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LATEINAMERIKA/1125: Chile - Staatlich subventionierte Holzindustrie schafft Armut (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 30. August 2010

Chile: Staatlich subventionierte Holzindustrie schafft Armut

Von Daniela Estrada


Santiago de Chile, 30. August (IPS) - Die subventionierte Holzindustrie ist einer der stärksten Pfeiler der chilenischen Wirtschaft und beschert dem südamerikanischen Land hohe Exporteinnahmen. Gleichzeitig jedoch generiert sie in den Kommunen des waldreichen Südens, in denen sie die Haupteinnahmequelle darstellt, Armut und Not.

Wie das Lateinamerikanische Zentrum für ländliche Entwicklung (Rimisp) in einer neuen Studie festhält, ist die Armutsrate, gemessen am nationalen Durchschnitt, dort doppelt so hoch. "Unserer Ansicht nach ist eine Forstwirtschaft, die 26 Prozent Armut schafft, alles andere als nachhaltig", erklärte Rimisp-Sprecher Eduardo Ramírez.

Die Nichtregierungsorganisation mit Büros in Chile, Bolivien, Ecuador und Nicaragua stützte sich bei ihrer Untersuchung auf die jüngste sozioökonomische Umfrage (Casen) des chilenischen Planungsministeriums sowie auf andere staatliche Erhebungen.

Ramírez warnt, dass die Missstände zu lokalen sozialen Konflikten führen oder die Wirtschaft schwächen könnten. Auch gab er zu bedenken, dass die internationalen Abnehmer von chilenischem Holz und Zellulose immer stärker darauf achteten, wie sich die Produktion auf die Umwelt auswirke.


Florierender Handel mit Zellulose und Holz

Chilenische Holzunternehmen wie Arauco und CMPC werden durch den Export von Zellulosebrei, Papier, Pappe und Spanholz in diesem Jahr Einnahmen von schätzungsweise rund 4,6 Milliarden US-Dollar erwirtschaften. Der Holzunternehmerverband Corma betont auf seiner Website, dass der größte Teil der Exporte einen hohen Mehrwert hat. Als wichtigste Märkte werden die USA, China und Japan genannt.

Die negativen Folgen des Wirtschaftszweigs werden jedoch außer Acht gelassen, wie Ramírez bemängelt. Er hatte im armen Süden des Landes die ökonomische Entwicklung einzelner Kommunen der vier Regionen Bíobío, Araukanien, Los Ríos und Los Lagos, mehr als 500 Kilometer südlich der Hauptstadt Santiago, untersucht. Dabei wurden Erträge der Forstwirtschaft, der Vieh- und Lachszucht sowie des Tourismus berücksichtigt.

Die durchschnittliche Armutsrate in 34 untersuchten Kommunen in Bíobío und Araukanien erreichte demnach 26 Prozent, während der nationale Mittelwert bei 15,1 Prozent liegt. Am schwersten sind die Orte betroffen, in denen die Holzindustrie der Haupterwerbszweig der Bevölkerung ist.

Wie Rimisp ermittelte, ist die materielle Lage in den Kommunen, in denen die Menschen auch Einkünfte aus anderen Quellen beziehen, deutlich besser. Dort, wo Tourismus, Fischzucht und Viehzucht Zusatzeinkommen schaffen, liegt die Armutsrate bei jeweils 21, 15 und zwölf Prozent.

Nach Berechnungen von Rimisp hat die wirtschaftliche Not in den Forstgemeinden zwischen 2006 und 2009 um lediglich 0,3 Prozent abgenommen. In 13 Kommunen in Los Ríos und Los Lagos, die vor allem von der Rinderzucht leben, war dagegen ein Rückgang um mehr als zwei Prozent zu verzeichnen.

"Die große Not der Menschen hängt damit zusammen, dass die Holzfirmen sehr niedrige Löhne zahlen", erklärte Sergio Gatica vom Nationalen Forstrat, der die Interessen von rund 15.000 Beschäftigten in dem Sektor vertritt. Die Gewerkschaftsorganisation fordert eine Anhebung der Einkommen über die Schwelle des gesetzlichen Mindestlohnes von umgerechnet 339 US-Dollar.


Mapuche-Ureinwohner verdrängt

In den Gemeinden, deren Einwohner vorwiegend für die Holzindustrie arbeiten, bewegte sich das monatliche Pro-Kopf-Einkommen im November 2009 sogar nur bei durchschnittlich 214 Dollar. In der Lachszucht Beschäftigte verdienten dagegen 322 Dollar.

Ramírez führte die Schieflage auch auf die mangelnde Zusammenarbeit der Holzunternehmen mit den lokalen Gemeinden zurück. "Die Firmen kaufen immer mehr Land und verdrängen damit nicht nur die ansässigen Wirtschaftszweige, sondern auch die Familien am Ort."

Wie Rimisp haben bereits etliche Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen darauf hingewiesen, dass diese Praktiken zunehmend Unruhe in den indigenen Mapuche-Gemeinden auslösen. Die Mapuche sind mit fast einer Millionen Menschen das größte Ureinwohnervolk Chiles. Die Mehrheit lebt im Süden und kämpft um die Autonomie über ihre Wohngebiete.


Unternehmer pochen auf Subventionen

Etwa 15,9 Millionen Hektar - rund 20 Prozent des chilenischen Staatsgebiets - sind von Wäldern bedeckt. 85,4 Prozent sind Urwald. Auf den restlichen 14,6 Prozent züchtet die Holzindustrie mit staatlichen Hilfen schnellwachsende Bäume wie Pinien und Eukalyptusbäumen - vorwiegend in ökologisch umstrittenen Monokulturen.

Seit mehr als 30 Jahren werden die Unternehmen subventioniert. Im nächsten Jahr sollen die Beihilfen enden. Der Holzindustrieverband Corma drängt jedoch auf eine Fortsetzung der Zahlungen. Er kann auf die Hilfe der Regierung des konservativen Präsidenten Sebastián Piñera zählen, die dem Parlament bereits einen Gesetzentwurf über eine Verlängerung der Beihilfen um zwei Jahre vorgelegt hat. Allerdings sollen Kleinproduzenten und Ureinwohner stärker als bisher von der Holzwirtschaft profitieren. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.mideplan.cl/casen/en/index.html
http://www.rimisp.org/inicio/index.php
http://www.corma.cl/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=96255

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2010