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ASIEN/937: Sri Lanka - Lieber im Meer als in der Armut versinken (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. Februar 2015

Sri Lanka: Lieber im Meer als in der Armut versinken - Doch Chancen auf ein Leben in Australien gleich null

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Die meisten in Australien Asyl suchenden Srilanker werden nach einer langen und gefährlichen Odyssee in die Heimat deportiert
Bild: © Amantha Perera/IPS

Colombo, 26. Februar (IPS) - Weerasinghearachilage Ruwan Rangana hatte sich auf die Reise ins 'gelobte Land' Australien gründlich vorbereitet. Als er sich dann mit drei Dutzend weiteren Srilankern eines Nachts im September am Strand einfand, um an Bord eines maroden Kahns zu gehen, war die Vorfreude größer als die Angst, unterzugehen.

Drei Wochen lang war der 20 Jahre alte Fischkutter unterwegs, ebenso lange beteten seine Passagiere darum, dass das lecke Boot durchhalten möge. Und tatsächlich: Wie durch ein Wunder erreichten die Männer das australische Küstengewässer in der guten Hoffnung, es geschafft zu haben.

Auch Rangana machte sich auf die nächsten Phasen des Abenteuers gefasst. Er malte sich aus, wie er einen Asylantrag stellen und einen Job finden würde, um später seine Familie nachkommen zu lassen. "Das war der Plan", sagt der junge Mann in den 20ern, der bis zu seiner Abfahrt als Angestellter der staatlichen Ceylon-Transportbehörde in Angunakolapelessa, einem abgelegenen Dorf im Bezirk Hambantota im Süden Sri Lankas, monatlich 90 Dollar verdient hatte.

Doch dann kam es für ihn und seine Landsleute ganz anders. Nachdem der Kahn trotz eines Lecks australische Gewässer erreicht hatte, wurde er von der australischen Marine aufgegriffen, nach einem kurzen Screening der Insassen ins offene Meer zurückgeschickt und bis zur srilankischen Hafenstadt Galle eskortiert, wo die Menschen den dortigen Behörden übergeben wurden.

Rangana hatte noch Glück im Unglück. Da seine Angehörigen die Kaution in Höhe von 5.000 Rupien (rund 45 Dollar) aufbrachten - viel Geld für eine Familie, die mit monatlich 300 Dollar klar kommen muss - blieben ihm etliche trostlose Nächte im Gefängnis erspart. Inzwischen ist er wieder zurück in seinem Dorf. Arbeitsplatz und Ersparnisse in Höhe von 1.500 Dollar sind futsch. "Das Leben ist hart. Aber vielleicht schaffe ich es doch mal eines Tages, nach Australien zu kommen. Ist es nicht so, dass jeder, der australisches Küstengewässer erreicht, berechtigt ist, die australische Staatsbürgerschaft zu beantragen?", fragt er scheinbar unbeeindruckt von der Ablehnung, die er von australischer Seite erfahren hat.


Geringe Chancen durchzukommen

Rangana ist ein Opfer der 'Operation Souveräne Staatsgrenzen', die der australische Regierungschef Tony Abbott nach seiner Wahl im September 2013 eingeführt hatte. Seither wurden mindestens 15 Boote vom Militär gestoppt und nach Indonesien und Sri Lanka zurückgeschickt. Im letzten Jahr gelang es lediglich einem einzigen Boot, die Küste Australiens zu erreichen.

Die offensive Abschreckungspolitik hat die Zahl der Menschen ohne Papiere, die über das Meer das australische Festland erreichen, erheblich gesenkt. Im Zeitraum 2012 bis 2013 war dies noch insgesamt 25.173 Menschen und in den zehn Monaten vor dem Start der kontrovers diskutierten Operation 19.578 Menschen in 281 Booten gelungen.

Doch inzwischen wird mit den unwillkommenen Menschen kurzer Prozess gemacht. Die Boote werden vor Erreichen der Küste angehalten, im Schnellverfahren überprüft und dann zurückgeschickt. Australien verkauft das Programm als Leben rettende Maßnahme, die zudem den Missbrauch der australischen Asylrechtsbestimmungen verhindert. "Wer versucht, illegal nach Australien zu kommen, hat keine Chance, sich bei uns ansiedeln zu können", ließ das Büro des Einwanderungsministers Peter Dutton kürzlich in einer Mitteilung wissen.

Ende Januar befanden sich 2.298 Migranten in australischen Haftzentren. In 8,1 Prozent der Fälle handelte es sich bei den Insassen um Srilanker.

Menschenrechtsorganisationen kritisieren den Umgang Australiens mit den Migranten. So erklärte das UN-Flüchtlingshochkommissariat unlängst, dass die Asylsuchenden zügig und einzeln im Rahmen eines Verfahrens überprüft werden müssten, das ihnen die Möglichkeit gebe, zu verstehen, was vor sich gehe. Auch müsse möglich sein, dass sie ihre Nöte schildern könnten, die sie zur Emigration bewogen hätten. "Ein solches Screening sollte am besten an Land durchgeführt werden", hieß es Anfang Februar in einem Statement der Organisation.

Die Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' wirft der Abbott-Regierung vor, ihre Kritik an den autoritären Regierungen in Sri Lanka und Kambodscha gedämpft zu haben, um sich dadurch die Unterstützung dieser Staaten für ihre Flüchtlingspolitik zu sichern. Canberra wiederum weist srilankische Asylsuchende mit der Begründung ab, der dortige Bürgerkrieg sei vorbei und eine neue demokratischere Regierung im Amt.

Doch nach der Rückkehr nach Sri Lanka erwartet die Betroffenen ein Gerichtsverfahren. Eine Änderung ist auch unter der seit Januar amtierenden neuen Regierung nicht in Sicht, wie der neue Justizminister des Landes, Wijeyadasa Rajapakshe, gegenüber IPS erklärte. Allerdings ist es nach Aussagen von Anwälten unwahrscheinlich, dass lange Haftstrafen verhängt werden. Auch gingen die Verfahren zügig vonstatten. Wohl müssten die Verurteilten mit Geldbußen in Höhe von bis zu 750 Dollar rechnen.


Zweiter Versuch

Trotz aller Widrigkeiten sind viele abgewiesene Srilanker bereit, ihr Glück ein zweites Mal zu versuchen. Zu ihnen gehört Kanan, der eigentlich anders heißt. Der Tamile lebt in Kilinochchi im Norden Sri Lankas, dem Epizentrum des 26-jährigen Bürgerkriegs. Er hatte für die Überfahrt übers Meer im August 2013 einen Betrag von 750 Dollar angezahlt. Die restlichen 6.750 Dollar wollte er nach seiner Ankunft in Australien abstottern. Doch dann schaffte er nicht einmal die Hälfte des Weges. Sechs Tage nach Beginn der Reise versagte das Boot und wurde von der srilankischen Marine in Richtung Heimat abgeschleppt.

Kanan wollte das Land verlassen, weil die beruflichen Aussichten in seiner Heimatregion miserabel sind. Die Erwerbslosenrate ist dort doppelt so hoch wie der nationale Durchschnitt von vier Prozent.

Kanan weiß natürlich, dass es nur wenige zum australischen Festland schaffen und dass selbst diejenigen, die als Flüchtlinge anerkannt werden, damit rechnen müssen, am Ende auf den Pazifikinseln Nauru und Papua-Neuguinea zu leben. Und doch will er seinem Traum von einem besseren Leben in Australien nicht einfach aufgeben. "Hier herrscht Hoffnungslosigkeit", sagt er. "Das Risiko, auf dem Weg nach Australien zu sterben, ist mir die Sache wert." (Ende/IPS/kb/2015)


Links:
http://www.ipsnews.net/2015/02/better-to-die-at-sea-than-languish-in-poverty/

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IPS-Tagesdienst vom 26. Februar 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Februar 2015

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