkeit zu den ethnischen Gruppen des Landes - Ureinwohnern, Afroecuadorianern, Schwarzen, Mulatten, Montubios, Mestizen und 'Weißen'.

Wer sich selbst als indigen identifiziert, soll dann gleich sagen, welcher der gelisteten Nationalitäten - Achuar, Awa, Cofan, Chachi, Épera, Waorani, Kichwa, Secoya, Shuar, Siona, Tsátchila, Shiwiar, Zápara oder Andoa - er oder sie angehört. Die meisten leben in der Amazonasregion. Von den 18 indigenen Völkern sind 15 in der Sierra und die übrigen in der Küstenregion beheimatet.


Misstrauen groß

Bei der Volksbefragung von 2001 hatten viele Ureinwohner ihren Interviewern die Tür vor der Nase zugeschlagen. Das soll diesmal nicht passieren. So wurden zwischen drei Millionen bis vier Millionen US-Dollar investiert, um die Bevölkerung ausgiebig über den Sinn des Zensus zu unterrichten. Gerade für Indigenenorganisationen und staatliche Einrichtungen sei die ethnische Zugehörigkeit wichtig, um über angemessene Hilfsprogramme zu entscheiden, hieß es.

Darüber hinaus wurden einflussreiche Vertreter der ethnischen Minderheiten eingespannt, um für den Zensus zu werben. In den ländlichen Gebieten sorgen Radiosendungen dafür, dass die Botschaft in unterschiedlichen indigenen Sprachen verbreitet wird. Außerdem wurde mit Theateraufführungen, Werbung in den öffentlichen Transportmitteln und seit dem 21. November mit SMS für die Volksbefragung geworben.

Dennoch sind einige Mängel erkennbar, was die Verbreitung der Informationen in den ländlichen Gebieten betrifft. So gibt es dort eine Vielzahl von Personen, die fürchten, dass es bei der Umfrage vor allem darum geht, diejenigen ausfindig zu machen, die nicht länger in den Genuss des staatlichen Entwicklungsbonus von monatlich 35 Dollar kommen sollen, die der ecuadorianische Staat mehr als 1,4 Millionen armen Menschen auszahlt.

Volksbefragungen stoßen in den ländlichen Gebieten seit jeher auf Misstrauen. 1970 wurden sogar drei Zensusbeauftragte in einer entlegenen Ortschaft getötet. Die ablehnende Haltung hat nach Ansicht der Historikerin Guadalupe Soasti vor allem koloniale Wurzeln. "Für die Ureinwohner ist die Erfassung von Daten gleichbedeutend mit neuen steuerlichen Belastungen." (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://www.inec.gov.ec/web/guest/conepia
http://www.conaie.org/
http://www.codepmoc.gov.ec/
http://www.codae.gov.ec/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=96938


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 23. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. November 2010