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ASIEN/901: Reponse in Fernost (Gerhard Feldbauer)


Reponse in Fernost

Moskau und Peking weisen USA mit Flottenmanöver in die Schranken

von Gerhard Feldbauer, 11. Juni 2014



Während deutsche Medien die Bedeutung der Milliarden schweren Verträge über die Gaslieferungen Russlands nach China herabzuspielen versuchten, wurde gar nicht erwähnt, dass beide Großmächte gleichzeitig ihre Kooperation auch auf militärischem Gebiet vertieften. Den Auftakt dieser weit in die Zukunft weisenden Zusammenarbeit von strategischer Bedeutung bildete vom 20. bis 26. Mai unter der Losung "Maritime Kooperationen 2014" ein gemeinsames Flottenmanöver, an dem auch Verbände der Luftstreitkräfte beider Seiten teilnahmen. Auf hoher See übten zwölf Kriegsschiffe, darunter der schwere russische kernkraftgetriebene Raketenkreuzer "Pjotr Welikij", u. a. Rettungsaktionen für entführte Schiffe, U-Boot-Abwehr, eine Überprüfung der Identifikation und Luft-Wasser-Angriffe. Erstmals wurden gemeinsame Kampfverbände gebildet. Ria Novosti, Xinhua u. a. russische und chinesische Medien berichteten groß aufgemacht, dass die Manöver von Präsident Putin und seinem chinesischen Kollegen Xi Jinping eröffnet wurden, die dann deren Verlauf zwei Tage verfolgten.


Eine Antwort auf die Krise in der Ukraine

Der Direktor des Zentrums für sozialpolitische Studien in Moskau, Wladimir Jewsejew, sprach Klartext und nannte das Manöver eine Reaktion auf die Krise in der Ukraine, um den Westen und vor allem den USA zu zeigen, "dass neue militärpolitische Beziehungen aufgebaut werden". Dem Flottenmanöver könnten schon "in allernächster Zeit ernsthafte militärpolitische Vereinbarungen" folgen, warnte er. Die USA hätten "keine Ressourcen mehr, um der militärpolitischen Stärkung Russlands und Chinas in der Pazifischen Region etwas entgegenzusetzen". "Stimme Russlands" betonte, das militärische Zusammenwirken Moskaus und Pekings ermögliche, "das Potenzial der Nato auszugleichen und dort eine ausbilanzierte Gruppierung der Marinekräfte zu schaffen, die imstande ist, sich gegen die Nato zu behaupten."


Moskau unterstützt Peking in der Pazifik-Region

Konstantin Sokolow, Vize-Präsident der Akademie für geopolitische Fragen, hob die andere Seite der gegenseitigen chinesisch-russischen Solidarität hervor und verwies auf den Manöverraum. Das geostrategisch wichtige Ostchinesische Meer sei ausgewählt worden, weil dort "die USA regelmäßig gemeinsame Übungen veranstalten, um sowohl China als auch Nordkorea unter psychologischen Druck zu setzen". Das Manöver stelle so auch eine direkte Antwort auf die von Japan in jüngster Zeit zugespitzte Auseinandersetzung um die Senkaku-Inseln - in China Diaoyu - genannt, dar. Sokolow wertete das als "Unterstützung von Peking durch Moskau." Ein Vorfall verdeutlichte, wie ernst es beide Seiten meinen. Während des Manövers drängten mit Raketen bestückte chinesische Militärjets ein in den Luftraum über den von China beanspruchten Inseln eingedrungenes japanisches Jagdflugzeug ab. Dabei kamen sich die Maschinen bis auf 30 Meter nahe, hieß es in Agenturmeldungen. Über dem Gebiet hat China eine Luftverteidigungszone eingerichtet, für deren Überfliegen es eine Anmeldung fordert, was Tokio ablehnt.


Gemeinsamer Vorstoß ins Mittelmeer

Weitgehend unbemerkt blieb, dass Peking an der Seite Moskaus bereits Anfang 2014 mit einem gemeinsamen Flottenmanöver ins Mittelmeer vorstieß, was, wie Ria Novosti nochmals betonte, auch eine Demonstration des Schutzes für Syrien war. Parallel haben beide Mitglieder des UN-Sicherheitsrates bisher insgesamt vier Resolutionen gegen Syrien blockiert. Zuletzt verhinderten sie am 22. Mai mit ihrem Veto, Syrien vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen anzuklagen. Wie Ria Novosti berichtete, wurde während des Besuchs Putins auch "eine engere Koordination im UN-Sicherheitsrat" beschlossen.


China jetzt der "große Bruder"

Neu ist, dass in der "strategischen Partnerschaft" die am Ziel einer sozialistischen Gesellschaft festhaltende Volksrepublik China und ein Russland, in dem der Kapitalismus restauriert wurde, dessen Umkehrbarkeit von Experten noch nicht ausgeschlossen wird, zusammenwirken. Auf China wird in diesem Kontext die zur Zeit der Existenz der UdSSR dieser zugeschriebene Rolle des "großen Bruders" übertragen, wobei Moskau die noch bestehende militärtechnische Überlegenheit und Führungserfahrung einbringe, China dagegen sein wirtschaftliches Potenzial, mit dem es dabei ist, die USA zu überflügeln. Vor allem aber wird in dieser Allianz seitens der Volksrepublik der Faktor der Systemauseinandersetzung wieder belebt. Kaum zufällig wurde bekannt, dass Moskau sich bemüht, in dem vietnamesischen Tiefseehafen Cam Ranh, den es bereits logistisch nutzt, eine regelrechte Marinebasis einzurichten. Der Vorstoß, der kaum ohne Absprache mit China erfolgen dürfte, spricht andererseits dafür, dass Hanoi und Peking ihren Streit um die Paracel- und Spratly-Inseln im südchinesischen Meer vorerst zurückstellen (Schattenblick berichtete).


Historische Traditionen gemeinsamen Kampfes

Während des Besuchs wurden die historischen Traditionen des gemeinsamen Kampfes gegen den Hitlerfaschismus und den japanischen Militarismus herausgestellt, die beide Staaten gemeinsam pflegen wollen. Die UdSSR entsandte seit den 1930er Jahren Militärberater zur chinesischen Volksbefreiungsarmee und bildete in Moskau an der Militärakademie der Roten Armee und vor Ort Militärkader aus. Einen wichtigen Beitrag leistete die UdSSR zum Sieg über den japanischen Militarismus. Am 9. August 1945 eröffneten drei Frontgruppen der Roten Armee mit starken Fliegerkräften und unterstützt durch ihre Pazifikflotte eine gewaltige Offensive gegen Japan, in deren Verlauf die 1,2 Millionen Mann starke Kwantung-Armee zerschlagen wurde. Die sowjetischen Truppen besetzten die Mandschurei, befreiten Nordkorea und schufen entscheidende Voraussetzungen für den erfolgreichen Verlauf der Befreiungsbewegung in China sowie in weiteren asiatischen Ländern.


Es wird nicht nur auf militärische Stärke gesetzt

Schließlich betonten Moskau und Peking, dass sie keineswegs nur auf militärische Stärke setzen. Sie vereinbarten, ihre Mitarbeit im Rahmen der Konferenz für Interaktion und Vertrauensbildung in Asien (CICA), einem Sicherheitsforum in der Asien-Pazifik-Region, abzusprechen und zu verstärken. Der Gruppe gehören 26 Staaten an, die USA und Japan sind nur als Beobachter vertreten.


Berlin will mitmischen

Deutsche Außen- und Militär-Experten reagieren beunruhigt auf jüngste eskalierende Spannungen im Ostchinesischen Meer, berichtete das Onlineportal German Foreign Policy (GFP) am 10. Juni. Den Hintergrund bildet, ohne ihn zu erwähnen, für die deutschen Experten, darunter des Militärfachblattes "Marineforum", zweifelsohne das gemeinsame Flottenmanöver Russlands und Chinas. Die deutschen Experten schließen nicht aus, dass es in Ostasien "zu einem Krieg" kommen könnte. Da will die Bundesrepublik natürlich mitmischen. GFP zitierte einen Mitarbeiter des Instituts für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel (ISPK), der äußert, die Bundesrepublik müsse sich deshalb um einen Marinestützpunkt im Indischen Ozean bemühen, da sie - anders als London oder Paris - sonst kaum interventionsfähig sei.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Juni 2014