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ASIEN/869: Indonesien auf der globalen Bühne - ein leichtes Schwergewicht? (FES)


Friedrich-Ebert-Stiftung
Internationale Politikanalyse

Indonesien auf der globalen Bühne
Ein leichtes Schwergewicht?

von Valeska Hesse und Daniel Reichart
November 2013



• Mit der Ausrichtung des APEC-Gipfels und der WTO-Ministerkonferenz unterstreicht Indonesien seinen Gestaltungsanspruch auf globaler Ebene. Das Land tritt zunehmend selbstbewusst als demokratischer, wirtschaftlich erfolgreicher G20-Mitgliedsstaat auf, der sich als Sprachrohr für die Interessen anderer Schwellen- und Entwicklungsländer sowie als Brücke zur islamischen Welt versteht.

• Indonesiens regionales und internationales Potenzial speist sich darüber hinaus vor allem aus drei Rollen: als Zugpferd der regionalen Integration in Südostasien und der Anbindung der Region an die globale Ebene, als Referenz für einen demokratischen Transformationsprozess für Länder aus dem asiatischen und arabischen Raum sowie als Schlüssel zur Lösung von Problemen globaler Dimension wie dem Klimawandel.

• Indonesiens Glaubwürdigkeit als globaler Akteur wird allerdings infrage gestellt, sowohl durch die Diskrepanz, die sich zwischen dem eigenen außenpolitischen Anspruch und den tatsächlich erzielten Ergebnissen auftut, als auch durch vielfältige Widersprüche, die zwischen dem außenpolitischen Handeln und der innenpolitischen Realität bestehen.

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Gipfel-Marathon auf Bali

Im Oktober 2013 stand Indonesien im Fokus der Weltöffentlichkeit. Als Gastgeber des APEC-Gipfels (Asia-Pacific Economic Cooperation) empfing das Land mehr als 20 Regierungsvertreter, darunter so hochrangige Besucher wie den chinesischen Präsidenten Xi Jinping, den russischen Präsidenten Vladimir Putin und US-Außenminister John Kerry, der aufgrund des US-Haushaltsstreits anstelle Barack Obamas anreiste. Indonesien hoffte, auf dem APEC-Gipfel ein stärkeres Bekenntnis der Mitgliedsländer zum multilateralen Handel zu erreichen und damit den festgefahrenen Verhandlungen der Doha-Runde neues Leben einzuhauchen. Der asiatisch-pazifische Wirtschaftsraum wickelt schließlich knapp die Hälfte des globalen Handels ab. So hatte man sich auf Bali eine positive Signalwirkung für die 9. WTO-Ministerkonferenz im Dezember dieses Jahres erhofft, deren Gastgeber ebenfalls Indonesien sein wird. Mit der Ausrichtung beider Konferenzen unterstreicht Indonesien erneut seinen Gestaltungsanspruch auf globaler Ebene. Dieser Anspruch kam bereits 2007 mit der Ausrichtung der UN-Weltklimakonferenz zum Ausdruck sowie durch die Rolle des indonesischen Staatspräsidenten, Susilo Bambang Yudhoyono, als Co-Vorsitzender des UN High Level Panel of Eminent Persons. Letzteres hat im Auftrag von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon Vorschläge zur Weiterführung der Millenium Development Goals (MDGs) nach 2015 erarbeitet.

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Islam, Demokratie und Modernität erfolgreich vereinbart

Ein erfolgreicher Demokratisierungsprozess, das brummende Wirtschaftswachstum sowie seine schiere Größe - mit 240 Millionen Einwohnern ist Indonesien das Land mit der viertgrößten Bevölkerung weltweit - haben das Selbstvertrauen des Inselreiches zunehmend gestärkt. Das außenpolitische Selbstverständnis Indonesiens beruht nicht zuletzt darauf, dass es sich um das Land mit der größten muslimischen Bevölkerung weltweit handelt und gleichzeitig über eine pluri-religiöse Staatsverfassung verfügt. Daran anknüpfend forderte der damalige indonesische Außenminister Hassan Wirajuda im September 2008 vor der UN-Generalversammlung eine Demokratisierung des UN-Sicherheitsrates, die auch eine permanente Repräsentation der weltweit 1,1 Milliarden Muslime beinhalten müsse. Indonesiens Präsident Yudhoyono warb ein Jahr später am Rande des UN-Klimagipfels in Kopenhagen damit, dass es sein Land geschafft habe, Islam, Demokratie und Modernität erfolgreich miteinander zu vereinen.


Außenpolitik unter Präsident Yudhoyono: wenig Feind, viel Ehr?

Zweifelsohne sind es genau diese Auftritte und Aussagen des aktuellen Präsidenten, welche die Außenwahrnehmung Indonesiens in den letzten Jahren geprägt haben. Während Yudhoyonos zweite Amtszeit innenpolitisch von Korruptionsskandalen und seiner mangelnden Entscheidungsfreude geprägt ist, präsentiert er sich auf globaler Ebene selbstbewusst als Führer eines toleranten, demokratischen und wirtschaftlich erfolgreichen G20-Mitgliedsstaates, der sich auch als Sprachrohr für die Interessen anderer Schwellen- und Entwicklungsländer sieht. Schon in seiner ersten Amtszeit definierte der Präsident die Rolle seines Landes auf internationaler Ebene als »bridge builder« und »problem solver«. Es ist Yudhoyonos großes Verdienst, dass er dieses neue Bild von Indonesien, diese neue Erzählung, erfolgreich auf die globale Bühne projizieren und damit seit 2004 den internationalen Aufstieg Indonesiens befördern konnte. Das Leitmotiv indonesischer Diplomatie fasste das Außenministerium 2010 mit der Formel »a thousand friends, zero enemies« zusammen. Man wolle zu allen Ländern der Welt gute bilaterale Beziehungen unterhalten, was im Umkehrschluss eben auch bedeute, in Jakarta Staats- und Regierungschefs unterschiedlichster politischer Herkunft zu empfangen - von Barack Obama bis zu Alexander Lukashenko.



Internationaler Bedeutungszuwachs

Die wachsende Bedeutung Indonesiens schlägt sich auch in Studien wie der des US German Marshall Fund nieder, die Indonesien letztes Jahr - zusammen mit Brasilien, Indien und der Türkei - als Global Swing State einstufte, also als eine wichtige zukünftige Ordnungsmacht. Die Perzeption von Indonesiens Aufstieg muss auch vor dem Hintergrund der Verschiebungen der globalen Kräfteverhältnisse, weg von Europa und den USA hin zu Schwellenländern in Asien und Lateinamerika, verstanden werden. In der neuen »multipolaren« Weltordnung wird Indonesiens Platz bestimmt durch seine Rolle als strategischer und demokratischer Partner in der Region und innerhalb des Staatenverbundes ASEAN (Association of Southeast Asian Nations), durch seine Bedeutung zur Bearbeitung globaler Herausforderungen wie dem Klimawandel sowie durch die mögliche Brückenfunktion zur islamischen Welt. Darauf spielte auch Vladimir Putin an, als er am Rande des APEC-Gipfels vorschlug, Indonesien solle als größtes muslimisches Land bei den nächsten Verhandlungen zu Syrien in Genf mit am Tisch sitzen.

Auf deutscher Seite reagierte man auf die Entwicklungen der letzten Jahre mit einer Intensivierung der bilateralen Beziehungen, die in dem Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel im Juli 2012 in Jakarta und dem Gegenbesuch von Yudhoyono in Deutschland im März 2013 ihren vorläufigen Höhepunkt fanden.

Neben seiner selbsternannten Rolle als Fürsprecher der Entwicklungsländer in internationalen Foren wird Indonesiens wachsendes regionales und internationales Engagement vor allem durch drei Rollen geprägt: als Zugpferd der regionalen Integration in Südostasien und der Anbindung der Region an die globale Ebene, als Referenz für einen demokratischen Transformationsprozess für Länder aus dem asiatischen, teilweise sogar aus dem arabischen Raum sowie als klimapolitischer Vorreiter.


Außenpolitische Aspirationen - zu groß für ASEAN, zu klein für die Welt?

Indonesien wurde, nicht zuletzt wegen seiner Stellung innerhalb des ASEAN-Verbundes der zehn südostasiatischen Staaten, 2009 in den Kreis der G20-Länder aufgenommen. Gleichzeitig wurde dem Land erst durch diese außenpolitische Aufwertung ermöglicht, jene regionale Führungsrolle einzunehmen, die ihm bis dahin von den anderen ASEAN-Mitgliedern verwehrt worden war. Als größtes und eines der wirtschaftsstärksten Länder in Südostasien hat Indonesien seit der Gründung der Staatengemeinschaft traditionell eine wichtige Rolle gespielt. So ist das ASEAN-Sekretariat in Jakarta beheimatet. Nach der eigenen Demokratisierung war das Land konsequenterweise auch um eine normativere Ausrichtung des Staatenverbundes bemüht, scheitert damit aber bislang am Widerstand der autoritär regierten Mitgliedsländer. Als Beleg dafür können die von Indonesien eingebrachten Initiativen zur ASEAN-Menschenrechtserklärung und ASEAN-Menschenrechtskommission gelten, die aber im Ergebnis zahnlose Papiertiger sind, in denen Menschenrechte nur unzureichend definiert und keinerlei Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen sind. Nach dieser diplomatischen Niederlage stand 2011 der turnusgemäße indonesische Vorsitz ganz im Glanz und Zeichen seiner neuen Rolle als einziges Bindeglied zwischen ASEAN und der G20 und damit der globalen Ebene.

Die Beziehung zwischen Indonesien und der südostasiatischen Regionalorganisation ist durch eine wechselseitige Abhängigkeit geprägt. So sind auf der einen Seite weitere Fortschritte bei den ASEAN-Integrationsbemühungen ohne die aktive Unterstützung Indonesiens kaum vorstellbar. Auf der anderen Seite bezieht Indonesien sein außenpolitisches Potenzial gerade aus seiner Zugehörigkeit zu ASEAN und der konstruktiven Rolle, die es darin spielen kann. Deshalb sind auch Befürchtungen unbegründet, Indonesien könnte sich von ASEAN abkoppeln wollen und als G20-Mitglied seine internationalen Ambitionen alleine, ohne den Verbund mit den anderen südostasiatischen Staaten zu verwirklichen suchen. Manche außenpolitische Experten im Land mögen mit diesem Gedanken liebäugeln, doch schon allein die Tatsache, dass Indonesien sich selbst innerhalb von ASEAN längst nicht immer mit seinen Vorschlägen durchsetzen kann, sorgt in der Praxis für einen realistischeren Ansatz. Die Regierung verfolgt einen Mittelweg, in dem sie sich um mehr außenpolitische Balance bemüht. Die Verstärkung der bilateralen Beziehungen zu Ländern wie den USA oder China wird dabei mit dem Auftreten im ASEAN-Verbund kombiniert. Deutlich wurde dies u.durch die Rolle, die Indonesien bei der Schaffung des ASEAN+3 Mechanismus (China, Japan, Südkorea) sowie bei der Erweiterung des Ostasien-Gipfels um Australien, Indien, Neuseeland, den USA und Russland gespielt hat.


Frieden, Sicherheit und Einfluss in der Region - ein Balanceakt

Indonesien ist zudem der Architekt der sogenannten zweiten Säule von ASEAN, der ASEAN Political-Security Community (APSC), die bislang aber eher blass geblieben ist und in den jüngsten Konflikten in der Region - wie z.im Südchinesischen Meer - nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat. Die Ratifizierung der entsprechenden Verträge verläuft zäh, das ASEAN-Sekretariat wird von den Mitgliedsstaaten bewusst schwach gehalten. Allerdings gelang es Indonesien 2011 in seiner Rolle als ASEAN-Vorsitzender im Falle des thailändisch-kambodschanischen Grenzkonflikts erfolgreich zwischen beiden Staaten zu vermitteln und damit zu einer friedlichen Lösung beizutragen. In der Frage der rivalisierenden Territorialansprüche im Südchinesischen Meer liegen die Dinge jedoch komplizierter. Indonesien selbst stellt keine Ansprüche in diesen Breitengraden. Als ausgedehnter Inselstaat hat es jedoch ein Interesse an stabilen Verhältnissen in diesen Gewässern und bemühte sich letztes Jahr um die Vermittlung eines code of conduct zwischen China und den betroffenen südostasiatischen Staaten. Auf dem ASEAN-Gipfel in Phnom Penh war man aber unfähig, sich auf eine gemeinsame Stellungnahme der Mitgliedsstaaten zu dem Konflikt zu einigen. Der code of conduct war auch Gegenstand der Verhandlungen auf dem diesjährigen Ostasien-Gipfel in Brunei, an dem auch China und die USA teilgenommen haben. Letztere wurden allerdings nicht wie geplant von Barack Obama, sondern von John Kerry vertreten.

Die durch den Haushaltsstreit bedingte Absage von Obamas gesamter Südostasienreise befeuerte die Spekulationen über den Führungsanspruch Chinas im asiatisch-pazifischen Raum und kam deshalb auch Indonesien ungelegen. Seitens der indonesischen Regierung war man daher bemüht, die Absage des US-Präsidenten zum APEC-Gipfel herunterzuspielen. Außenminister Marty Natalegawa wurde mit den Worten zitiert, dass die Abwesenheit eines bestimmten Regierungschefs in keinster Weise bedeute, dass andere Länder nun eine größere Rolle spielen könnten. Indonesiens Verhältnis zu China ist ambivalent: Einerseits handelt es sich um den größten Handelspartner und größten Auslandsinvestor, andererseits fürchtet Indonesiens Regierung ein zu mächtiges und vereinnahmendes China in der Region und wünscht sich deshalb als Ausgleich eine stärkere Präsenz der USA.



Bali Democracy Forum - Come As You Are

Neben seiner Rolle im ASEAN-Integrationsprozess sowie im fragilen regionalen Mächtegefüge geht die Strahlkraft Indonesiens auch von seinen demokratischen Errungenschaften aus. Nicht ohne Grund betrachtet man mit Stolz den eigenen 1998 begonnenen demokratischen Transformationsprozess. Indonesien hat damit in der Tat Erfahrungen vorzuweisen, die für die Entwicklung anderer Länder in der Region von Nutzen sein können. Aus diesem Gedanken heraus initiierte das Außenministerium im Jahr 2008 das Bali Democracy Forum (BDF), das in seiner Art einzigartig ist. Auf Ebene der Staats- und Regierungschefs angesiedelt, ist das Forum für alle interessierten Länder offen und soll einmal im Jahr einen Dialog und den Austausch von best practice-Beispielen zwischen konsolidierten und neuen Demokratien sowie auch jenen Ländern ermöglichen, die danach streben, eine Demokratie zu werden. Demokratie wird auf dem BDF als »work in progress« verstanden. Aufgrund dieser großen Toleranz wird auch dieses Jahr im November wieder ein sehr breites Spektrum an Ländern den Weg nach Bali finden und damit eine behutsame Annäherung ermöglichen. Dieser Vorteil ist gleichzeitig aber auch der schwerwiegendste Kritikpunkt am BDF, das einige durch die Teilnahme autoritär oder semi-autoritär regierter Staaten delegitimiert sehen. Trotz dieser Kritik ist es sehr zu begrüßen, dass Indonesien seine eigenen Erfahrungen verstärkt in die internationalen Beziehungen einbringt. Das Land gilt einigen Ländern aus dem asiatischen und arabischen Raum als Referenz für einen demokratischen Transformationsprozess (zuletzt v.a. Myanmar und Ägypten), und die stetig steigende Teilnehmerzahl des BDF deutet an, dass Indonesien mit diesem Format einen Nerv getroffen hat. Anfang des Jahres kündigte das Außenministerium zudem an, dass geplant sei, »Demokratie-Trainingsprogramme« für Teilnehmer aus Algerien, Sudan, Syrien, Tunesien und Jemen anzubieten.


Klimawandel-Diplomatie - Indonesien in seiner Rolle als »problem solver«

Ohne die Beteiligung von Ländern wie Indonesien können die globalen Klimaziele nicht erreicht werden. Das Land verfügt (noch) über den zweitgrößten Bestand an tropischem Regenwald, während es gleichzeitig - nach China und den USA - der weltweit drittgrößte Treibhausgasemittent ist. Die Emissionen werden zu 85 Prozent durch Abholzung, Brandrodung und Trockenlegung von Torfmooren freigesetzt. Jede Stunde verschwinden Waldflächen so groß wie 300 Fußballfelder zugunsten von Palmölplantagen oder anderen Monokulturen, sodass Indonesien mittlerweile der größte Palmölexporteur weltweit ist. Die Folgen des globalen Klimawandels bekommt der Inselstaat aufgrund seiner exponierten Lage schon jetzt zu spüren. Indonesien ist also Verursacher, Lösung und Opfer des Klimawandels zugleich. Und tatsächlich ist das Land - getreu seinem Wunsch, einen Beitrag zur Lösung globaler Problem zu leisten - seit der Ausrichtung der UN-Klimakonferenz in 2007 bemüht, sich als aktiver klimapolitischer Akteur zu profilieren. Dafür hat es sich ambitionierte Ziele gesetzt, die über die international ausgehandelten Werte hinausgehen: Auf der UN-Klimakonferenz in Kopenhagen 2009 verpflichtete sich Indonesien, seine Emissionen bis 2020 um 26 Prozent zu senken, bei internationaler (technischer) Unterstützung sogar um bis zu 41 Prozent. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war ein Waldmoratorium, das Indonesien 2010 beschlossen und dieses Jahr verlängert hat. Im Gegenzug stellte Norwegen Indonesien insgesamt eine Milliarde US-Dollar in Aussicht. Dieses innovative Instrument wurde auf dem UN-Klimagipfel in Cancún 2011 vorgestellt und schlug sich als Plus-Komponente des etablierten REDD-Mechanismus zum nachhaltigen Waldmanagement nieder. Damit konnte Indonesien seine klimapolitische Vorreiterrolle weiter unterstreichen.


Globale Gestaltungsmacht sein - auch eine Frage von Glaubwürdigkeit und Effizienz

Ist Indonesien also der neue Stern am Himmel der globalen Mächte? Die indonesische außenpolitische Elite würde diese Frage im Bewusstsein der Größe und Bedeutung ihres Landes sicher bejahen. Viele Beobachter bleiben allerdings skeptisch, denn Indonesiens Rolle auf internationaler Bühne bleibt weiterhin schwer zu greifen. Auch wenn das Land viele Merkmale mit den sogenannten BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China) teilt, wird das Land dennoch selten im selben Atemzug mit diesen genannt. Die kreativen Namensgeber der großen Investmentbanken ordnen Indonesien in die Gruppe der MIST (Mexiko, Indonesien, Südkorea und Türkei), der CIVETS (Kolumbien, Indonesien, Vietnam, Ägypten, Türkei und Südafrika) oder der Next Eleven ein. Es scheint so, als spiele Indonesien (noch) in einer B-Liga der Schwellenländer, zwar als Schwergewicht, aber als leichtes. Der Grund hierfür ist sowohl in der Diskrepanz zu suchen, die sich zwischen dem eigenen außenpolitischen Anspruch und den tatsächlich erzielten Ergebnissen auftut, als auch in den Widersprüchen, die zwischen außen- und innenpolitischem Handeln bestehen. Beides stellt die Glaubwürdigkeit Indonesiens als globalen Akteur infrage.

Das Land ist sich einerseits bewusst, dass seine demokratischen Errungenschaften und die viel beschworene religiöse Toleranz jene soft power darstellen, auf der sich der indonesische Anspruch zur globalen Mitgestaltung zementiert. Andererseits steht diese im eklatanten Widerspruch zu der im Land weit verbreiteten Korruption, den ungestraften Übergriffen auf religiöse Minderheiten sowie der mangelnden Effizienz der Bürokratie. Letztere macht auch vor der Außenpolitik keinen Halt und wird dem wachsenden Engagement des Landes in globalen Initiativen und Foren kaum gerecht. Die Ambitionen sind meist hoch, die Leistungsbilanz eher mager. Indonesiens tatsächliches Gewicht in internationalen Foren bleibt oftmals hinter seinem selbstbewussten Auftreten zurück. Auf den letzten G20-Gipfeln ist das Land nicht nennenswert aufgefallen und auch auf dem aktuellen APEC-Gipfel musste es in Bezug auf die gewünschte Erweiterung der APEC-Umweltgüterliste eine Niederlage einstecken. Der im Mai dieses Jahres durch intensive Brandrodung entstandene »haze« (dichter Rauch), der nicht nur der Bevölkerung auf der indonesischen Insel Sumatra zu schaffen machte, sondern auch Singapur und Malaysia für Tage verdunkelte, zeigt die fehlenden Kapazitäten, um die vollmundigen Ankündigen im Klimabereich nachzuhalten. Auch Indonesiens Vorbildrolle als Demokratie in der Region verliert durch Entwicklungen im eigenen Land - u.a. die Einschränkung der Arbeit ausländischer Nichtregierungsorganisationen - an Glaubwürdigkeit. Zudem scheint eine nicht unerhebliche Quelle des indonesischen außenpolitischen Selbstbewusstseins gerade bedroht: das anhaltend hohe Wirtschaftswachstum wird seit einigen Wochen durch den massiven Abzug von internationalem Kapital, starken Wechselkursverlusten der indonesischen Rupiah und den fallenden Rohstoffpreisen gedämpft. Noch fehlt es dem Land also an ökonomischem, politischem und diplomatischem Durchsetzungsvermögen, sowohl nach innen als auch nach außen.

Die eigene Bevölkerung scheint von den internationalen Ambitionen ihres Landes völlig losgelöst. Außenpolitische Belange stoßen bis jetzt in der breiten indonesischen Öffentlichkeit auf wenig Interesse. Auch die Medien messen dem Thema keine große Relevanz bei, sofern nicht gerade mal wieder ein Gipfel auf Bali stattfindet. Während sich das Land in Genf, New York und anderswo weltoffen gibt, wird zu Hause über die Abschaffung von Englisch-Unterricht zugunsten von mehr Religions- und Staatsbürgerkunde debattiert. Regierungs- und Volksvertreter, die nicht direkt mit außenpolitischen Fragen zu tun haben, sehen wenig Anlass, sich näher mit globalen Gestaltungsfragen auseinanderzusetzen und schlagen im Zweifelsfalle lieber nationalistische oder religiöse Töne an. So enthielt sich Indonesien im Jahr 2008 aus Rücksicht auf Sensibilitäten in der Bevölkerung und im Parlament als einziges Mitglied im UN-Sicherheitsrat, als über eine Resolution zur Verschärfung der Sanktionen gegen den Iran abgestimmt wurde. Auch bei der Ansprache des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping vor dem indonesischen Parlament im Vorfeld des APEC-Gipfels - immerhin der erste ausländische Staatschef, dem diese Ehre zukam - hielten es laut Medienberichten gerade einmal 30 Prozent der Abgeordneten für notwendig, Präsenz zu zeigen. Hinter diesem Verhalten steht der Wunsch, nicht auf ausländische Akteure angewiesen zu sein, oftmals begleitet von einem tiefsitzenden Argwohn, fremde Mächte könnten versuchen, sich auf Kosten Indonesiens einen unfairen Vorteil zu verschaffen. Erst wenn der außenpolitische Anspruch kongruent zu den inneren Realitäten ist, wird Indonesien tatsächlich sein volles Potenzial als globale Gestaltungsmacht entfalten können.



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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2013