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FRAGEN/022: Das Wasser, der Nil und das Recht der Menschen ...    der sudanesische Minister Mutaz Musa Abdalla Salim im Gespräch (Martin Lejeune)


Interview mit dem sudanesischen Minister für Wasserressourcen und Elektrizität, Mutaz Musa Abdalla Salim

über den Streit um Wasser am Nil und einen Staudamm in Äthiopien, ägyptische
Verantwortung, die Vermittlerrolle des Sudan und diplomatische Beharrlichkeit

von Martin Lejeune


Am 23. März 2015 unterzeichneten die drei Mitglieder der Nilbeckeninitiative Sudan, Ägypten und Äthiopien in Khartum die "Deklaration der Prinzipien zum Grand Ethiopian Renaissance Dam Projekt" (GERDP). Die Vereinbarung war nach intensiven Bemühungen von Seiten des Sudan zustandegekommen, der zwischen den beiden Streitparteien Äthiopien und Ägypten vermittelte. Im Jahr 2013 hatte Ägypten noch mit Luftangriffen gedroht, sollte Äthiopien das Staudammprojekt ernsthaft weiter vorantreiben. Ohnehin war es bereits Jahre zuvor zu Auseinandersetzungen zwischen Ägypten und dem Sudan auf der einen Seite und den übrigen Nilanrainern auf der anderen um eine gerechtere Verteilung des Nilwassers gekommen. Das Cooperative Framework Agreement (CFA) über die Neuverteilung, das die Verträge von 1929 und 1959 ablösen soll, wurde schließlich 2010 gegen den Widerstand Ägyptens und des Sudan für unterschriftsreif erklärt, mittlerweile von sechs Ländern (Äthiopien, Ruanda, Tansania, Uganda, Kenia, Burundi) unterzeichnet und von dreien (Äthiopien, Ruanda, Tansania) ratifiziert. Endgültig in Kraft tritt es erst, wenn es von sechs Ländern ratifiziert wurde. [1] (Anmerkung der Redaktion Schattenblick)

Raute


Interview mit S. E. Mutaz Musa Abdalla Salim

Frage: Herr Minister, Ihr Land hat erfolgreich im Wasserkonflikt zwischen Äthiopien und Ägypten vermittelt, die beiden Parteien haben zunächst einmal einen Grundsatzvertrag abgeschlossen. Ein Staudammprojekt im Sudan, das unter Beteiligung Ägyptens in Ihrem Land in Angriff genommen wurde, liegt hingegen derzeit auf Eis. Ist das nicht ein Widerspruch?

Wir haben die Einheit unseres Landes verloren, weil wir im Interesse Ägyptens handelten. Das ist nicht vom Grundsatz her schlecht, aber es sollte doch wenigstens von unseren Brüdern in Ägypten entsprechend gewürdigt werden. Warum sage ich das? Weil der Bau des Jonglei-Kanals in den frühen 80er Jahren in Angriff genommen wurde und er im Jahr 1983 [2] fast fertiggestellt war. Das liegt mehr als 30 Jahre zurück und heute, im Jahr 2015 ist der Sudan noch immer nicht in der Lage, seinen Anteil an Wasser zu nutzen. Es diente also ganz offensichtlich nicht dem Wohl unseres Landes, den Kanal zu diesem frühen Zeitpunkt zu graben. Es geschah für Ägypten und wir haben eine ganze Zukunft als geeintes Land verloren. Wäre es um unser eigenes Wohl gegangen, hätten wir weitere 10, 15 oder 20 Jahre gebraucht, um die Nutzung unseres Anteils an Nilwasser zu entwickeln und diesen dann auch erhöhen zu können. Es war also eine Entscheidung, die zur Unzeit getroffen wurde. Natürlich konnte man zu jener Zeit noch nicht wissen, was 30 Jahre später sein würde. Nach heutigen Kriterien war die Entscheidung nicht korrekt, damals vielleicht schon. Ich würde es gewiß begrüßen, wenn Ägypten anerkennt, daß der Sudan ein großes Opfer gebracht hat, um den Bau dieses Kanals zu unterstützen.


Liegender Großbagger auf marschigem Land aus der Vogelperspektive - Foto: Gemeinfrei via Wikimedia Commons,Quelle: USAID

Der Bagger "Lucy" blieb nach Einstellung der Bauarbeitem am Jonglei-Kanal an Ort und Stelle zurück. Zu seiner Zeit war der in Lübeck hergestellte Bagger das weltgrößte Modell.
Foto: Gemeinfrei via Wikimedia Commons,Quelle: USAID

Absehen davon liegt das betreffende Gebiet jetzt in einem Land namens Südsudan. Das heißt, wir müssen dorthin, uns mit dem Südsudan zusammensetzen und verhandeln. Wenn wir wollen, daß etwas geschieht, ist das der einzige Weg. Es ist nicht mehr Sache des Sudan, diese Entscheidung zu treffen und den Kanal zu bauen. Prinzipiell läßt sich jedoch sagen, daß es nicht stimmt, daß die Sudd-Regionen durch die Konstruktion des Kanals vollständig zerstört werden. [3] Das ist ganz sicher nicht so. Er wird nur 4 Milliarden von insgesamt 18 Milliarden Kubikmeter Wasser abziehen. Das heißt, daß noch sehr viel Wasser dort verbleiben wird.

Frage: Es gibt Bedenken bezüglich möglicher Auswirkungen auf das regionale Klima.

Ja, wenn man die ganze Region in einen einzigen Abfluß verwandeln würde, wie ein ganz gewöhnlicher Fluß ihn darstellt. Aber das ist nicht der Fall. Der Kanal zweigt einen geringen Teil ab, um das Wasser am Fließen zu halten und der Rest verbleibt dort. Ich meine, daß das Gebiet dadurch nicht komplett verändert wird, da liegt vielleicht ein Mißverständnis vor. Aber letztendlich sind, wie auch immer der Fall liegt, Diskussion, Verhandlungen, Runder Tisch - vernünftige, gleichberechtigte Gespräche - der einzige gangbare Weg. Und wenn sie sich überzeugen lassen und einen Vorteil für sich darin sehen, gut, dann setzen wir das ganze fort. Und wenn nicht, dann werden wir solange warten wie es erforderlich ist - entweder bis alle davon überzeugt sind oder wir lassen es ganz fallen, wenn es keinen Weg voran gibt. Aber mit voranschreitender Zeit verändert sich auch das Leben und das Verständnis für die Situation wird besser. Vielleicht nicht im kommenden Jahrzehnt, aber drei, vier, fünf Jahrzehnte später. Dann wird es immer noch Menschen im Sudan und immer noch Menschen in Ägypten und im Südsudan geben und sie werden zusammenkommen und miteinander reden. Es geht darum, strategisch und über eine lange Zeit zu denken, aber die Spielregel besagt nunmal, daß wir uns mit dem Südsudan zusammensetzen, ihn an Bord holen und ihn überzeugen müssen. Dann erst geht es los.

Frage: Durch diesen Verhandlungserfolg ist das Ansehen des Sudan in der internationalen Diplomatie gestiegen, denn es war ein Konflikt, den man für nicht wirklich lösbar gehalten hat. Schon Mubarak hatte damit gedroht, einen Krieg zu beginnen. Könnten Sie etwas mehr über die Vermittlung und den Kern der Vereinbarung sagen. Welche Rolle spielt dabei die Nilbeckeninitiative [4] mit dem Südsudan, Uganda, Tansania und den anderen Anrainern?


Landkarte - By Hel-hama (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Der Nil mit Nebenflüssen und Anrainerstaaten
By Hel-hama (Own work) [CC BY-SA 3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Aufgabe der Nilbeckeninitiative ist die Weiterentwicklung der Zusammenarbeit der beteiligten Staaten sowie die Vertiefung des Verständnisses für die Ressourcen an sich und dafür, wie man sie zum Wohle aller gemeinsam entwickelt und managed. Es geht darum, daß ein Land nicht mit seinen nationalen Interessen und Plänen isoliert für sich steht, sondern man denkt bei der Entwicklung von Projekten regional. Das ist der Kern der Sache. Der Grand Renaissance Dam war in dieser Hinsicht eine große Herausforderung. Es war der erste Belastungstest, der zeigen sollte, ob es im konkreten Fall wirklich eine gute Grundlage für die Suche nach Lösungen gibt. Man kann unendlich über das Thema Zusammenarbeit reden, aber es ist etwas anderes, wenn man an den Punkt kommt, wo es gilt, einen Beschluß zu fassen. An der Stelle ist Zusammenarbeit wirklich vonnöten. Dieser Konflikt war vielleicht sogar die größte Herausforderung, die sich uns stellen konnte. Schlimmeres steht nicht zu erwarten. Meiner Meinung nach haben wir mit dieser Vereinbarung alle Probleme, sogar solche, die potentiell noch folgen könnten, mitgelöst. Es wird definitiv leichter, die Probleme werden definitiv wesentlich kleiner sein.

Die drei Länder waren sich darüber hinaus bereits seit sehr langer Zeit ihrer Sorgen bewußt. Allerdings waren sie sich nicht gleichermaßen der Vorteile bewußt, die sich aus dieser Herausforderung ziehen lassen. Der Sudan hat nun mit seiner Vermittlung erstens dafür gesorgt, daß wir alle drei uns darüber klar werden konnten, welchen Nutzen dieses Projekt bringen kann, und zweitens, wie wir das Problem praktisch lösen und damit die Bedenken zerstreuen können, die das Projekt in unseren Ländern ausgelöst hat. Diese beiden Punkte wurden geklärt. Was in der Regel zu Hemmnissen führt, ist, daß man keine klare Vorstellung davon hat, was auf technischer Ebene vor Ort getan werden muß. Zudem ist der politische Wille entweder mangelhaft oder zu arrogant, geht in die falsche Richtung oder zögert; das heißt, man schert sich nicht wirklich um das, was passiert. Der Sudan hat zur richtigen Zeit in den drei Ländern den politischen Willen geschaffen, sich mit dem, was in technischer Hinsicht beschlossen wurde, vertraut zu machen. Das Abkommen am 23. März in Khartum ist der Ausdruck eines einzigartigen, historischen Moments, an dem technisches Expertenwissen und politischer Wille zusammengeflossen sind. Überall dort, wo die beiden nicht übereinstimmen, entspringen Schwierigkeiten. Es ist sinnlos, wenn man entweder gut informierte Experten hat, denen die Politiker nicht zuhören, oder Politiker sich äußern und die Techniker nicht verstehen, worum es geht. Das Geschehen in Khartum war ein sorgfältig geschaffener, historischer Moment. Der Sudan hat fast drei Jahre lang daran gearbeitet, diese fein abgestimmte, sichere Landung hinzubekommen, die Übereinstimmung zwischen technischem Verständnis und politischem Willen. Das hat meiner Meinung nach zu diesem sehr soliden, wohlfundierten Abkommen zwischen den drei Ländern geführt, das es uns ermöglicht, die größte Unternehmung am Nil, die es je gegeben hat, zum Wohle aller in Angriff zu nehmen.

Frage: Wie genau haben Sie das bewerkstelligt?

Man muß die ganze Zeit davon überzeugt sein, daß es zu schaffen ist. Wenn man allerdings täglich den Fortschritt zu bemessen sucht, gibt man sicher schnell auf und sagt nach einer Woche: Es ist unmöglich. Wenn ich mit allen Freunden und Brüdern im Sudan und in anderen Ländern spreche und mich dann nur frage, wie das wohl zustandekommen kann, wird es nie etwas. Am Ende ist es nicht nur ein Wunsch; sich etwas zu wünschen, ist immer bedeutungslos. Ich will damit sagen: Wir haben den Fall sorgfältig studiert und waren absolut davon überzeugt, daß es Mißverständnisse gibt. Unsere Studien haben deutlich gezeigt, daß dies etwas ist, das uns allen Vorteile bringen wird. Die Äthiopier wollten Zugang zu mehr Wasser, das aus ihrem Land kommt, aber sie wollen es meiner Meinung nach nicht verbrauchen. Das können sie auch gar nicht. Sie wollen nur die Energie des Wassers nutzen. Darin sehe ich kein Problem. Und der Natur der Sache nach, wenn man die Energie des Wassers nutzen will, bedeutet das, daß man soviel laufenlassen will, wie möglich, damit es die Turbinen in Gang setzt und damit deine Anlage.


Wasserfall, ein üppig bewachsenes Ufer, im Hintergrund Graslandschaft mit Bäumen, weit hinten Berge - Foto: By Giustino [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Die Tis-Issat-Fälle des Blauen Nil am Tana-See, Äthiopien
Foto: By Giustino [CC BY 2.0 (http://creativecommons.org/licenses/by/2.0)], via Wikimedia Commons

Darum geht es Äthiopien und dem Sudan. Um das Wasser zur Stromgewinnung abwärts zu treiben, muß man es stauen. Was ist daran falsch? Ich sehe da kein Problem. Ägypten wollte eine Zusicherung, daß der Sudan diesbezüglich keine versteckte Agenda hat. Es ist eine Frage der Zweckmäßigkeit, es geht um eine größere Leistung und die Vermeidung von Geröll und Verschlammung, das ist alles. Sie waren nach und nach davon überzeugt, daß wir die Vereinbarung von 1959 [5] nicht gebrochen haben, die jetzt seit fast 50 Jahren besteht. Unter allen unterschiedlichen politischen Führungen, die in Khartum aufeinander folgten, wurde kein einziger Verstoß des Sudan protokolliert. Es hat nie einen gegeben, warum sollte es also jetzt der Fall sein? Ich denke also, es ist geschafft, die gesamte Stimmung hat sich verändert. Die Menschen sollten das Dokument, das unterschrieben wurde, nicht nur als etwas verstehen, das die Lage allein bezogen auf das Projekts verbessert. Nein, es verändert das Lebensgefühl und die Stimmung ganz allgemein, was die Verhältnisse und Beziehungen zwischen unseren drei Ländern betrifft. Alles wird jetzt einfacher.

Kurze Zeit darauf ist die neue Straße nach Wadhi Halfa eröffnet worden und Sie können sich vorstellen, was das bedeutet. Man kann jetzt von Alaxandria aus bis nach Äthiopien und noch weiter reisen. Man kann tief bis ins südliche Afrika reisen. Das Leben hat sich sehr verändert, es gibt den Austausch von Besuchen und Vertrauen. Wie Sie wissen, ist Vertrauen keine Ware aus dem Regal, die man kauft, wenn man es sich leisten kann, sondern es ist ein Prozeß, den wir anstoßen müssen. Wenn dieser Prozeß nur aus einem ganz speziellen Inkubator stammt, ist er nicht überlebensfähig. Wir haben also eine Art Vertrauensinkubator unter uns drei Ländern geschaffen und was auch immer darin zur Welt kommt, wird überleben, lebensfähig sein und weitergehen. Ich denke, daß wir jetzt die richtige Richtung genommen haben. Es ist ein riesiger, großartiger, guter Start für 250 Millionen Menschen, die ansonsten sehr hätten leiden müssen. Wenn man an Plan B denkt, daß diese Vereinbarung nicht getroffen wäre, ist das unvorstellbar. Das ist Kampf, das ist Tod, ein verzweifeltes Leben, verzweifelte Zukunft. So gesehen war das wirklich wunderbar.


Ein Mann in einem kleinen Boot im Uferbereich auf dem Nil - Foto: By M. Disdero, April 2005 [CC BY-SA 2.5 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Der ewige Nil
Foto: By M. Disdero, April 2005 [CC BY-SA 2.5
(http://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Die Menschen werden sehr bald erkennen, daß die richtige Entscheidung getroffen wurde. Die Befürchtungen werden sich auflösen, die Zusammenarbeit Nutzen bringen, das Leben wird besser sein und sie werden mehr bekommen.

Frage: Wie steht es um die ökologischen Folgen des Projekts? Auch wenn damit vielleicht die Überflutungen reguliert und die Menschen profitieren werden, zeigt doch das Beispiel des Assuan-Damms in Ägypten die Probleme, die entstehen können. Dort werden fruchtbare Sedimente zurückgehalten, die für die Landwirtschaft wichtig sind.

Das sind zunächst einmal sehr allgemeine Aussagen und man sollte nicht nach dem ersten Augenschein urteilen. Das muß noch einmal genauer untersucht und die Studie muß aktualisiert werden. Die Auffangeffizienz jedes Damms schwindet mit der Zeit. Der Damm fängt alles ein, insbesondere stoppt er Geröll und Sedimente und füllt sich nach und nach. Für Ägypten trifft das sicher alles zu, im Falle des Nils stimmt das, aber im Sudan liegt der Fall anders. Hier haben wir ein riesiges Wassernetzwerk, saisonales Wasser, das den Fluß speist und eine riesige Menge an Sedimenten mit sich führt. Leichtes Sediment, das wirklich für die Fruchtbarkeit des Bodens vonnöten ist. Problematischer sind Schotter und schwere Sedimente, die sich aus Äthiopien kommend mit dem Flußverlauf bewegen und vorwärtsschieben. Sie sind zu schwer. Wenn sie in unsere Kanäle gelangen, verursacht es hohe Kosten, diese wieder auszubaggern. Das aber, was der Sudan zur Düngung braucht, bleibt erhalten. Es macht das Wasser ein wenig trübe, ist sehr leicht und treibt mit der Wasserströmung, kommt auf den Ackerboden und setzt sich ab. Das ist in Ordnung. Was der Damm in der Tat zurückhalten wird, ist das Geschiebe vom Grund und das ist auch gut so, denn wenn es sich am Grund weiterbewegt, gelangt es in den Kanal und wir müssen es dann jedes Jahr wieder herausholen. Das ist sehr lästig und sehr teuer. Das wird also unterbunden, darum geht es uns.


Foto: By Hajor (Own work) [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) oder CC BY-SA 1.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/1.0)], via Wikimedia Commons

Neuer Damm bei Assuan (Assuan-Hochdamm), aufgenommen vom Monument der Sowjetisch-Ägyptischen Freundschaft aus
Foto: By Hajor (Own work) [GFDL
(http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html), CC-BY-SA-3.0
(http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/) oder CC BY-SA 1.0
(http://creativecommons.org/licenses/by-sa/1.0)], via Wikimedia Commons

Frage: Wie sieht der nächste Schritt aus? Was wird die Nilbeckeninitiative als nächstes unternehmen? Wird es ein Treffen mit den anderen Ländern geben, die nicht in diese Vereinbarung eingebunden sind?

Es handelt sich hier um zwei verschiedene Dinge. Sie beeinflussen sich zwar auf gewisse Weise, aber das eine hängt nicht unbedingt vom anderen ab oder scheitert daran. Erstens, was den Grand Ethiopian Renaissance Dam angeht, so betrifft er nur die drei Länder und das ist abgeschlossen. Was die Nilbeckeninitiative angeht, so besteht sie schon seit 1999 und folgt auf ein Programm, das im Jahr 1967 seinen Anfang nahm. [6] Ägypten hat seine Teilnahme ausgesetzt und das war unserer Meinung nach, das habe ich offen gesagt, falsch. Wenn Länder dich zu 100% mit dem Lebensnotwendigen versorgen, solltest du nicht wegbleiben und sagen: 'Nein, ich bin verärgert. Das ist mir egal. Was soll das überhaupt? Ich werde nicht kommen.' Auch wenn man verfeindet ist, das geht nicht bei diesen Ländern. Man muß sich zusammensetzen und reden.

Auch der Sudan hat im Jahr 2010 genauso wie Ägypten seine Mitgliedschaft eingefroren, aber wir haben unsere Haltung unmittelbar darauf wieder geändert und die Zusammenarbeit wieder aufgenommen. Was wir heute haben, ist ein Ergebnis der Zusammenarbeit mit den anderen. Dann kann man solche Übereinkünfte treffen. Für die nächsten Jahre zumindest werden wir über ihre Pläne informiert sein, darüber, wie sie denken, wieviel sie maximal ihrem Bedarf gemäß verbrauchen können und so weiter. Wir tauschen Ideen aus, Informationen und Daten und wir haben unsere Pläne auf eine Weise abgeschlossen, die wirklich den regionalen Erfordernissen entspricht. Ich meine, daß Ägypten jetzt seine Position überdenkt. Im Februar waren sie das erste Mal nach vier, fünf Jahren der Nichtteilnahme wieder in Khartum beim Treffen der Nilbeckeninitiative. Das heißt, wir sind auf dem richtigen Weg und es wird vorangehen. Ich bin mir sicher, daß sie zurückkommen werden. Es ist allerdings schlecht, zu spät zu kommen, denn in der Zwischenzeit kann man nur verlieren.

Ein weiterer Prozeß, den wir in Angriff nehmen müssen, ist das Rahmenabkommen (Cooperative Framework Agreement, CFA), das auch unter dem Namen Entebbe-Konvention bekannt ist. Gemeinsam mit Ägypten ist der Sudan der Meinung, daß es drei offene Punkte gibt, über die wir sprechen müssen. Aus welchem Grund auch immer Ägypten 2010 seine Position geändert hat - ihr Minister kam, um alles wegzuwerfen, das zuvor auch von Ägypten mit vereinbart worden war -, es führte zur Entscheidung der Länder, die Tür zu schließen und das Abkommen zu unterzeichnen. So kann eine unvorsichtig kalkulierte Aktion zu einer Katastrophe der Art führen, wie wir sie jetzt haben. Falls die Länder, die jetzt den CFA abgeschlossen haben, sich dafür entscheiden, ihn für die Diskussion über die drei ungeklärten Punkte zu öffnen, werden wir das am Ende tun. Wenn nicht, bleiben wir Freunde und arbeiten in anderen Gremien zusammen, was noch immer in Ordnung ist. Wir haben keine Probleme miteinander.

Frage: Das wichtigste ist jetzt erst einmal vom Tisch mit der Grundsatzerklärung zum Grand Renaissance Dam.

Oh ja. Wir tun tatsächlich alles dafür, um solche Probleme lösen zu können wie das des Grand Renaissance Dam. Wenn man Klettern trainiert, sollte man dazu auch in der Lage sein, wenn es erforderlich ist. Es geht nicht an, daß man 40 Jahre lang trainiert und dann im entscheidenden Moment sagt: Oh, ich weiß nicht, wie das geht. Alle Anstrengungen, die wir in der Nilbeckeninitiative unternommen haben, 30 Jahre unterschiedlicher Programme, dienten dazu, daß wir im konkreten Fall, wenn wir vor einem Problem stehen, in der Lage sind, es zu lösen. Und ich denke, das haben wir geschafft.

Vielen Dank, Herr Minister, für dieses Gespräch.


[1] http://www.nilebasin.org/index.php/about-us/the-nb-cooperative-framework

[2] 1983 begann der Bürgerkrieg im Sudan - ein Krieg um Wasser zunächst - und 1984 wurde der Bau des Jonglei-Kanals unterbrochen, nachdem er etwa zu 70% fertiggestellt war. Der Südsudan hat sich gegen eine Fortsetzung der Bauarbeiten entschieden, Ägypten setzt sich nach wie vor für das Projekt ein.

[3] Sudd - artenreiche Sumpflandschaft mit zahlreichen Seen im Südsudan.
"So, wie es ursprünglich geplant war, hätte das Kanalprojekt schwerwiegende Umweltschäden in den Feuchtgebieten des Sudd verursacht [10.14]. Ungeachtet der zahlreichen sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme, die sich bei einer möglichen Wiederaufnahme des Baus stellen, ist die Durchfürbarkeit des Projekts schon aus diesen Gründen zweifelhaft. Wie auch immer, die wichtigste Lektion, die wir vom Jonglei-Kanal gelernt haben, ist, daß Großprojekte, denen es vor Ort an Unterstützung mangelt, riskant sind und daß es ausgiebige Konsultationen sowie einen Vorteilsausgleich erfordert, wenn man diese Unterstützung erhalten will." (Übersetzung: Redaktion Schattenblick)
Quelle: postconflict.unep.ch/publications/sudan/10_freshwater.pdf

[4] Die Nilbeckeninitiative der Flußanrainer umfaßt 11 Länder: Ägypten, Äthiopien, Burundi, DR Kongo, Eritrea (Beobachterstatus), Kenia, Ruanda, Südsudan, Sudan, Tansania und Uganda
http://www.nilebasin.org/
http://www.nilebasin.org/index.php/about-us/nile-basin-initiative

[5] Die 1929 und 1959 geschlossenen Verträge berechtigen Ägypten zu einer Entnahme von 55,5 Mrd. Kubikmeter einer zugrundegelegten Menge von insgesamt 84 Mrd. Kubikmeter Nilwasser. Der Sudan hat ihnen zufolge ein Anrecht auf 18,5 Mrd. Kubikmeter. Außerdem beinhalten diese Verträge ein Vetorecht Ägyptens für alle wasserbezogenen Projekte flußaufwärts.

[6] Das Hydromet-Projekt (ab 1967) widmete sich hydrometeorologischen Studien in der Region der Großen Afrikanischen Seen.

*

Quelle:
Martin Lejeune, 06.05.2015
Freier Journalist, Berlin
E-Mail: info@martinlejeune.com
Homepage: www.martinlejeune.com
Facebook: www.facebook.com/lejeune.berlin
Blog: martin-lejeune.tumblr.com

Transkription und Übersetzung aus dem Englischen:
Redaktion Schattenblick


veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2015

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