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ASIEN/890: Philippinen auf Konfrontationskurs mit China (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. April 2014

Philippinen:
Auf Konfrontationskurs mit China über Territorialansprüche im Südchinesischen Meer

von Richard Heydarian



Manila, 3. April (IPS) - Nach einem Jahr vergeblicher diplomatischer Bemühungen zur Beilegung der Streitigkeiten im Südchinesischen Meer sind die Philippinen offenbar bereit, einen Dauerkonflikt mit China zu riskieren. So verfolgt die Regierung in Manila ein bisher beispielloses Schiedsverfahren vor einem UN-Gericht und arbeitet gleichzeitig an einem neuen Sicherheitsabkommen mit den USA.

Die Philippinen scheinen fest entschlossen, in einem sich stetig intensivierenden Territorialstreit, der einen unmittelbaren militärischen Konflikt befürchten lässt, maximalen Druck auf China auszuüben. Manila empört die zunehmende Dreistigkeit, mit der paramilitärische chinesische Schiffe philippinische Fischer im Südchinesischen Meer und philippinische Soldaten bedrängen, die in den strittigen Gebieten stationiert sind.

Im Umfeld des Secon-Thomas-Riffs zum Beispiel haben chinesische Paramilitärs in den letzten Wochen den Belagerungsring um die philippinischen Truppen weiter zugezogen. Die Soldaten sind weitgehend vom Nachschub ihres Militäroberkommandos abgeschnitten.

Seit 1999 übt der südostasiatische Staat eine wirksame und kontinuierliche Kontrolle über das umstrittene Gebiet aus, das innerhalb der 200 Seemeilen langen Exklusiven Wirtschaftszone (EEZ) des Landes liegt. Doch China strebt die Kontrolle über das Riff an, das sich nahe der erdölreichen Gewässer vor der Küste der im Südwesten der Philippinen gelegenen Insel Palawan befindet.

Aus dem Blickwinkel der philippinischen Regierung bedroht China nicht nur die territoriale Integrität des Landes, sondern auch dessen vitale Wirtschafts- und Energiesicherheitsinteressen im Südchinesischen Meer.


Sorge über chinesische Rüstungsausgaben

Die Philippinen und ihr größter militärischer Verbündeter USA sind gleichermaßen beunruhigt über die rasch wachsenden chinesischen Rüstungsausgaben. Peking konzentriert sich derzeit auf den Ausbau seiner Marine-Kapazitäten als Teil einer kurzfristigen Strategie, seine Territorialansprüche im westlichen Pazifik zu konsolidieren und auf lange Sicht die größte Seemacht Asiens zu werden.

"Wir werden rigoros Chinas Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen schützen", versicherte der chinesische Regierungschef Li Keqiang bei der Eröffnung des Nationalen Volkskongresses Anfang März. "Wir werden den revolutionären Charakter der chinesischen Streitkräfte stärken, sie weiter modernisieren und ihre Leistungsfähigkeit steigern. Außerdem werden wir ihr Abschreckungspotenzial und die Kampfstärke im Informationszeitalter erhöhen."

Da sich die bisherigen diplomatischen Bemühungen nicht ausgezahlt haben, schlägt der philippinische Staatspräsident Benigno Aquino III. nun andere Wege ein. Als er China provokant mit "Nazi-Deutschland" verglich, nahm er deutlich Abstand von seinen früheren Anstrengungen zur Wiederbelebung der bilateralen Kommunikationskanäle zur chinesischen Führung.

"Wann ist der Punkt erreicht, an dem man sagen muss 'genug ist genug'?", fragte Aquino während eines Exklusiv-Interviews mit der 'New York Times', in dem er Chinas zunehmende territoriale Ansprüche mit der Annexion der "Rest-Tschechei" durch das Dritte Reich verglich. "Nun, die Welt muss die Dinge beim Namen nennen. Erinnern wir uns: Sudetendeutschland wurde an Hitler übergeben, um ihn zu besänftigen und den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu verhindern."

China reagierte empört auf Aquinos Äußerungen und kritisierte ihn als "amateurhaften" Staatsmann, dem die Kunst der Diplomatie und des Konfliktmanagements fremd sei. An dem Punkt schien es, als sei wenig guter Wille übrig, um die angeschlagenen bilateralen Beziehungen wiederzubeleben.

Während die Diplomatie in den Hintergrund getreten ist, bemühen sich die Philippinen umso mehr um eine stärkere US-Militärpräsenz. Im Zuge einer verstärkten Verteidigungszusammenarbeit bieten die Philippinen den USA erweiterten Zugang zu den Militärstützpunkten Subic und Clark. Im Gegenzug bemüht sich Manila in Washington um eine Erhöhung der Militärhilfe, mehr gemeinsame Manöver und möglicherweise auch Zugang zu US-Militärausstattung.

Durch das anvisierte Abkommen werde es möglich sein, dass sich die philippinischen Streitkräfte mit dem US-Militär in bestimmten Gebieten "innerhalb gewisser Einrichtungen der philippinischen Streitkräfte" abwechseln könnten, erklärte das Verteidigungsministerium in Manila.

Der Umstand, dass die Philippinen die Rechtmäßigkeit der weitreichenden chinesischen Territorialansprüche im Südchinesischen Meer anfechten, ist der größte Auslöser bilateraler Spannungen. Anfang 2013 hatten die Philippinen ein ambitioniertes Schlichtungsverfahren vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg in Gang gebracht, um ganz offensichtlich Chinas berüchtigte '9 Dash Line'-Doktrin zu schwächen, die Peking die "unbestrittene" Souveränität über den größten Teil des Südchinesischen Meeres zuerkennt.

Die Philippinen bestehen jedoch darauf, dass China als Unterzeichnerstaat der UN-Seerechtskonvention verpflichtet ist, das Recht Manilas auf Ausübung einer qualifizierten Kontrolle über Einrichtungen anzuerkennen, die innerhalb der 200-Meilen-Zone seiner EEZ liegen. Darunter fällt nicht nur das Second-Thomas-, sondern auch das Scarborough-Riff, das von China nach einer kurzen militärischen Auseinandersetzung Mitte 2012 eingenommen wurde.


Chinesischer Kompromissvorschlag abgelehnt

In dem Bestreben, die Philippinen von der Einreichung einer formellen schriftlichen Beschwerde beim Internationalen Seegerichtshof abzubringen, hatte China Manila Anfang dieses Jahres angeblich ein 'Zuckerbrot' angeboten. Demnach soll Peking bereit gewesen sein, auf Aktivitäten im Zusammenhang mit Gebieten wie dem Scarborough-Riff zu verzichten, sollten die Philippinen in diesem Punkt mitziehen. Auch stellte die Volksrepublik den Philippinen Handels- und Investitionsvorteile in Aussicht. Zudem sollte die Einrichtung einer geplanten chinesischen Luftverteidigungszone im Südchinesischen Meer verschoben werden.

Die Hardliner in den Reihen der philippinische Führung, die das Angebot Chinas ablehnten, sollen die Aquino-Regierung dazu gebracht haben, das internationale Schlichtungsverfahren weiter zu verfolgen.

Die Philippinen erhoffen sich von dem Schritt, ähnlich gesinnte Staaten wie Vietnam und Japan sowie die internationale Staatengemeinschaft hinter sich zu bringen. Doch mit der jüngsten Entscheidung läuft Manila Gefahr, sich China unwiderruflich zum Feind zu machen. Diplomatische Bemühungen zu einer friedlichen Beilegung des Territorialstreits im Südchinesischen Meer könnten somit dauerhaft unterlaufen werden. Dies könnte zu einer militärischen Konfrontation führen. Ende/IPS/ck/2014)


Link:
http://www.ipsnews.net/2014/04/philippines-fights-chinese-muscle-law/

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IPS-Tagesdienst vom 3. April 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2014