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ASIEN/900: Im Inselstreit Vietnams und Chinas will Washington Schutzmacht spielen (Gerhard Feldbauer)


Im Inselstreit Vietnams und Chinas will Washington Schutzmacht spielen

- Japan leistet Schützenhilfe
- Peking weist Attacken scharf zurück

Mit gemeinsamen Flottenmanövern demonstrieren Moskau und Peking Schulterschluss

von Gerhard Feldbauer, 4. Juni 2014



Im Konflikt zwischen Vietnam und China um die umstrittenen Paracel- und Spratly-Inseln im südchinesischen Meer bezieht Washington offen Partei gegen Peking und maßt sich eine Schutzmachtrolle für die Anrainer an. Pentagon-Minister Chuck Hagel beschuldigte China am Wochenende auf der Sicherheitskonferenz Shangri-La-Dialog in Singapur, "destabilisierend und einseitig gehandelt" zu haben. Er rief Peking "zur Ordnung" und nannte dessen Vorgehen "Einschüchterung" und "Nötigung". Mit der Erklärung, die Vereinigten Staaten würden nicht wegsehen, "wenn die fundamentalen Prinzipien der internationalen Ordnung herausgefordert werden", drohte Hagel Maßnahmen der USA an.

China reagierte postwendend und wies auf der Konferenz in einer Erklärung des Vize-Chefs des Generalstabs der Volksarmee, General Wang Guanzhong, die Attacken Hagels als eine nicht zu akzeptierende Provokation scharf zurück. Nicht China, sondern die USA destabilisierten "mit Drohungen und Einschüchterungen" die Situation.


USA bauen Militärpräsenz gegen China aus

Der Grenzstreit war im Mai eskaliert, als Vietnam in dem von ihm beanspruchten und zu seiner Wirtschaftszone erklärten Gebiet die Verankerung einer chinesischen Bohrplattform verhindern wollte. Dabei kam es zu Zusammenstößen zwischen Kriegsschiffen beider Seiten, bei dem Wasserkanonen eingesetzt wurden. Nach Protesten in Vietnam gegen das chinesische Vorgehen, bei denen es Tote und Verletzte gab, besprachen Peking und Hanoi auf Ministerebene Maßnahmen zur Klärung der Situation. Das Gebiet um die Inselgruppen ist nicht nur reich an Fischfanggründen und immensen Vorkommen an Gas und Öl, sondern von geostrategischer Bedeutung auch für die USA, die ihre militärische Präsenz im asiatisch-pazifischen Raum gegen die Volksrepublik China ausbauen.


Moskau möchte Marine Basis in Vietnam

Erste Demonstration dieser "Schutzmachtrolle" war 2010 der Besuch eines Verbandes der US-Navy in der Hafenstadt Da Nang, mit dem die USA den alten Kriegsgegner Vietnam als einen Verbündeten vereinnahmen wollten. Übungen zur See-Notrettung wurden als gemeinsame Marine-Manöver bezeichnet, was Hanoi umgehend zurückwies und den Flottenbesuch in normale Militär-Beziehungen einordnete. Vietnam werde sich, so wurde betont, keinen Militärbündnissen anschließen. Beobachter sehen im diesem Kontext aber auch die Haltung zu Moskau, ohne dessen Hilfe Vietnam 1975 nicht den Sieg über die USA hätte erringen können. Nachdem Moskau zunächst den Tiefseehafen Cam Ranh am Südchinesischen Meer als logistische Basis für seine Pazifikflotte nutzen konnte, ist in jüngster Zeit davon die Rede, dass es dort wieder einen Stützpunkt einrichten könnte. Cam Ranh war schon zur Zeit der Zarenherrschaft eine Basis der kaiserlichen Kriegsmarine.

Mit den Philippinen wurde Ende April zum Abschluss eines Asienbesuchs Präsident Obamas in Japan, Südkorea und Malaysia ein neues "Verteidigungsabkommen" geschlossen. Manila, das ebenfalls Rechte auf die Inselgruppe geltend macht, hatte während eines See-Manövers mit den USA vor den Spratley-Inseln chinesische Fischerboote aufgebracht und elf Besatzungsmitglieder festgenommen und vor Gericht gestellt.


Japan will in der Achse mit Amerika "aktivere Rolle in Asien übernehmen"

Japan erhebt Besitzansprüche gegen eine von China beanspruchte unbewohnte Inselgruppe (in Japan Senkaku, in China Diaoyu genannt), in deren Nähe ebenfalls große Rohstoffvorkommen vermutet werden. Mit seiner Schützenhilfe beim Ausbau der pazifischen Präsenz der USA gegen China verfolgt Japan gleichzeitig das Ziel, seine eigenen militärischen Positionen in der Asien-Pazifik-Region zu erweitern. Premier Shinzo Abe kündigte an, auf der Grundlage "der Achse zwischen Japan und Amerika eine aktivere Rolle in Asien übernehmen zu wollen". Dazu erhöht Tokio seine Militärausgaben um 2,6 Prozent auf 24,7 Billionen Yen (174 Milliarden Euro). Es orderte 28 US-Tarnkappenbomber vom Typ F-35, fünf U-Boote, zwei mit "Aegis"-Antiraketen ausgestattete Zerstörer, 52 Amphibienfahrzeuge und drei Drohnen. Das Vorpreschen Abes nannte General Wang Guanzhong ein mit Washington abgesprochenes Vorgehen.


ASEAN um Distanz bemüht

Die ASEAN-Staatengruppe geht dagegen auf Distanz zu dem Insel-Konflikt. Auf ihrer Tagung im Mai in Myanmar wurde eine Stellungnahme zugunsten eines Konfliktpartners vermieden. Nicht nur Singapur und Thailand, die selbst keine Ansprüche auf die Inselgruppe erheben, tragen, wie andere Mitgliedsstaaten auch, der wachsenden vor allem wirtschaftlichen Rolle Chinas Rechnung und wollen keinen Affront mit Peking. In diesen Ländern ist auch bis heute nicht vergessen, dass Tokios Samurais im Zweiten Weltkrieg nicht nur China überfielen, sondern auch weite Gebiete Asiens (Malaysia, Burma, Singapur, die Philippinen, Indochina) okkupierten.


Gemeinsame russisch-chinesische Flottenmanöver im Pazifik

Nun konnte Peking gegen Washington mit dem strategischen Schulterschluss mit Moskau noch einen Joker aus der Tasche ziehen. Mit dem Milliarden-Euro-Energievertrag demonstrierten beide Großmächte nicht nur gegenseitige Solidarität gegen die USA im Konflikt mit der Ukraine, sondern auch im Inselstreit Chinas gegen Japan. Denn wenig publiziert (in internationalen Medien fast geheim gehalten) haben Präsident Putin und sein chinesischer Kollege Xi Jinping während der russischen Visite dem Beginn gemeinsamer Marine-Manöver im Ostchinesischen Meer beigewohnt, zu denen ein russischer Verband mit dem Flaggschiff der Pazifikflotte, dem Raketenkreuzer Warjag, mit mehreren Kriegsschiffen hinzustieß. Zu gemischten Verbänden formiert werden die Seestreitkräfte beider Großmächte, wie Ria Novosti berichtete, auf hoher See üben, Angriffe abzuwehren. Die "NZZ" schrieb, das Manöver sei "ein Signal an Japan", das im Zweiten Weltkrieg der gemeinsame Feind der Russen und Chinesen war und mit dem Russland seit bald 70 Jahren offiziell nicht Frieden geschlossen hat. Zum aktuellen Hintergrund vermerkt die Schweizer Zeitung, dass für Russland "die Kiewer Regierung zur neuen faschistischen Gefahr für Europa und Russland" werde, während China "geschichtspolitisch gegen Japan" argumentiere.

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Quelle:
© 2014 by Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2014