Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → AUSLAND


ASIEN/964: Vietnam - 12. Parteitag mit positiver Bilanz des wirtschaftlichen Erneuerungsprozesses (Gerhard Feldbauer)


KP Vietnams behält die Zügel in der Hand

12. Parteitag mit positiver Bilanz des wirtschaftlichen Erneuerungsprozesses Doi Moi

von Gerhard Feldbauer, 29. Januar 2016


Der 12. Parteitag der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) ist am Donnerstag mit der Wahl der leitenden Parteigremien, der Wiederwahl Nguyen Phu Trongs zum Generalsekretär, der Verabschiedung des neuen Fünfjahrplans der Wirtschaft und weiterer Dokumente nach achttägigen Beratungen zu Ende gegangen. Von 180 Mitgliedern des ZK wurden 100 wiedergewählt. Im 19 Mitglieder zählenden Politbüro sind Staatspräsident Trung Tan Sang, Premier Nguyen Tan Dung und der Vorsitzende der Nationalversammlung Nguyen Sinh Hung und auch Verteidigungsminister Phung Quang Thanh nicht mehr vertreten. Erfahrungsgemäß zieht das auch die Neubesetzung dieser Spitzenpositionen nach sich.

Im Mittelpunkt des Rechenschaftsberichts des Parteichefs über die Erfüllung der Aufgaben des 11. Parteitages 2011 stand der im Rahmen des Erneuerungsprozesses Doi Moi erreichte hohe Wirtschaftsaufschwung. Grundlage dafür sei gewesen, so Trong, dass die KPV als "Vertreterin aller Schichten des Volkes und der Nation" ihre führende Rolle weiter gefestigt habe. Von den 93,5 Millionen Einwohnern (2014) gehören über 4,6 Millionen der Partei an. Die Entwicklung "einer starken und transparenten Partei" bleibt im neuen Fünfjahrplan weiter strategischer Schwerpunkt für den wirtschaftlichen Aufschwung und die Verbesserung der Lebensbedingungen der Bevölkerung. Der "Kernpunkt" sei, die "Beziehungen zwischen Volk und Partei" zu vertiefen. Beobachter vermerkten, dass dazu in der Diskussion das ZK-Mitglied und Leiter der Verteidigungsakademie, Generalleutnant Vo Tien Trung, ein enger Kampfgefährte des 2014 verstorbenen legendären Militärs Vo Nguyen Giap, sprach und als Kriterien nannte, die führenden Kader der Partei müssten sich "in der Arbeit bewähren und sich durch außergewöhnliche Moral und Verantwortungsbewusstsein" auszeichnen. Sie müssten "über die Fähigkeit strategischen Denkens" verfügen bzw. ihnen diese Eigenschaften vermittelt werden.

Mit den vor 30 Jahren eingeleiteten "Erneuerungen" (Doi Moi) stieg das einstige Agrarland mit einer Wachstumsrate von 5,89 Prozent (2014) - der stärksten im gesamten südostasiatischen Raum - zu einem der führenden Industriestaaten Asiens auf. Zu Doi Moi gehört ein gigantisches Invest-Programm, an dem Tausende kapitalistische Unternehmen, darunter Konzerne wie Siemens, mit Mrd. USD beteiligt sind. Der Privatsektor sei "zu einem wichtigen Motor der nationalen Wirtschaft geworden", hob Vietnam News Agency (VNA) in einem Bericht über den Parteitag hervor. Die weitere Entfaltung der Privatbetriebe und ihre Einordnung in die nationale Wirtschaft bleibe "eine zentrale Aufgabe".

Während in den meisten Ländern der Dritten Welt Millionen Menschen unter Hunger und Elend leben und viele sterben, haben die Vietnamesen ein bescheidenes aber besseres Leben, die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln und - wenn oft auch noch bescheidenem Wohnraum - ist gewährleistet. Der Anstieg der Verbraucherpreise wurde 2015 weiter eingedämmt. Die Inflationsrate auf 2,24 Prozent gesenkt.

Das Bruttoinlandsprodukt erreichte 188 Mrd. USD, was pro Kopf der Bevölkerung 2.072 USD ausmacht. Die Sozialistische Republik Vietnam ist damit ein "Middle Income Country". Der Jugend stehen alle Möglichkeiten der Bildung offen. Allein Ho Chi Minh-Stadt, die von zwei auf fast acht Millionen Einwohnern anwuchs, verfügt dazu über 50 Universitäten und Hochschulen. Um diese Entwicklung zu garantieren, enthält der neue Fünfjahrplan hohe Kennziffern.

In die Wirtschaftsstrategie spielt auch der umstrittene Beitritt zum "Transpazifischen Partnerschaft"-Handelsabkommen (TPP), einem Gegenstück zum "Transatlantischen Freihandelsabkommen" (TTIP), hinein. Beide Verträge, die angeblich dem Austausch von Waren und Dienstleistungen dienen sollen, schreiben jedoch die vorherrschende Rolle der USA fest. Befürworter machten geltend, dieser Schritt sei - ähnlich wie vorher der Beitritt zur WTO - erforderlich gewesen, um den Außenhandel , der 2014 148 Mrd. USD betrug, auf neue internationale Bedingungen einzustellen und zu gewährleisten. Der SRV zugetane Beobachter meinen, Hanoi sei sich auf der Grundlage seiner als pragmatisch bekannten Politik der Gefahren bewusst und verfüge über genügend Selbstbewusstsein, den Risiken zu begegnen.

Über dem Parteitag lag der Schatten des Konflikts im Südchinesischen Meer, wo die VR China Gebiete auf Inseln vor der Küste Vietnams (vor allem die Paracel- und Spratly-Inseln) beansprucht und die USA die Auseinandersetzungen für ihre Führungsansprüche nutzen und versuchen, Vietnam auf ihre Seite zu ziehen. Die SRV hat bisher alle Versuche, sich dazu manipulieren zu lassen, entschieden zurückgewiesen. Diesen Kurs, so bekräftigte Trong, werde Vietnam mit den Grundsätzen fortsetzen: "seine Unabhängigkeit und seine Souveränität zu bewahren sowie den Frieden und die Stabilität zu gewährleisten". Davon zeugen u. a. seine Aktivitäten in der ASEAN.

*

Quelle:
© 2016 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2016

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang