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LATEINAMERIKA/1128: Venezuela - Hungerstreik bis in den Tod, Bauer kämpfte um Landrechte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. September 2010

VENEZUELA: Hungerstreik bis in den Tod - Bauer kämpfte um Landrechte

Von Humberto Márquez


Caracas, 1. September (IPS) - Franklin Brito ist tot. Der venezolanische Bauer, der sechs Jahre lang und mit mindestens acht Hungerstreiks um einen rechtmäßigen Titel für sein Land im Südosten des Landes gekämpft hatte, ist in einem Militärkrankenhaus in Caracas einem Herzversagen erlegen, nachdem er zuvor zehn Tage im Koma lag. Er wog zum Zeitpunkt seines Todes nur noch 35 Kilo.

Über seinen Kampf gegen die Verstaatlichung seines 290 Hektar großen Landgutes 'Iguaraya' hatte Brito in mehreren Videos berichtet, die auch auf der Internetplattform 'YouTube' abrufbar sind. Nach seiner Darstellung begann der Streit Iguaraya nahe Ciudad Bolivar in der Region Guayana im Jahr 2000. Damals wehrte sich der Farmer gegen das Vorhaben des Bürgermeisters, Jams-Plantagen mit Pestiziden besprühen zu lassen. Stattdessen schlug er den Anbau schädlingsresistenterer Arten vor. Der Bürgermeister kam mit seinem Projekt nicht durch, zugleich verloren Brito und seine Frau ihre Stellen als Lehrer.


Nutzungsrechte für die Nachbarn

Andere Bauern erhoben daraufhin Anspruch auf Britos Land und erhielten von der zuständigen Behörde INTI die Genehmigung, einen Teil des Grundstückes zu nutzen. Bisher wurden in ganz Venezuela solche Landnutzungsrechten für 2,9 Millionen Hektar vergeben. In der Regel handelt es sich dabei um Latifundien, deren private Besitzer ihre Eigentumsrechte nicht nachweisen konnten. INTI verlangt Belege, die bis in die Zeit vor der ersten Agrareform 1848 zurückgehen.

Auch nachdem Zehntausende Familien vom Staat Nutzungsrechte erhielten, wird weiterhin kontrovers darüber diskutiert, ob die Maßnahmen die Nahrungssicherheit im Land tatsächlich verbessern können. Venezuela muss nach wie vor 60 bis 70 Prozent aller Lebensmittel importieren.

Brito wollte sich sein Land jedoch nicht nehmen lassen. Er beschwerte sich bei der Zentralregierung und der staatlichen Ombudsstelle. Auf dem Weg durch mehrere gerichtliche Instanzen kam seine Klage bis vor den Obersten Gerichtshof. Brito hatte damit aber keinen Erfolg, auch seine Schadenersatzforderungen wurden abgelehnt. Schließlich sah der verzweifelte Bauer keinen anderen Ausweg mehr als den Hungerstreik.

2005 kam es zwar zu einer teilweisen Einigung mit der Regierung, die ihm seine ausstehenden Lehrergehälter zusprach. Zwei Jahre später durfte er sein gesamtes Land wieder nutzen und sollte Geld für den Kauf eines Traktors und anderer Maschinen erhalten, das er jedoch ablehnte. Seither verhärteten sich die Fronten auf beiden Seiten immer weiter.

"Es ist viel Zeit vergangen, viele Türen haben sich geschlossen, und nur der Staatspräsident (Hugo Chávez) kann das Problem noch lösen", soll Brito seiner Frau gesagt haben, bevor er ins Koma fiel und am 30. Oktober verstarb. Seine Familie hat angekündigt, den "Kampf des venezolanischen Volkes für das Recht auf Eigentum und den Zugang zur Justiz" fortzusetzen. (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. September 2010