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LATEINAMERIKA/1104: Peru - Familien von Bürgerkriegsopfern warten auf Geld (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. Juli 2010

Peru: Familien von Bürgerkriegsopfern warten auf Geld - Regierung spielt auf Zeit

Von Angel Páez

Museum zum Gedenken an die Bürgerkriegsopfer in Ayacucho - Bild: Elias Navarro/IPS.

Museum zum Gedenken an die Bürgerkriegsopfer in Ayacucho
Bild: Elias Navarro/IPS
Huamanga, Peru, 28. Juli (IPS) - Rund zehn Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs in Peru warten noch Zehntausende Familien von Opfern in der südlichen Andenprovinz Ayacucho auf gesetzlich zugesicherte Entschädigungen. Menschenrechtsorganisationen haben die Regierung von Präsident Alan García aufgefordert, das Geld umgehend und ohne Bedingungen auszuzahlen.

Ayacucho war zwischen 1980 und 2000 eine Hochburg der Kämpfe zwischen der Armee und der maoistischen Guerillabewegung Leuchtender Pfad. "Die Regierung zeigt nicht den politischen Willen, Entschädigungszahlungen an Einzelpersonen zu leisten", beschwerte sich Adelina García, die Vorsitzende der Nationalen Vereinigung der Angehörigen von Gefangenen und Verschleppten (Anfasep). Ein vor fünf Jahren in Kraft getretenes Gesetz schreibe dies jedoch vor.

Nach Ansicht der Menschenrechtlerin darf die Regierung nicht länger warten. Zehn Mitglieder von Anfasep seien seit dem vergangenen Jahr gestorben, ohne einen einzigen Centavo der ihr zustehenden Summe erhalten zu haben, erklärte sie. Und fast 10.000 weitere Anspruchsberechtigte hätten bereits das 60. Lebensjahr überschritten.

Garcías Ehemann Zósimo Tenorio wurde am 1. Dezember 1983 von einem Heereskommando aus seinem Haus verschleppt. Seitdem fehlt von ihm jede Spur. Mindestens 76.000 weitere Menschen teilen ihr Schicksal. Zumindest ist dies die Zahl der Opferangehörigen, die bei der für die Entschädigungszahlungen zuständigen Behörde registriert sind.


Krieg traf Bewohner von Ayacucho besonders hart

Von Ayacucho aus hatte der Leuchtende Pfad vor 30 Jahren den Guerillakrieg gegen die Regierung begonnen. Mehr als Drittel der unmittelbar von dem Konflikt betroffenen Peruaner und über 40 Prozent aller Hinterbliebenen von Opfern leben noch in dieser Hochgebirgsregion.

Eine im Februar veröffentlichte Expertenstudie belegt, dass mehr als 80 Prozent der 520 Anfasep-Mitglieder älter als 55 Jahre sind. Die Familien der meisten Frauen sind auseinander gebrochen. Weit weniger als die Hälfte von ihnen ist psychologisch betreut worden, um das Trauma der Gewalt überwinden zu können.

Im Juli zogen insgesamt mehr als 800 Menschen aus 14 Regionen des Landes in die Hauptstadt Lima, um Präsident García an seine Verpflichtungen zu erinnern. Die Vorgängerregierung von Alejandro Toledo hatte 2005 das Gesetz eingeführt, das einen umfassenden Plan zur Entschädigung der Betroffenen vorsieht.

Der Koordinator im Ministerkabinett, Javier Velásquez, traf sich in diesem Monat mit Opferfamilien und kündigte daraufhin die Einsetzung einer Kommission an, die die Entschädigungen von Fall zu Fall festlegen soll. 2011 werde ein staatlicher Fonds von umgerechnet 7,1 Millionen US-Dollar für die Auszahlungen bereitstehen.

Nur einen Tag später erklärte García jedoch, das Geld werde erst dann gezahlt, wenn alle Anspruchsberechtigten registriert seien. Eine Frist dafür nannte er aber nicht. Aus welchem Topf die Entschädigungen geleistet werden sollten, ließ er im Gegensatz zu Velásquez offen. Die Betroffenen reagierten darauf mit großer Beunruhigung.

"Diese Änderungen erschweren eine schnellstmögliche Auszahlung der Entschädigungen", kritisierte Filemón Salvatierra, Vorsitzender des Menschenrechtsverbands Coravip, in dem mehr als 80 Organisationen vertreten sind. Die Regierung vergesse, dass die meisten Familien von Opfern arme Bauern seien, die ihre Rechte nicht genau kennen würden, sagte er im Gespräch mit IPS.


Zahlreiche Menschen spurlos verschwunden

Angélica Mendoza gehört zu denjenigen, die seit fast 30 Jahren um Gerechtigkeit kämpfen. 1983 wurde ihr Sohn eines Morgens von Soldaten aus dem Haus geholt und verschleppt. Seitdem hat die Frau eine Odyssee durch Polizeiwachen und Militärposten hinter sich. Aus einer Kaserne erhielt sie zwar später einen Brief ihres Sohnes aus dem Jahr seines Verschwindens, in dem er dringend um einen Anwalt bat.

Über sein weiteres Schicksal hat die inzwischen 80-Jährige jedoch nie etwas erfahren. Gemeinsam mit anderen Müttern gründete sie Anfasep und eröffnete in dem Ort Huamanga eine Gedenkstätte für die Opfer. (Ende/IPS/ck/2010)


Links:
http://www.registrodevictimas.gob.pe/registro.html
http://qillqakuna.iespana.es/ANFASEP,%20madres.htm
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=96005

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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juli 2010