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LATEINAMERIKA/1116: Kuba - Intellektueller warnt vor Destabilisierung des Landes durch Korruption (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. August 2010

Kuba: 'Zerstörerische Korruption' - Intellektueller warnt vor Destabilisierung des Landes

Von Patricia Grogg


Havanna, 13. August (IPS) - Esteban Morales gehörte zu den linientreuen Intellektuellen, die als Stütze des kommunistischen Regimes in Kuba galten. Als der langjährige Direktor des Zentrums für Amerika-Studien jedoch kürzlich die grassierende Korruption in dem Karibikstaat anprangerte, wurde er prompt aus der Partei entfernt.

Morales beharrt darauf, dass die Bestechlichkeit eine ernsthafte Gefahr für die politische und soziale Stabilität des Landes sei. Durch ihre "zersetzende Kraft" werde die Korruption zu einer Angelegenheit der nationalen Sicherheit, sagte der Politologe im Interview mit IPS.

Wie der in Ungnade gefallene Intellektuelle erklärte, hat er gegen seinen Ausschluss aus der Kommunistischen Partei Kubas (PCC) Einspruch eingelegt. "Ich werde alle zuständigen Instanzen anrufen, weil ich denke, dass ich dafür Gründe haben", sagte Morales. Das Amerika-Institut, dessen Gründer er war, will er im September verlassen, um in Pension zu gehen und unabhängig weiterzuforschen.

In das Dissidentenlager werde er keinesfalls überwechseln, versicherte der Experte für die historischen Beziehungen zwischen Kuba und den USA. "Diejenigen, die mich gut kennen, wissen, dass ich ein unerschütterlicher Revolutionär bin."


Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Staatspräsident Raúl Castro hatte kürzlich dazu aufgerufen, dass alle Angelegenheiten des Staates in der Gesellschaft offen diskutiert werden sollten. Seiner Ansicht wollten Castro und die Parteispitze tatsächlich einen kritischen Dialog vorantreiben, meinte Morales. Kritik zu üben, sei aber eine komplexe Angelegenheit, denn "zwischen Wünschen und konkreter Praxis liegt oft eine große Kluft."

Am meisten sei er darüber besorgt, dass die Korruption die Moral im Land zersetzen könne, sagte der Wissenschaftler. Wenn die Ethik geschwächt werde, verliere das politische System an Würde. Alles gehe dann bergab.

Morales forderte, dass effizientere Maßnahmen durchgeführt werden, um Fälle von Bestechlichkeit zu verhindern. Diejenigen, die Geld verwalteten, müssten regelmäßig darüber Rechenschaft ablegen. "In unserem Land gehört der Besitz dem Volk, das sind keine leeren Worte."

Der Politologe hatte sich in der Vergangenheit intensiv mit dem Problem des Rassismus auseinandergesetzt. Das heikle Thema Korruption habe er aufgegriffen, als er erkannt habe, dass die Bestechlichkeit derzeit eine große Gefahr sei, erklärte er. "Jeder muss seine eigenen Schlachten führen und die Risiken dafür in Kauf nehmen", betonte er. Wer dazu nicht bereit sei, solle sich zu Hause unter seinem Bett verstecken.

Die Tatsache, dass Staaten wie die USA, die Kuba feindlich gegenüberstünden, die Debatte über Korruption zu ihren Gunsten ausnutzen könnten, dürfe die Kubaner nicht zum Stillstand zwingen, meinte Morales. Alles, was auf der Insel geschehe, werde von Politikern und Geheimdiensten in den USA genau beobachtet. "Manchmal ist es heilsamer, wenn wir selbst und nicht der Feind unsere Schwächen erkennen." (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. August 2010