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ASIEN/871: Indien - Abzug der Armee aus der Tosamaidan-Aue in Jammu und Kashmir gefordert (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Dezember 2013

Indien: Blindgänger zerstören Existenzen - Abzug der Armee aus der Tosamaidan-Aue in Jammu und Kashmir gefordert

von Athar Parvaiz


Bild: © Athar Parvaiz/IPS

Ein Granatenopfer
Bild: © Athar Parvaiz/IPS

Srinagar, Indien, 9. Dezember (IPS) - Die Anwohner der riesigen Wiesen- und Weidelandschaft Tosamaidan 112 Kilometer westlich von Srinagar, der Hauptstadt des indischen Bundesstaates Jammu und Kashmir, wollen verhindern, dass die Lokalregierung den Pachtvertrag zur Nutzung des Gebiets als militärisches Übungsgelände verlängert. Denn die bald 50-jährige Präsenz der indischen Armee hat der Lokalbevölkerung Tod und Verstümmelung gebracht.

1997 war der 19-jährige Bilal Ahmad auf einen Blindgänger getreten und an den Folgen der Explosion gestorben. "Ein solches Schicksal sollte allen unseren Kindern erspart bleiben", meint Reshma, die Mutter.

Im April läuft das 1964 geschlossene Abkommen aus, das hunderte Menschen zu Behinderten gemacht, Vieh getötet und die Erschließung der idyllischen Landschaft für den Tourismus verhindert hat. "Wir wollen nicht, dass unsere Kinder das gleiche Leid erfahren wie wir", betont Fatima Begam aus der Ortschaft Khag.

Das malerische Kashmir-Tal ist seit Jahrzehnten Zentrum des blutigen Konflikts zwischen Indien und Pakistan. Mindestens 60.000 Menschen sind seit 1989, dem Beginn des Aufstands von Rebellen, die für ein freies Kashmir kämpfen, getötet worden. Die indische Regierung hat mit einer starken Militärpräsenz reagiert.


Armee will Verlängerung um 20 Jahre

Die Armee hat die Regierung von Kashmir um eine Verlängerung des Pachtvertrags um weitere 20 Jahre gebeten. Zum Stand der Verhandlungen wollte sich Oberstleutnant N. N. Joshi, der Militärsprecher in Srinagar, nicht äußern.

Doch die Einwohner von Khag, Beerwah, Arzal und den anderen Nachbardörfern sind entschieden gegen die Projektverlängerung. Ein Parlamentsabgeordneter in Kashmir hatte im August enthüllt, dass 63 Menschen von Blindgängern in den Tod gerissen worden sind. Die Zahlen stammten vom Chefminister Kashmirs, Omar Abdullah.

Die Anrainer, die ein Ende der militärischen Übungen fordern, können auf die Unterstützung von Menschenrechtsaktivisten und lokalen Politikern rechnen. So auch von Mehbooba Mufti, dem Vorsitzenden der Demokratischen Volkspartei (PDP). "Wir dürfen nicht die Wünsche tausender Menschen ignorieren, die so sehr an verschiedenen Fronten dieser militärischen Übungen gelitten haben", erklärt er. Auch bei den Mitgliedern der regierenden Nationalen Konferenzpartei rührt sich Widerstand gegen eine Verlängerung des Pachtvertrags.

Die Regierung von Kashmir hat ein hochrangiges Komitee eingerichtet, das einen Bericht für die Bundesstaatenregierung erarbeiten soll. "Es gibt genügend Gründe, um nein zu sagen. Außerdem sollte eine demokratisch gewählte Regierung immer die Meinung ihrer Bürger respektieren", heißt es in einem Kommentar der in Urdu erscheinenden Tageszeitung 'Kashmir Uzma' vom 12. November.

Den Dorfbewohnern zufolge wirken sich die Artillerieeinsätze auch negativ auf ihren Lebenserwerb aus. "Sie verhindern land- und viehwirtschaftliche Aktivitäten und die Entwicklung des Gebiets für den Tourismus", meint Arjumand Talib, der ausführlich über den Konflikt und die Wirtschaft in Kashmir geschrieben hat.

Laut Akhtar Hussain, einem weiteren Bewohner von Khag, konnte die Region nicht entwickelt werden. "Vor einigen Jahren untersagte die Armee den Bau einer Straße", berichtet er. "Zur Begründung hieß es, eine solche Straße würde den Dorfbewohnern den Zugang zum Armeelager ermöglichen."


Gefahren verbreitet

Anrainer berichten, nicht nur in den höher gelegenen Gebieten - dort, wo sie ihr Vieh weiden lassen - auf Granaten zu stoßen. Bei den heftigen Sommerregen würden die Blindgänger in die tiefer liegenden Regionen geschwemmt.

Im Mai dieses Jahres hatte ein Dorfbewohner einen Unfall verhindert, indem er rechtzeitig auf die Gefahr aufmerksam machte. "Bashir Ahmed rief mich an und erzählte mir, dass er ein verdächtiges Objekt im Fluss entdeckt habe", sagt Raja Muzaff. "Ich informierte die Polizei, und die Granate konnte an einem sicheren Ort zur Explosion gebracht werden. Soviel Glück haben wir nicht immer."

Raja und andere Mitstreiter haben eine Petition an die Menschenrechtskommission des Bundesstaates (SHRC) geschickt, damit sie die Verlängerung des Pachtvertrags mit der Armee unterbindet. "Wir sind zuversichtlich, dass wir erfolgreich sein werden." (Ende/IPS/kb/2013)


Link:

http://www.ipsnews.net/2013/12/unexploded-shells-tearing-lives-apart/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2013