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ASIEN/986: Vietnam - Trong KP-Generalsekretär und Staatspräsident in Personalunion (Gerhard Feldbauer)


Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams, Nguyen Phu Trong, ist neuer Präsident Vietnams

Ob es bei der bewährten Personalunion bleibt, ist offen

von Gerhard Feldbauer, 26. Oktober 2018


Der Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV), Nguyen Phu Trong, ist am Dienstag von der Nationalversammlung zum Präsidenten der Sozialistischen Republik Vietnam (SRV) gewählt worden. Der bisherige Amtsinhaber, Tran Dai Quang, war im September verstorben. Der 74jährige Trong, der seit 2011 als Parteichef an der Spitze des höchsten politischen Amtes der Führung im Einparteiensystem Vietnams steht, wurde vom Zentralkomitee der KPV einmütig, wie die Nachrichtenagentur Vietnam News Agency (VNA) berichtete, vorgeschlagen und war der einzige Kandidat. Die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Es ist das erste Mal seit der Staatsgründung durch Ho Chi Minh 1946, dass es zur Personalunion von Partei- und Staatschef kommt. Ob es dabei bleibt oder ob es auch zu einem Wechsel an der Spitze der KPV kommt, ist offen.

Der Politologie-Professor Trong hat seit seinem Amtsantritt als Parteichef einen Schwerpunkt auf die Vertiefung des 1986 eingeleiteten Erneuerungsprozesses der Wirtschaft (Doi Moi) gelegt. Im Rahmen einer sozialistischen Marktwirtschaft wurde seitdem der privatkapitalistische Sektor in die Planung der Wirtschaft einbezogen. Gleichzeitig sicherte Trong in diesem Prozess die führende Rolle der Kommunistischen Partei. Im Ergebnis von Doi Moi stieg das einstige Agrarland im letzten Jahrzehnt mit Wachstumsraten von bis zu sechs Prozent zur stärksten Wirtschaftsmacht im südostasiatischen Raum und zu einem der führenden Industriestaaten Asiens auf. An einem gigantischen Invest-Programm nehmen Tausende kapitalistische Unternehmen, darunter Konzerne wie Siemens, mit Milliarden US-Dollar teil. Der Privatsektor sei "zu einem wichtigen Motor der nationalen Wirtschaft geworden", hob VNA hervor. Seine weitere Entfaltung und Einordnung in die nationale Wirtschaft wurde im neuen Fünfjahresplan (2016-2021) als "eine zentrale Aufgabe" festgeschrieben.

Vietnam ist heute weltweit zweitgrößter Kaffeeexporteur und steht an dritter Stelle bei der Reisausfuhr. Auch bei Fisch, Pfeffer und Cashew-Nüssen belegt es einen der vorderen Plätze. Damit wird es aber auch von den Auswirkungen der weltweiten Krise des Kapitals und dem von den USA entfachten Handelskrieg erfasst und muss sich darauf einstellen. Vietnam setzte unter Trong auf der Grundlage des Einsatzes modernster Technologien auf die weitere Industrialisierung und will eine "Start-up"-Nation werden. Bei der Hafenstadt Haiphong sind riesige Unternehmen für die Produktion eigener Motorroller und Autos im Entstehen. Im Sommer 2019 sollen ein hochwertiger SUV und eine Mittelklasse-Limousine und Ende 2019 kleine PKWs mit Elektroantrieb vom Band rollen. Geplant ist ein Ausstoß von jährlich 100.000 bis 200.000 Fahrzeugen.

Die Kooperation mit ausländischen kapitalistischen Konzernen führte zu schwerwiegenden Korruptionserscheinungen unter führenden Managern der vietnamesischen Unternehmen. Trong bildete eine Anti-Korruptions-Kommission des Zentralkomitees und übernahm persönlich die Leitung. In einer Serie von Prozessen wurden Dutzende Partei- und Wirtschaftsfunktionäre zur Verantwortung gezogen. Im Januar wurden 22 hochrangige frühere Manager staatlicher Unternehmen des Energie- und Bankensektors wegen Annahme von Bestechungsgeldern und Veruntreuung von Hunderten Millionen Euro zu lebenslangen und langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Trong, der 2016 als erster Generalsekretär der KPV Washington besuchte, legt Wert auf ausgeglichene Beziehungen zu den USA, einem wichtigen Handelspartner Vietnams. Nachdem im Mai 2016 Obama in Hanoi war, besuchte Trump als vierter US-Präsident seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1995 im Januar 2018 Vietnam. Beide Male wurden Dutzende Milliarden US-Dollar umfassende Wirtschafts- und Handelsabkommen unterzeichnet. Zuvor hatte Trump mit 60 der größten US-amerikanischen Unternehmen an dem von Vietnam in Da Nang ausgerichteten Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) teilgenommen.

Trong wies alle Versuche der USA, Vietnam im Konflikt mit der VR China um die Paracel- und Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer auf seine Seite zu ziehen, entschieden zurück, was Grundlage für verbesserte Beziehung zu Peking bildete. Ihm deswegen eine prochinesische Haltung nachzusagen, geht an der Realität einer für Vietnam immer schon charakteristischen Pragmatik vorbei. Davon zeugte zuletzt auch im September 2018 ein Besuch Trongs in Moskau, wo er von 1981-83 an der Akademie für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften der UdSSR ein Zusatzstudium absolviert hatte. Trong und Putin bekräftigten mit mehreren Abkommen ihre allseitige "strategische Partnerschaft", die auch militärische Aspekte umfasst.

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Quelle:
© 2018 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2018

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