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ASIEN/856: Pakistan - Hinrichtungen von Taliban "aus falschen Gründen" ausgesetzt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 19. September 2013

Pakistan: Hinrichtungen von Taliban "aus falschen Gründen" ausgesetzt

von Ashfaq Yusufzai


Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Taliban warnen Regierung vor Hinrichtungen
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, 19. September (IPS) - In Pakistan mehren sich die Anzeichen dafür, dass die gerichtlich verfügten Hinrichtungen dreier Taliban nicht stattfinden werden. Vertreter politischer Parteien führen den Regierungsbeschluss, die Vollstreckung der Todesstrafen auszusetzen, weniger auf ethische Gründe denn auf die Sorge vor Vergeltungsschlägen zurück.

"Die Tatsache, dass die Regierung die Exekutionen gestoppt hat, bedeutet, dass sie sich dem Druck der Taliban gebeugt hat", meint der Vorsitzende der Awami-Nationalpartei (ANP), Mian Iftikar Hussain. Seit langem ist die ANP Zielscheibe der Taliban, da sie während ihrer Regierungszeit in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa von 2008 bis 2013 mit harter Hand gegen die Extremisten vorging. In den letzten fünf Jahren hat die Gruppe 'Tehrik/Taliban Pakistan' (TTP) 800 Parteimitglieder ermordet.

Hussain, ein entschiedener Gegner der Taliban, ist empört, "dass die Islamisten nicht zögern, unschuldige Menschen durch Bomben- und Selbstmordanschläge zu töten, die rechtmäßige Hinrichtung ihrer eigenen Männer jedoch zu verhindern suchen." Attaullah Khan, Mohammad Azam und Jalaj Shah von der Gruppe 'Lashkar-i-Jhangvi' (LeJ) sitzen seit dem Ablauf eines Moratoriums des ehemaligen Präsidenten Asif Ali Zardari am 30. Juni im Todestrakt.

Die Forderung der Pakistanischen Menschenrechtskommission, das Moratorium zu verlängern, hat die Regierung zurückgewiesen. In dem südasiatischen Land gibt es etwa 8.000 Gefangene, die zum Tod durch Erhängen verurteilt wurden.

"Zunächst sollten die drei Dschihadisten am 20., 21. und 22. August hingerichtet werden. Doch dann sagte die Regierung die Termine im letzten Moment ab", berichtet Muhammad Irfan von der unabhängigen Organisation 'Freiheit für alle'. "Die regierende Pakistanische Muslim-Liga (PML-N) hat die Hinrichtungen gestoppt, weil sie Angst vor TTP hat", ist er überzeugt.

Unter dem Schirm von TTP haben Kämpfer in allen pakistanischen Provinzen Morde begangen. Nur Punjab wurde bisher verschont. Für den Fall, dass Taliban hingerichtet werden, droht ein Ableger der Extremisten damit, künftig auch in Punjab Anschläge zu verüben.

TTP-Sprecher Maulana Asmatullah Muavia erklärte am 12. August, dass die PML-N-Regierung im Fall der Hinrichtung der Taliban "einen Preis zu zahlen hat". Die TTP führe Krieg gegen diejenigen politischen Parteien, die zu Marionetten des Militärs geworden seien. "Einige Elemente in Geheimdiensten versuchen, die PML-N gegen die Taliban scharf zu machen", erklärte er. Die TTP wirft der Regierung vor, die Todesurteile gegen Gefangene aus ihren Reihen auf Druck der USA verhängt zu haben. Sie forderte die Regierung dringlich auf, die Hinrichtungen nicht zu vollstrecken.

Nach Ansicht von ANP-Führern lässt die Regierung gegenüber den Taliban Milde walten, weil die Kämpfer Punjab bisher verschont haben. Bisher konzentriert sich die Gewalt der Extremisten auf Khyber Pakhtunkhwa, Belutschistan und Sindh. ANP-Senator Muhammad Adeel zufolge hat sich die Regierung in Punjab als zu nachgiebig gezeigt.


Punjab Unterstützung von Terroristen vorgeworfen

Shahbaz Sharif, der jüngere Bruder von Ministerpräsident Nawaz Sharif, ist Regierungschef in Punjab. In der Provinz unterhalten unter anderem die extremistischen Gruppierungen LeJ, 'Lashkar Toiba' und 'Jamatu Dawa' ihre Hauptstützpunkte. "Seit Jahren fordern wir von der Regierung von Punjab, gegen die militanten Islamisten vorzugehen. Doch stattdessen unterstützt sie die Kämpfer."

Obwohl die Todesurteile gerichtlich verfügt worden sind, geht man allgemein davon aus, dass letztendlich politische Überlegungen über das Schicksal der Verurteilten entscheiden. Die Akten mit Hinrichtungsbefehlen gegen fünf weitere verurteilte Häftlinge aus den Reihen der TTP wurden bereits dem Büro des Premierministers weitergeleitet, wie Innenminister Chaudhry Nisar Ali Khan erklärte. Von dort gehen sie an die Präsidenten, der die Anordnungen genehmigen muss. Nach Ansicht der ANP-Führer deutet jedoch alles darauf hin, dass die Hinrichtungen nicht vollstreckt würden - "allerdings aus den falschen Gründen". (Ende/IPS/ck/2013)


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http://www.ipsnews.net/2013/09/executions-on-hold-for-the-wrong-reasons/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. September 2013