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ASIEN/692: Kambodscha - EU-Initiative "Alles außer Waffen" gut für Exporteure (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 29. November 2010

Kambodscha: EU-Initiative Alles außer Waffen - Gut für Exporteure, schlecht für Arme

Von Irwin Loy


Phnom Penh, 29. November (IPS) - "Genug ist genug", sagte sich Jon Edwards, als die EU vor vier Jahren Fahrräder aus Vietnam mit Strafzöllen wegen Dumpings belegte. Der taiwanische Unternehmer schloss seine Fabrik im südlichen Vietnam, entließ 500 Arbeiter und machte sich auf die Suche nach einem neuen Standort. Er fand eine neue Bleibe in Kambodscha und profitiert jetzt wie so viele Exporteure von der EU-Initiative 'Alles außer Waffen'.

"Die Zölle waren unser Ende", sagt Edwards, Chef von 'A&J Worldwide'. "Sie haben unsere Wettbewerbsfähigkeit ruiniert." In Svay Rieng, einer der ärmsten Provinzen Kambodschas, hat er ein neues Werk eröffnet und beschäftigt dort mittlerweile 800 Arbeiter, die meisten von ihnen Kambodschaner. Seine Fabrik arbeitet mit 90 Prozent ihrer Kapazität, exportiert jeden Monat 20.000 Fahrräder und konzentriert sich mittlerweile auf Produkte höherer bis höchster Qualität.

"Wir hätten 2006 auch nach Malaysia oder Thailand gehen können. Dort wäre der Betrieb sicher schneller ans Laufen gekommen. Aber alles in allem ist die Situation in Kambodscha für uns günstiger", erläutert Edwards. Kambodscha gehört zu den am wenigsten entwickelten Ländern (LDCs), denen die EU im Rahmen der Initiative Alles außer Waffen zollfreien Zugang zum europäischen Markt einräumt. "Mit unserem Umzug nach Svay Rieng entfielen nicht nur die Strafzölle, sondern auch alle anderen Abgaben bei der Ausfuhr." Es sei ein enormer Wettbewerbsvorteil entstanden mit großen Einsparungen für die Kunden.


Triebfeder für den Außenhandel

Viele kambodschanische Produzenten ziehen großen Nutzen aus der EU-Initiative. Nach offiziellen Angaben hatten die Exporte aus dem südostasiatischen Land in die EU 2009 einen Wert von 751 Millionen Euro und verdanken sich zu drei Viertel der Initiative Alles außer Waffen.

Die Präferenzen machen sich gerade bei den kambodschanischen Exportschlagern bemerkbar. Der Textilsektor etwa war 2009 für Exporte in die EU im Wert von 526 Euro gut. Über 70 Prozent der Ausfuhr ist das Resultat von Alles außer Waffen, ebenso 97 Prozent der Schuhexporte. Der Wert der Fahrradexporte belief sich auf 48 Millionen Euro und fiel zu 60 Prozent unter die Initiative. Mittlerweile zählt Kambodscha zu den Nettoexporteuren bei Produkten wie Fahrrädern.

"Der Nutzen ist enorm", bestätigt Edwards. Auswärtige Investoren wie er schätzen die wirtschaftlichen Vorteile und tragen ihrerseits zu einer besseren Ausbildung und Arbeitsplatzbeschaffung in einem der ärmsten Länder der Welt bei. Das kann Renne Outh, Generalsekretär der Verbandes der kleinen und mittelständischen Industrie in Kambodscha nur bestätigen: "Wir haben ein großes Potenzial." Jetzt könne es sich entwickeln.


Arme Bauern überrollt

Allerdings hat die EU-Initiative in Kambodscha auch ihre Kritiker. So verweist die Nichtregierungsorganisation (NGO) 'Bridges Across Borders Cambodia' auf die Nachteile für die arme Landbevölkerung. Tausende Familien leiden unter Enteignung, Zwangsvertreibung und Gewalt, seit große Landstriche für die Zuckerproduktion an private Investoren vergeben wurden.

In Kambodscha boomt das Zuckergeschäft. In den letzten zwei Jahren haben die Behörden über 100.000 Hektar Land für den Zuckeranbau freigegeben und die dort ursprünglich lebenden Menschen sich selbst überlassen. "Die EU muss sich auch mit den sozialen und ökologischen Folgen ihrer Handelspolitik befassen und sicherstellen, dass sie keinen Schaden anrichtet", fordert David Pred, der Leiter der NGO. (Ende/IPS/hn/2010)


Links:
http://www.babcambodia.org
http://www.anjworldwide.com/01.asp
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=53678


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 29. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. November 2010