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LATEINAMERIKA/1165: Kuba - Annäherung zwischen Staat und katholischer Kirche (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Oktober 2010

Kuba:
Annäherung zwischen Staat und katholischer Kirche - Immer mehr religiöse Medien

Von Patricia Grogg


Havanna, 15. Oktober (IPS) - Die Beziehungen zwischen dem kubanischen Staat und der katholischen Kirche entwickeln sich positiv. Diese Einschätzung vertritt Gustavo Andujar, Vizepräsident der globalen katholischen Medienorganisation SIGNIS. Auf Kuba ist eine stetige Zunahme der katholischer Print- und Webmedien festzustellen, die direkt oder indirekt rund 250.000 Gläubige auf der Insel erreichen.

Der Kubaner Gustavo Andujar verweist darauf, dass schon in den härtesten Jahren der sogenannten 'Sonderperiode' in den 90er Jahren immer mehr katholische Zeitschriften erschienen seien. Seiner Ansicht nach handelt es sich dabei auch um eine Reaktion der katholischen Kirche auf Verunsicherung und Hoffnungslosigkeit, die in der Bevölkerung zunehmend um sich gegriffen hätten. Die Veröffentlichungen hätten den Menschen etwas Hoffnung gebracht und sie durch die schwierige Zeit begleitet.

Nachdem die Kirche sich lange nicht habe öffentlich äußern können, habe sie auch einiges zu sagen gehabt, so der stellvertretende SIGNIS-Chef. Dabei sei es ihr nicht unbedingt darum gegangen, in Opposition zum kubanischen Regime zu treten, sondern darum, sich gleichzeitig unterschiedlich zu äußern, aber auch auf Konsens zu achten.


Bedeutung der Laien

Die katholischen Laien spielten bei dieser Ausweitung des kommunikativen Raums eine wichtige Rolle. Sie genossen zwar die Unterstützung der katholischen Hierarchie, der Priester und Bischöfe, mussten aber selbst die Dinge voranbringen. Dabei verfügten viele der Laien über keinerlei formale Ausbildung im Kommunikationsbereich. Dieser Mangel wurde durch Kurse und Seminare ausgeglichen.

Andujar, selbst katholischer Laie, betont die Notwendigkeit einer eigenen klaren Identität, um einen echten Dialog mit dem kubanischen Staat führen zu können. Dieser habe zunehmend verstanden, dass die katholischen Publikationen sich nicht als Konkurrenz betrachten und niemanden bedrohen. Freilich ist die Reichweite begrenzt. Die offiziellen kubanischen Medien auf der anderen Seite nehmen in der Regel von kirchlichen Ereignissen keine Notiz.

Es dürfe auch nicht vergessen werden, dass die katholische Kirche in Kuba lange Zeit eine kleine Kirche gewesen sei, mit sehr wenig Ressourcen und sehr eingeschränkten Möglichkeiten, so Andujar. In den 60er Jahren seien auf Kuba kaum 200 Priester übrig geblieben für eine Bevölkerung von sieben bis acht Millionen Menschen.

Entsprechend nahm die Bedeutung der katholischen Laien zu - worin sich die Situation der Kirche auf Kuba von der anderer Kirchen in Lateinamerika deutlich unterscheidet. Die kubanische Kirche gilt als sehr partizipativ und geeint. Andujar zufolge ist es gelungen, trotz objektiver Hindernisse den Spielraum auszuweiten.


Atheismus wirkt nach

Dem Kommunikationsexperten zufolge lassen sich 40 Jahre struktureller Atheismus auf Kuba nicht mal eben aus den Kleidern schütteln. Es reiche nicht, einige Artikel der Verfassung zu verändern, gibt er zu bedenken. In die Mentalität hunderter kubanischer Funktionäre habe sich eingegraben, dass die Kirche etwas Fremdes und Gefährliches sei - dem Feind zuzuordnen.

Vor allem auf der mittleren Funktionärsebene würden der Kirche Tausend Schwierigkeiten gemacht, es herrsche Angst davor, mit einem Vertreter der Kirche auch nur zu reden, berichtet Andujar. Doch bei allen Problemen, einen Dialog zu führen: die Barrieren würden zweifellos früher oder später unter ihrem eigenen Gewicht einstürzen.

Eine bessere Kenntnis der Gegenseite führe dazu, dass sich viele Vorurteile von selbst auflösten, so Andujar. "Öffnung und Austausch erfordern ein Klima, das frei von Argwohn, Furcht und Verdächtigungen ist." Auf dieser Linie liegt der im Mai begonnene Dialog zwischen Kubas Präsident Raúl Castro und Jaime Ortega, dem Erzbischof von Havanna. Er hat mit der Freilassung politischer Gefangener auch bereits ein positives Ergebnis erzielt.

Grundsätzlich verstehe die katholische Kirche sich aber nicht als politische Alternative oder als Oppositionspartei, unterstreicht Andujar. Sie sei vielmehr die "Mutter" aller Kubaner. Dennoch nehme die Kirche einen bestimmten Blickwinkel ein und urteile von einem ethischen Standpunkt aus kritisch. "Dies ist ein unverzichtbarer Teil ihrer Mission. Die Kirche kritisiert alles, was die Würde des Menschen einschränkt." (Ende/IPS/bs/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2010